vielmehr die Studien, und gehören wesentlich mit ihnen zusammen, denn die Wissenschaften und Geistesarten treten dabei in ihrer Wechselbeziehung hervor, und die Gemeinschaft wie die Verschiedenheit der Gegenstände, mit denen man beschäftigt ist, wird jedem ächten Stre¬ ben zur größten Förderung. Ein wichtiges Erforderniß scheint jedoch hierbei, daß der Verkehr möglichst unter Studirenden abgeschlossen bleibe, und nicht nach andern Lebensgebieten so sehr hinausverlockt werde, wo der wissenschaftliche Boden weicht, und die befangnen und auch wohl oberflächlichen Verhältnisse einer entwickelte¬ ren Lebensstufe anheben. Neumann und ich, die wir früher in die Prüfungen des Erlebens geworfen, als zu den Studien gekommen waren, hatten den Willen, uns jetzt in diese redlich einzuhalten, allein die Thatsache, daß unser Sinn größtentheils darüber hinausging, ließ sich weder läugnen noch abwenden, so wenig eine völlig aufgegangene Blüthe sich wieder auf den Stand einer geschlossenen Knospe zurückzwängen läßt. Schon den Andern waren wir mehr als gewöhnliche Studenten. Unsere Schriftstellerei machte sich ruchbar, und fand hier sogar Beachtung; unser neustes Opus, der Aus¬ fall gegen Merkel, wurde gut geheißen, und man las in vielen Zeitschriften Lob darüber. Die Professoren behandelten uns als junge Gelehrte. Dies trat recht auffallend hervor, als gegen Ende des Mai Bernhardi auf ein paar Tage nach Halle kam. Wir waren be¬
vielmehr die Studien, und gehoͤren weſentlich mit ihnen zuſammen, denn die Wiſſenſchaften und Geiſtesarten treten dabei in ihrer Wechſelbeziehung hervor, und die Gemeinſchaft wie die Verſchiedenheit der Gegenſtaͤnde, mit denen man beſchaͤftigt iſt, wird jedem aͤchten Stre¬ ben zur groͤßten Foͤrderung. Ein wichtiges Erforderniß ſcheint jedoch hierbei, daß der Verkehr moͤglichſt unter Studirenden abgeſchloſſen bleibe, und nicht nach andern Lebensgebieten ſo ſehr hinausverlockt werde, wo der wiſſenſchaftliche Boden weicht, und die befangnen und auch wohl oberflaͤchlichen Verhaͤltniſſe einer entwickelte¬ ren Lebensſtufe anheben. Neumann und ich, die wir fruͤher in die Pruͤfungen des Erlebens geworfen, als zu den Studien gekommen waren, hatten den Willen, uns jetzt in dieſe redlich einzuhalten, allein die Thatſache, daß unſer Sinn groͤßtentheils daruͤber hinausging, ließ ſich weder laͤugnen noch abwenden, ſo wenig eine voͤllig aufgegangene Bluͤthe ſich wieder auf den Stand einer geſchloſſenen Knoſpe zuruͤckzwaͤngen laͤßt. Schon den Andern waren wir mehr als gewoͤhnliche Studenten. Unſere Schriftſtellerei machte ſich ruchbar, und fand hier ſogar Beachtung; unſer neuſtes Opus, der Aus¬ fall gegen Merkel, wurde gut geheißen, und man las in vielen Zeitſchriften Lob daruͤber. Die Profeſſoren behandelten uns als junge Gelehrte. Dies trat recht auffallend hervor, als gegen Ende des Mai Bernhardi auf ein paar Tage nach Halle kam. Wir waren be¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0116"n="102"/>
vielmehr die Studien, und gehoͤren weſentlich mit ihnen<lb/>
zuſammen, denn die Wiſſenſchaften und Geiſtesarten<lb/>
