erklärt, er wolle nicht, daß das Verhaßte dieser Ge¬ fangenschaft länger auf ihm haften solle; auch sonst waren seine Aeußerungen im menschenfreundlichsten Sinne der Sache günstig, wie auch der Sendung und Person Boll¬ mann's insbesondere. Allein der Gefangene befand sich nicht mehr in preußischem Gewahrsam, sondern war in österreichischen ausgeliefert worden, weil man von dieser Seite den Umstand geltend gemacht hatte, daß Lafayette, bei seinem Herüberkommen aus Frankreich, zuerst auf österreichische Vorposten gestoßen, und von diesen auf¬ genommen, dann aber nur zufällig durch preußische Truppen weitergeführt worden sei. Das Begehren er¬ schien begründet, und wurde gewährt. Lafayette war jetzt österreichischer Staatsgefangener, und wurde zu Olmütz in strenger Haft gehalten. Auf sein Schicksal konnte Preußen keine unmittelbare Einwirkung mehr haben; höchstens war eine diplomatische Verwendung zu versuchen, deren Erfolg bei den in Wien herrschen¬ den Gesinnungen sehr zu bezweifeln schien, und obwohl es Personen gab, welche zu solchem Versuche eifrig riethen, so fand die Ausführung doch gerade bei den¬ jenigen Staatsmännern, welche dabei hätten amtlich auf¬ treten müssen, zu große Bedenklichkeiten, und die Sache blieb auf sich beruhen.
Doch hatte Bollmann genug erkannt, wie allgemein die Theilnahme für den Gefangenen auch in den Län¬ dern und Kreisen, die man ihm als feindlich gesinnt
erklaͤrt, er wolle nicht, daß das Verhaßte dieſer Ge¬ fangenſchaft laͤnger auf ihm haften ſolle; auch ſonſt waren ſeine Aeußerungen im menſchenfreundlichſten Sinne der Sache guͤnſtig, wie auch der Sendung und Perſon Boll¬ mann's insbeſondere. Allein der Gefangene befand ſich nicht mehr in preußiſchem Gewahrſam, ſondern war in oͤſterreichiſchen ausgeliefert worden, weil man von dieſer Seite den Umſtand geltend gemacht hatte, daß Lafayette, bei ſeinem Heruͤberkommen aus Frankreich, zuerſt auf oͤſterreichiſche Vorpoſten geſtoßen, und von dieſen auf¬ genommen, dann aber nur zufaͤllig durch preußiſche Truppen weitergefuͤhrt worden ſei. Das Begehren er¬ ſchien begruͤndet, und wurde gewaͤhrt. Lafayette war jetzt oͤſterreichiſcher Staatsgefangener, und wurde zu Olmuͤtz in ſtrenger Haft gehalten. Auf ſein Schickſal konnte Preußen keine unmittelbare Einwirkung mehr haben; hoͤchſtens war eine diplomatiſche Verwendung zu verſuchen, deren Erfolg bei den in Wien herrſchen¬ den Geſinnungen ſehr zu bezweifeln ſchien, und obwohl es Perſonen gab, welche zu ſolchem Verſuche eifrig riethen, ſo fand die Ausfuͤhrung doch gerade bei den¬ jenigen Staatsmaͤnnern, welche dabei haͤtten amtlich auf¬ treten muͤſſen, zu große Bedenklichkeiten, und die Sache blieb auf ſich beruhen.
