Dinge, als wir unerwartet durch die Nachricht gestört wurden, am nächsten Sonntage werde Schleiermacher nicht predigen können, indem der Graf von Wartens¬ leben sich die akademische Kirche habe überweisen lassen, um ein Magazin dort unterzubringen, und man fange bereits an, Säcke hineinzuschaffen. Schleiermacher war äußerst betroffen, er sah die kaum eingerichtete Anstalt, welche so reichen Segen verhieß, durch diese Widerwär¬ tigkeit im Beginn auf weithinaus gehemmt, denn man konnte voraussehen, daß auch mit dem Abzuge der Truppen die Fortschaffung des Magazins noch keines¬ wegs erfolgen würde. Der Magistrat war beeifert ge¬ wesen, dem General diesen schon früher zu solchen Zwecken gebrauchten Raum anzuweisen, der Prorektor hatte dazu die Achseln gezuckt, und so schien die Sache für diesmal nicht mehr zu ändern. Während nun Alle in größter Aufregung den Fall besprachen, über die Willkür der einen und die Lässigkeit der andern Behörde sich ausließen, und was zu thun sei hin und her riethen, regte sich in mir ein rascher Thattrieb, ich hatte schnell einen Plan gemacht, schlich im Stillen fort, und eilte zur Ausführung. Es war offenbar, daß beiderlei Be¬ hörden den akademischen Gottesdienst für etwas Gleich¬ gültiges angesehen hatten, dies sollte widerlegt werden durch den Eifer der Studenten selbst, welchen aufzu¬ regen ich mich unterfing. Nichts Durchgreifendes aber konnte geschehen ohne die Landsmannschaften, mit denen
Dinge, als wir unerwartet durch die Nachricht geſtoͤrt wurden, am naͤchſten Sonntage werde Schleiermacher nicht predigen koͤnnen, indem der Graf von Wartens¬ leben ſich die akademiſche Kirche habe uͤberweiſen laſſen, um ein Magazin dort unterzubringen, und man fange bereits an, Saͤcke hineinzuſchaffen. Schleiermacher war aͤußerſt betroffen, er ſah die kaum eingerichtete Anſtalt, welche ſo reichen Segen verhieß, durch dieſe Widerwaͤr¬ tigkeit im Beginn auf weithinaus gehemmt, denn man konnte vorausſehen, daß auch mit dem Abzuge der Truppen die Fortſchaffung des Magazins noch keines¬ wegs erfolgen wuͤrde. Der Magiſtrat war beeifert ge¬ weſen, dem General dieſen ſchon fruͤher zu ſolchen Zwecken gebrauchten Raum anzuweiſen, der Prorektor hatte dazu die Achſeln gezuckt, und ſo ſchien die Sache fuͤr diesmal nicht mehr zu aͤndern. Waͤhrend nun Alle in groͤßter Aufregung den Fall beſprachen, uͤber die Willkuͤr der einen und die Laͤſſigkeit der andern Behoͤrde ſich ausließen, und was zu thun ſei hin und her riethen, regte ſich in mir ein raſcher Thattrieb, ich hatte ſchnell einen Plan gemacht, ſchlich im Stillen fort, und eilte zur Ausfuͤhrung. Es war offenbar, daß beiderlei Be¬ hoͤrden den akademiſchen Gottesdienſt fuͤr etwas Gleich¬ guͤltiges angeſehen hatten, dies ſollte widerlegt werden durch den Eifer der Studenten ſelbſt, welchen aufzu¬ regen ich mich unterfing. Nichts Durchgreifendes aber konnte geſchehen ohne die Landsmannſchaften, mit denen
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Dinge, als wir unerwartet durch die Nachricht geſtoͤrt
wurden, am naͤchſten Sonntage werde Schleiermacher
nicht predigen koͤnnen, indem der Graf von Wartens¬
leben ſich die akademiſche Kirche habe uͤberweiſen laſſen,
um ein Magazin dort unterzubringen, und man fange
bereits an, Saͤcke hineinzuſchaffen. Schleiermacher war
aͤußerſt betroffen, er ſah die kaum eingerichtete Anſtalt,
welche ſo reichen Segen verhieß, durch dieſe Widerwaͤr¬
tigkeit im Beginn auf weithinaus gehemmt, denn man
konnte vorausſehen, daß auch mit dem Abzuge der
Truppen die Fortſchaffung des Magazins noch keines¬
wegs erfolgen wuͤrde. Der Magiſtrat war beeifert ge¬
weſen, dem General dieſen ſchon fruͤher zu ſolchen
Zwecken gebrauchten Raum anzuweiſen, der Prorektor
hatte dazu die Achſeln gezuckt, und ſo ſchien die Sache
fuͤr diesmal nicht mehr zu aͤndern. Waͤhrend nun Alle
in groͤßter Aufregung den Fall beſprachen, uͤber die
Willkuͤr der einen und die Laͤſſigkeit der andern Behoͤrde
ſich ausließen, und was zu thun ſei hin und her riethen,
regte ſich in mir ein raſcher Thattrieb, ich hatte ſchnell
einen Plan gemacht, ſchlich im Stillen fort, und eilte
zur Ausfuͤhrung. Es war offenbar, daß beiderlei Be¬
hoͤrden den akademiſchen Gottesdienſt fuͤr etwas Gleich¬
guͤltiges angeſehen hatten, dies ſollte widerlegt werden
durch den Eifer der Studenten ſelbſt, welchen aufzu¬
regen ich mich unterfing. Nichts Durchgreifendes aber
konnte geſchehen ohne die Landsmannſchaften, mit denen
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/137>, abgerufen am 21.11.2024.
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