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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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indeß stark vorwärts geschritten, und die Antwort auf
das eingereichte Abschiedsgesuch kam nicht; aus sehr na¬
türlichem Grunde, denn dasselbe war unbefördert bei
dem Obersten liegen geblieben, und mußte wiederholt
werden. Aber in der Zwischenzeit hatten die politischen
Aussichten sich wieder getrübt, und die Möglichkeit ei¬
nes Krieges war näher getreten, der Abschied, welcher
früher ohne Schwierigkeit zu erlangen geschienen, wurde
jetzt unthunlich, und Chamisso genöthigt, eine entschie¬
dene Wendung der Dinge in seiner bisherigen Lage fer¬
ner abzuwarten. Er und wir mußten uns in das Un¬
vermeidliche fügen, und hofften nur, daß die Ungewißheit
nicht lange dauern würde. Unser Briefwechsel aber
diente zugleich unsrer litterarischen Thätigkeit, denn ich
hatte mit Chamisso die Fortsetzung des Almanachs und
mit Neumann die Herausgabe einer andern Sammlung
von Aufsätzen im Sinn, wozu wir die angemessenen
Beiträge verabreden und einfordern mußten. Chamisso
ließ uns Verse und Prosa nicht fehlen, Bernhardi gab
ein humoristisches Todtengespräch, meine Schwester eine
wohlgearbeitete Novelle, und Reinhold und Theremin
versprachen Gedichte, so wie auch Fouque, der mir
durch Bernhardi ein Exemplar seiner eben erschienenen
dramatischen Historie vom Ritter Galmy übersandt, und
mir durch ein solches unverhofftes Ehrengeschenk, an
welches ein brieflicher Verkehr sich sogleich anschloß, keine
geringe Freude gemacht hatte. Zwar der Almanach kam

indeß ſtark vorwaͤrts geſchritten, und die Antwort auf
das eingereichte Abſchiedsgeſuch kam nicht; aus ſehr na¬
tuͤrlichem Grunde, denn daſſelbe war unbefoͤrdert bei
dem Oberſten liegen geblieben, und mußte wiederholt
werden. Aber in der Zwiſchenzeit hatten die politiſchen
Ausſichten ſich wieder getruͤbt, und die Moͤglichkeit ei¬
nes Krieges war naͤher getreten, der Abſchied, welcher
fruͤher ohne Schwierigkeit zu erlangen geſchienen, wurde
jetzt unthunlich, und Chamiſſo genoͤthigt, eine entſchie¬
dene Wendung der Dinge in ſeiner bisherigen Lage fer¬
ner abzuwarten. Er und wir mußten uns in das Un¬
vermeidliche fuͤgen, und hofften nur, daß die Ungewißheit
nicht lange dauern wuͤrde. Unſer Briefwechſel aber
diente zugleich unſrer litterariſchen Thaͤtigkeit, denn ich
hatte mit Chamiſſo die Fortſetzung des Almanachs und
mit Neumann die Herausgabe einer andern Sammlung
von Aufſaͤtzen im Sinn, wozu wir die angemeſſenen
Beitraͤge verabreden und einfordern mußten. Chamiſſo
ließ uns Verſe und Proſa nicht fehlen, Bernhardi gab
ein humoriſtiſches Todtengeſpraͤch, meine Schweſter eine
wohlgearbeitete Novelle, und Reinhold und Theremin
verſprachen Gedichte, ſo wie auch Fouqué, der mir
durch Bernhardi ein Exemplar ſeiner eben erſchienenen
dramatiſchen Hiſtorie vom Ritter Galmy uͤberſandt, und
mir durch ein ſolches unverhofftes Ehrengeſchenk, an
welches ein brieflicher Verkehr ſich ſogleich anſchloß, keine
geringe Freude gemacht hatte. Zwar der Almanach kam

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[110/0124] indeß ſtark vorwaͤrts geſchritten, und die Antwort auf das eingereichte Abſchiedsgeſuch kam nicht; aus ſehr na¬ tuͤrlichem Grunde, denn daſſelbe war unbefoͤrdert bei dem Oberſten liegen geblieben, und mußte wiederholt werden. Aber in der Zwiſchenzeit hatten die politiſchen Ausſichten ſich wieder getruͤbt, und die Moͤglichkeit ei¬ nes Krieges war naͤher getreten, der Abſchied, welcher fruͤher ohne Schwierigkeit zu erlangen geſchienen, wurde jetzt unthunlich, und Chamiſſo genoͤthigt, eine entſchie¬ dene Wendung der Dinge in ſeiner bisherigen Lage fer¬ ner abzuwarten. Er und wir mußten uns in das Un¬ vermeidliche fuͤgen, und hofften nur, daß die Ungewißheit nicht lange dauern wuͤrde. Unſer Briefwechſel aber diente zugleich unſrer litterariſchen Thaͤtigkeit, denn ich hatte mit Chamiſſo die Fortſetzung des Almanachs und mit Neumann die Herausgabe einer andern Sammlung von Aufſaͤtzen im Sinn, wozu wir die angemeſſenen Beitraͤge verabreden und einfordern mußten. Chamiſſo ließ uns Verſe und Proſa nicht fehlen, Bernhardi gab ein humoriſtiſches Todtengeſpraͤch, meine Schweſter eine wohlgearbeitete Novelle, und Reinhold und Theremin verſprachen Gedichte, ſo wie auch Fouqué, der mir durch Bernhardi ein Exemplar ſeiner eben erſchienenen dramatiſchen Hiſtorie vom Ritter Galmy uͤberſandt, und mir durch ein ſolches unverhofftes Ehrengeſchenk, an welches ein brieflicher Verkehr ſich ſogleich anſchloß, keine geringe Freude gemacht hatte. Zwar der Almanach kam

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/124>, abgerufen am 21.11.2024.