dies nur geringe, denn theils kannte man meine Geschichte mit Narbonne nur wenig, theils wußt' ich, daß man Niemand ohne Nutzen verfolgt. Die Gelegenheit war schön; ich entschloß mich und gab mein Versprechen! -- Erichsen war froh darüber. Er sagte, die ganze Reise, mein Aufenthalt in Paris, alles kurzum, solle mir keinen Pfennig kosten, er habe mir für's Mitgehn, nicht ich ihm für's Freihalten Verbindlichkeit. --
Alles wäre gut gegangen, wenn wir allein geblieben wären, aber es war in London ein gewisser Herr Rilliet, Banquier von Paris, mit seiner Frau. Er war so halb und halb mit Auf¬ trägen nach England gesandt worden, aber die Sache war nicht ganz klar. Er fürchtete sich ein bischen, wieder nach Frankreich zu gehn, weil man schon harte Dekrete gegen die Ausgewander¬ ten gegeben hatte. Er hatte Erichsen kennen gelernt, und bat ihn, in seiner Gesellschaft reisen zu dürfen, weil er dies für einen kleinen Schutz hielt; Erichsen war's zufrieden. Wir fuhren ab in zwei Reisewagen, Rilliet mit seiner Frau und einem Kammer¬ mädchen, Erichsen und ich; ein Bedienter war zu Pferde. Wir wechselten auf jeder Station die Plätze! Natürlicherweise kam ich auf meiner Tour bei Madame Rilliet zu sitzen, und ich ent¬ deckte bald an ihr einen köstlichen Schatz. Sie war nicht sehr groß, aber äußerst fein gebaut und ohne Fehler im Verhältniß. Ihre gebogene Nase allein hätte ein bischen kleiner sein können, aber der Mund darunter war desto hübscher, und ihre großen schwarzen, nie stummen, sanften Augen waren unbeschreiblich schön! Sie war auferzogen worden zugleich mit Madame de Stael von dem berühmten Abbe Raynal, welcher nichts versäumt hatte, ihrem von Natur schon regen und thätigen Geiste Reich¬ thum und Bildung zu geben. Sie hatte überdies, was mehr werth war, ein sehr empfindsames Herz, eine reine fleckenlose Seele und einen sehr feinen Sinn für's moralische Schöne. --
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dies nur geringe, denn theils kannte man meine Geſchichte mit Narbonne nur wenig, theils wußt' ich, daß man Niemand ohne Nutzen verfolgt. Die Gelegenheit war ſchoͤn; ich entſchloß mich und gab mein Verſprechen! — Erichſen war froh daruͤber. Er ſagte, die ganze Reiſe, mein Aufenthalt in Paris, alles kurzum, ſolle mir keinen Pfennig koſten, er habe mir fuͤr's Mitgehn, nicht ich ihm fuͤr's Freihalten Verbindlichkeit. —
Alles waͤre gut gegangen, wenn wir allein geblieben waͤren, aber es war in London ein gewiſſer Herr Rilliet, Banquier von Paris, mit ſeiner Frau. Er war ſo halb und halb mit Auf¬ traͤgen nach England geſandt worden, aber die Sache war nicht ganz klar. Er fuͤrchtete ſich ein bischen, wieder nach Frankreich zu gehn, weil man ſchon harte Dekrete gegen die Ausgewander¬ ten gegeben hatte. Er hatte Erichſen kennen gelernt, und bat ihn, in ſeiner Geſellſchaft reiſen zu duͤrfen, weil er dies fuͤr einen kleinen Schutz hielt; Erichſen war's zufrieden. Wir fuhren ab in zwei Reiſewagen, Rilliet mit ſeiner Frau und einem Kammer¬ maͤdchen, Erichſen und ich; ein Bedienter war zu Pferde. Wir wechſelten auf jeder Station die Plaͤtze! Natuͤrlicherweiſe kam ich auf meiner Tour bei Madame Rilliet zu ſitzen, und ich ent¬ deckte bald an ihr einen koͤſtlichen Schatz. Sie war nicht ſehr groß, aber aͤußerſt fein gebaut und ohne Fehler im Verhaͤltniß. Ihre gebogene Naſe allein haͤtte ein bischen kleiner ſein koͤnnen, aber der Mund darunter war deſto huͤbſcher, und ihre großen ſchwarzen, nie ſtummen, ſanften Augen waren unbeſchreiblich ſchoͤn! Sie war auferzogen worden zugleich mit Madame de Staël von dem beruͤhmten Abbé Raynal, welcher nichts verſaͤumt hatte, ihrem von Natur ſchon regen und thaͤtigen Geiſte Reich¬ thum und Bildung zu geben. Sie hatte uͤberdies, was mehr werth war, ein ſehr empfindſames Herz, eine reine fleckenloſe Seele und einen ſehr feinen Sinn fuͤr's moraliſche Schoͤne. —
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dies nur geringe, denn theils kannte man meine Geſchichte mit
Narbonne nur wenig, theils wußt' ich, daß man Niemand ohne
Nutzen verfolgt. Die Gelegenheit war ſchoͤn; ich entſchloß mich
und gab mein Verſprechen! — Erichſen war froh daruͤber. Er
ſagte, die ganze Reiſe, mein Aufenthalt in Paris, alles kurzum,
ſolle mir keinen Pfennig koſten, er habe mir fuͤr's Mitgehn,
nicht ich ihm fuͤr's Freihalten Verbindlichkeit. —
Alles waͤre gut gegangen, wenn wir allein geblieben waͤren,
aber es war in London ein gewiſſer Herr Rilliet, Banquier von
Paris, mit ſeiner Frau. Er war ſo halb und halb mit Auf¬
traͤgen nach England geſandt worden, aber die Sache war nicht
ganz klar. Er fuͤrchtete ſich ein bischen, wieder nach Frankreich
zu gehn, weil man ſchon harte Dekrete gegen die Ausgewander¬
ten gegeben hatte. Er hatte Erichſen kennen gelernt, und bat
ihn, in ſeiner Geſellſchaft reiſen zu duͤrfen, weil er dies fuͤr einen
kleinen Schutz hielt; Erichſen war's zufrieden. Wir fuhren ab
in zwei Reiſewagen, Rilliet mit ſeiner Frau und einem Kammer¬
maͤdchen, Erichſen und ich; ein Bedienter war zu Pferde. Wir
wechſelten auf jeder Station die Plaͤtze! Natuͤrlicherweiſe kam
ich auf meiner Tour bei Madame Rilliet zu ſitzen, und ich ent¬
deckte bald an ihr einen koͤſtlichen Schatz. Sie war nicht ſehr
groß, aber aͤußerſt fein gebaut und ohne Fehler im Verhaͤltniß.
Ihre gebogene Naſe allein haͤtte ein bischen kleiner ſein koͤnnen,
aber der Mund darunter war deſto huͤbſcher, und ihre großen
ſchwarzen, nie ſtummen, ſanften Augen waren unbeſchreiblich
ſchoͤn! Sie war auferzogen worden zugleich mit Madame de
Staël von dem beruͤhmten Abbé Raynal, welcher nichts verſaͤumt
hatte, ihrem von Natur ſchon regen und thaͤtigen Geiſte Reich¬
thum und Bildung zu geben. Sie hatte uͤberdies, was mehr
werth war, ein ſehr empfindſames Herz, eine reine fleckenloſe
Seele und einen ſehr feinen Sinn fuͤr's moraliſche Schoͤne. —
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/63>, abgerufen am 21.11.2024.
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