Doch hatte Bollmann genug erkannt, wie allgemein die Theilnahme fuͤr den Gefangenen auch in den Laͤn¬ dern und Kreiſen, die man ihm als feindlich geſinnt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0088"n="74"/>
erklaͤrt, er wolle nicht, daß das Verhaßte dieſer Ge¬<lb/>
fangenſchaft laͤnger auf ihm haften ſolle; auch ſonſt waren<lb/>ſeine Aeußerungen im menſchenfreundlichſten Sinne der<lb/>
Sache guͤnſtig, wie auch der Sendung und Perſon Boll¬<lb/>
mann's insbeſondere. Allein der Gefangene befand ſich<lb/>
nicht mehr in preußiſchem Gewahrſam, ſondern war in<lb/>
oͤſterreichiſchen ausgeliefert worden, weil man von dieſer<lb/>
Seite den Umſtand geltend gemacht hatte, daß Lafayette,<lb/>
bei ſeinem Heruͤberkommen aus Frankreich, zuerſt auf<lb/>
oͤſterreichiſche Vorpoſten geſtoßen, und von dieſen auf¬<lb/>
genommen, dann aber nur zufaͤllig durch preußiſche<lb/>
Truppen weitergefuͤhrt worden ſei. Das Begehren er¬<lb/>ſchien begruͤndet, und wurde gewaͤhrt. Lafayette war<lb/>
jetzt oͤſterreichiſcher Staatsgefangener, und wurde zu<lb/>
Olmuͤtz in ſtrenger Haft gehalten. Auf ſein Schickſal<lb/>
konnte Preußen keine unmittelbare Einwirkung mehr<lb/>
haben; hoͤchſtens war eine diplomatiſche Verwendung<lb/>
zu verſuchen, deren Erfolg bei den in Wien herrſchen¬<lb/>
den Geſinnungen ſehr zu bezweifeln ſchien, und obwohl<lb/>
es Perſonen gab, welche zu ſolchem Verſuche eifrig<lb/>
riethen, ſo fand die Ausfuͤhrung doch gerade bei den¬<lb/>
jenigen Staatsmaͤnnern, welche dabei haͤtten amtlich auf¬<lb/>
treten muͤſſen, zu große Bedenklichkeiten, und die Sache<lb/>
blieb auf ſich beruhen.</p><lb/><p>Doch hatte Bollmann genug erkannt, wie allgemein<lb/>
die Theilnahme fuͤr den Gefangenen auch in den Laͤn¬<lb/>
dern und Kreiſen, die man ihm als feindlich geſinnt<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[74/0088]
erklaͤrt, er wolle nicht, daß das Verhaßte dieſer Ge¬
fangenſchaft laͤnger auf ihm haften ſolle; auch ſonſt waren
ſeine Aeußerungen im menſchenfreundlichſten Sinne der
Sache guͤnſtig, wie auch der Sendung und Perſon Boll¬
mann's insbeſondere. Allein der Gefangene befand ſich
nicht mehr in preußiſchem Gewahrſam, ſondern war in
oͤſterreichiſchen ausgeliefert worden, weil man von dieſer
Seite den Umſtand geltend gemacht hatte, daß Lafayette,
bei ſeinem Heruͤberkommen aus Frankreich, zuerſt auf
oͤſterreichiſche Vorpoſten geſtoßen, und von dieſen auf¬
genommen, dann aber nur zufaͤllig durch preußiſche
Truppen weitergefuͤhrt worden ſei. Das Begehren er¬
ſchien begruͤndet, und wurde gewaͤhrt. Lafayette war
jetzt oͤſterreichiſcher Staatsgefangener, und wurde zu
Olmuͤtz in ſtrenger Haft gehalten. Auf ſein Schickſal
konnte Preußen keine unmittelbare Einwirkung mehr
haben; hoͤchſtens war eine diplomatiſche Verwendung
zu verſuchen, deren Erfolg bei den in Wien herrſchen¬
den Geſinnungen ſehr zu bezweifeln ſchien, und obwohl
es Perſonen gab, welche zu ſolchem Verſuche eifrig
riethen, ſo fand die Ausfuͤhrung doch gerade bei den¬
jenigen Staatsmaͤnnern, welche dabei haͤtten amtlich auf¬
treten muͤſſen, zu große Bedenklichkeiten, und die Sache
blieb auf ſich beruhen.
Doch hatte Bollmann genug erkannt, wie allgemein
die Theilnahme fuͤr den Gefangenen auch in den Laͤn¬
dern und Kreiſen, die man ihm als feindlich geſinnt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/88>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.