dort verkehrenden Philister, doch meistens harmlos, wal¬ ten ließen. -- Einmal hatte einer von uns den Cid von Herder aus der Hand gelegt, der neugierige, durch seinen vornehmen Philosophennamen noch besonders zum Scherz aufregende Ladenwirth greift darnach, schlägt das Buch auf, und sieht den Titel an, man fragt, ob er sich auch auf Bücher verstehe? -- O ja, meine Herren, erwiederte er, das seh ich gleich, daß dies ein juristisches Buch ist. -- Ein juristisches? fragen wir verwundernd, ei wie so? -- Nun es heißt ja der Eid, antwortete er, das ist doch ein juristischer Gegenstand. Man kann denken, wie gelacht wurde. Aber nun wollte man dem Alten zeigen, mit wie großem Rechte man ihn auslache. Keine Möglichkeit! Er blieb fest bei sei¬ nem Eide, man mochte sich noch so viele Mühe geben ihm das deutliche C vorzuhalten, ihn zu belehren, daß das Wort Cid ein Name sei, ihn zu überzeugen, daß das Buch eine Geschichte in Versen und keine Abhand¬ lung enthalte, er ließ sich nichts weismachen, wie er für unsre Absicht nahm, sah zwanzigmal wieder das ihm aufgedrungene Blatt an, und las mit selbstzufriedenem Lachen, wie einer, der seiner Sache gewiß und über solche Fopperei hinaus ist, richtig jedesmal: der Eid! Wir hatten wirklich die volle Verzweiflung, in unsrer Weisheit und Geschicklichkeit -- denn nun war es zur ordentlichen Aufgabe des Ehrgeizes und Wetteifers ge¬ worden -- keine Mittel zu haben, keinen Weg zu fin¬
dort verkehrenden Philiſter, doch meiſtens harmlos, wal¬ ten ließen. — Einmal hatte einer von uns den Cid von Herder aus der Hand gelegt, der neugierige, durch ſeinen vornehmen Philoſophennamen noch beſonders zum Scherz aufregende Ladenwirth greift darnach, ſchlaͤgt das Buch auf, und ſieht den Titel an, man fragt, ob er ſich auch auf Buͤcher verſtehe? — O ja, meine Herren, erwiederte er, das ſeh ich gleich, daß dies ein juriſtiſches Buch iſt. — Ein juriſtiſches? fragen wir verwundernd, ei wie ſo? — Nun es heißt ja der Eid, antwortete er, das iſt doch ein juriſtiſcher Gegenſtand. Man kann denken, wie gelacht wurde. Aber nun wollte man dem Alten zeigen, mit wie großem Rechte man ihn auslache. Keine Moͤglichkeit! Er blieb feſt bei ſei¬ nem Eide, man mochte ſich noch ſo viele Muͤhe geben ihm das deutliche C vorzuhalten, ihn zu belehren, daß das Wort Cid ein Name ſei, ihn zu uͤberzeugen, daß das Buch eine Geſchichte in Verſen und keine Abhand¬ lung enthalte, er ließ ſich nichts weismachen, wie er fuͤr unſre Abſicht nahm, ſah zwanzigmal wieder das ihm aufgedrungene Blatt an, und las mit ſelbſtzufriedenem Lachen, wie einer, der ſeiner Sache gewiß und uͤber ſolche Fopperei hinaus iſt, richtig jedesmal: der Eid! Wir hatten wirklich die volle Verzweiflung, in unſrer Weisheit und Geſchicklichkeit — denn nun war es zur ordentlichen Aufgabe des Ehrgeizes und Wetteifers ge¬ worden — keine Mittel zu haben, keinen Weg zu fin¬
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dort verkehrenden Philiſter, doch meiſtens harmlos, wal¬
ten ließen. — Einmal hatte einer von uns den Cid
von Herder aus der Hand gelegt, der neugierige, durch
ſeinen vornehmen Philoſophennamen noch beſonders zum
Scherz aufregende Ladenwirth greift darnach, ſchlaͤgt
das Buch auf, und ſieht den Titel an, man fragt, ob
er ſich auch auf Buͤcher verſtehe? — O ja, meine
Herren, erwiederte er, das ſeh ich gleich, daß dies ein
juriſtiſches Buch iſt. — Ein juriſtiſches? fragen wir
verwundernd, ei wie ſo? — Nun es heißt ja der Eid,
antwortete er, das iſt doch ein juriſtiſcher Gegenſtand.
Man kann denken, wie gelacht wurde. Aber nun wollte
man dem Alten zeigen, mit wie großem Rechte man
ihn auslache. Keine Moͤglichkeit! Er blieb feſt bei ſei¬
nem Eide, man mochte ſich noch ſo viele Muͤhe geben
ihm das deutliche C vorzuhalten, ihn zu belehren, daß
das Wort Cid ein Name ſei, ihn zu uͤberzeugen, daß
das Buch eine Geſchichte in Verſen und keine Abhand¬
lung enthalte, er ließ ſich nichts weismachen, wie er
fuͤr unſre Abſicht nahm, ſah zwanzigmal wieder das ihm
aufgedrungene Blatt an, und las mit ſelbſtzufriedenem
Lachen, wie einer, der ſeiner Sache gewiß und uͤber
ſolche Fopperei hinaus iſt, richtig jedesmal: der Eid!
Wir hatten wirklich die volle Verzweiflung, in unſrer
Weisheit und Geſchicklichkeit — denn nun war es zur
ordentlichen Aufgabe des Ehrgeizes und Wetteifers ge¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/158>, abgerufen am 21.11.2024.
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