treten dabei in ihrer Wechſelbeziehung hervor, und die<lb/>
Gemeinſchaft wie die Verſchiedenheit der Gegenſtaͤnde,<lb/>
mit denen man beſchaͤftigt iſt, wird jedem aͤchten Stre¬<lb/>
ben zur groͤßten Foͤrderung. Ein wichtiges Erforderniß<lb/>ſcheint jedoch hierbei, daß der Verkehr moͤglichſt unter<lb/>
Studirenden abgeſchloſſen bleibe, und nicht nach andern<lb/>
Lebensgebieten ſo ſehr hinausverlockt werde, wo der<lb/>
wiſſenſchaftliche Boden weicht, und die befangnen und<lb/>
auch wohl oberflaͤchlichen Verhaͤltniſſe einer entwickelte¬<lb/>
ren Lebensſtufe anheben. Neumann und ich, die wir<lb/>
fruͤher in die Pruͤfungen des Erlebens geworfen, als zu<lb/>
den Studien gekommen waren, hatten den Willen, uns<lb/>
jetzt in dieſe redlich einzuhalten, allein die Thatſache,<lb/>
daß unſer Sinn groͤßtentheils daruͤber hinausging, ließ<lb/>ſich weder laͤugnen noch abwenden, ſo wenig eine voͤllig<lb/>
aufgegangene Bluͤthe ſich wieder auf den Stand einer<lb/>
geſchloſſenen Knoſpe zuruͤckzwaͤngen laͤßt. Schon den<lb/>
Andern waren wir mehr als gewoͤhnliche Studenten.<lb/>
Unſere Schriftſtellerei machte ſich ruchbar, und fand<lb/>
hier ſogar Beachtung; unſer neuſtes Opus, der Aus¬<lb/>
fall gegen Merkel, wurde gut geheißen, und man las<lb/>
in vielen Zeitſchriften Lob daruͤber. Die Profeſſoren<lb/>
behandelten uns als junge Gelehrte. Dies trat recht<lb/>
auffallend hervor, als gegen Ende des Mai Bernhardi<lb/>
auf ein paar Tage nach Halle kam. Wir waren be¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[102/0116]
vielmehr die Studien, und gehoͤren weſentlich mit ihnen
zuſammen, denn die Wiſſenſchaften und Geiſtesarten
treten dabei in ihrer Wechſelbeziehung hervor, und die
Gemeinſchaft wie die Verſchiedenheit der Gegenſtaͤnde,
mit denen man beſchaͤftigt iſt, wird jedem aͤchten Stre¬
ben zur groͤßten Foͤrderung. Ein wichtiges Erforderniß
ſcheint jedoch hierbei, daß der Verkehr moͤglichſt unter
Studirenden abgeſchloſſen bleibe, und nicht nach andern
Lebensgebieten ſo ſehr hinausverlockt werde, wo der
wiſſenſchaftliche Boden weicht, und die befangnen und
auch wohl oberflaͤchlichen Verhaͤltniſſe einer entwickelte¬
ren Lebensſtufe anheben. Neumann und ich, die wir
fruͤher in die Pruͤfungen des Erlebens geworfen, als zu
den Studien gekommen waren, hatten den Willen, uns
jetzt in dieſe redlich einzuhalten, allein die Thatſache,
daß unſer Sinn groͤßtentheils daruͤber hinausging, ließ
ſich weder laͤugnen noch abwenden, ſo wenig eine voͤllig
aufgegangene Bluͤthe ſich wieder auf den Stand einer
geſchloſſenen Knoſpe zuruͤckzwaͤngen laͤßt. Schon den
Andern waren wir mehr als gewoͤhnliche Studenten.
Unſere Schriftſtellerei machte ſich ruchbar, und fand
hier ſogar Beachtung; unſer neuſtes Opus, der Aus¬
fall gegen Merkel, wurde gut geheißen, und man las
in vielen Zeitſchriften Lob daruͤber. Die Profeſſoren
behandelten uns als junge Gelehrte. Dies trat recht
auffallend hervor, als gegen Ende des Mai Bernhardi
auf ein paar Tage nach Halle kam. Wir waren be¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/116>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.