Verhältnisse vorkamen, das Ganze sollte Enchiridion heißen, und konnte bei aller Freimüthigkeit mancher Wendungen, noch immer recht gut von jedem Preußen unterschrieben werden. Wir hatten auf die Wirkung dieses Beitrags schon vorzüglich gerechnet, als unerwartet die Censur ihm das Imprimatur verweigerte. Der Prorektor Maaß war Censor, und ich eilte zu ihm in der Absicht ihm vorzustellen, daß der Aufsatz von seinem Verfasser persönlich vertreten würde, das Buch aber als ein in Hamburg verlegtes gelten müsse, der Druck eben so gut dort wie in Halle geschehen könne, und der Censor daher nur gestatten möge, was er doch nicht ganz zu hindern im Stande sei. Er war etwas ver¬ wundert, daß ein Student auf diese Weise mit ihm in Erörterung treten wollte, behauptete aber sein Recht der Verweigerung, und gab mir, als ich allzudreist ihm sagte, ich würde ihn verklagen, ruhig selbst die Behörde an, wo ich meine Beschwerde anbringen könnte, worauf ich ihn sehr unzufrieden verließ. Eine Beschwerde in Berlin durfte wenig Erfolg versprechen, und die Bogen in Hamburg drucken zu lassen, wo nur für Zeitungen eine Censur bestand, schien doch zu umständlich; um daher ohne Weitläufigkeit von der Sache zu kommen, mußten wir uns entschließen, den Beitrag aufzuopfern, wodurch das Buch grade die paar Floßfedern verlor, mit denen es in der unglücklichen politischen Ueber¬
Verhaͤltniſſe vorkamen, das Ganze ſollte Enchiridion heißen, und konnte bei aller Freimuͤthigkeit mancher Wendungen, noch immer recht gut von jedem Preußen unterſchrieben werden. Wir hatten auf die Wirkung dieſes Beitrags ſchon vorzuͤglich gerechnet, als unerwartet die Cenſur ihm das Imprimatur verweigerte. Der Prorektor Maaß war Cenſor, und ich eilte zu ihm in der Abſicht ihm vorzuſtellen, daß der Aufſatz von ſeinem Verfaſſer perſoͤnlich vertreten wuͤrde, das Buch aber als ein in Hamburg verlegtes gelten muͤſſe, der Druck eben ſo gut dort wie in Halle geſchehen koͤnne, und der Cenſor daher nur geſtatten moͤge, was er doch nicht ganz zu hindern im Stande ſei. Er war etwas ver¬ wundert, daß ein Student auf dieſe Weiſe mit ihm in Eroͤrterung treten wollte, behauptete aber ſein Recht der Verweigerung, und gab mir, als ich allzudreiſt ihm ſagte, ich wuͤrde ihn verklagen, ruhig ſelbſt die Behoͤrde an, wo ich meine Beſchwerde anbringen koͤnnte, worauf ich ihn ſehr unzufrieden verließ. Eine Beſchwerde in Berlin durfte wenig Erfolg verſprechen, und die Bogen in Hamburg drucken zu laſſen, wo nur fuͤr Zeitungen eine Cenſur beſtand, ſchien doch zu umſtaͤndlich; um daher ohne Weitlaͤufigkeit von der Sache zu kommen, mußten wir uns entſchließen, den Beitrag aufzuopfern, wodurch das Buch grade die paar Floßfedern verlor, mit denen es in der ungluͤcklichen politiſchen Ueber¬
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Verhaͤltniſſe vorkamen, das Ganze ſollte Enchiridion
heißen, und konnte bei aller Freimuͤthigkeit mancher
Wendungen, noch immer recht gut von jedem Preußen
unterſchrieben werden. Wir hatten auf die Wirkung
dieſes Beitrags ſchon vorzuͤglich gerechnet, als unerwartet
die Cenſur ihm das Imprimatur verweigerte. Der
Prorektor Maaß war Cenſor, und ich eilte zu ihm in
der Abſicht ihm vorzuſtellen, daß der Aufſatz von ſeinem
Verfaſſer perſoͤnlich vertreten wuͤrde, das Buch aber als
ein in Hamburg verlegtes gelten muͤſſe, der Druck eben
ſo gut dort wie in Halle geſchehen koͤnne, und der
Cenſor daher nur geſtatten moͤge, was er doch nicht
ganz zu hindern im Stande ſei. Er war etwas ver¬
wundert, daß ein Student auf dieſe Weiſe mit ihm in
Eroͤrterung treten wollte, behauptete aber ſein Recht
der Verweigerung, und gab mir, als ich allzudreiſt ihm
ſagte, ich wuͤrde ihn verklagen, ruhig ſelbſt die Behoͤrde
an, wo ich meine Beſchwerde anbringen koͤnnte, worauf
ich ihn ſehr unzufrieden verließ. Eine Beſchwerde in
Berlin durfte wenig Erfolg verſprechen, und die Bogen
in Hamburg drucken zu laſſen, wo nur fuͤr Zeitungen
eine Cenſur beſtand, ſchien doch zu umſtaͤndlich; um
daher ohne Weitlaͤufigkeit von der Sache zu kommen,
mußten wir uns entſchließen, den Beitrag aufzuopfern,
wodurch das Buch grade die paar Floßfedern verlor,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/141>, abgerufen am 16.02.2025.
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