und so blieb alles belebt zugleich und gemäßigt; ein wiederholter Anflug von Musik, wozu das offne Forte¬ piano einlud, -- Rahel war sinnvolle Kennerin in früherer Zeit und fertige Meisterin, -- vollendete das Ganze, und man trennte sich noch bei guter Zeit, in erhöhter und klarer Stimmung, die ich für mich allein dann unter dem reinen Sternenhimmel noch eine Weile nachgenoß, indem ich vergebens in meinen bisherigen Erinnerungen einen ähnlichen Abend suchte.
Wenige Tage nur ließ meine Ungeduld einem wie¬ derholten Besuche vorangehen, und schon mit diesem wuchs das Vertrauen so schnell, daß ich nun täglich zu kommen mich berechtigt hielt. Ich war begierig, diese neuen Anschauungen zu verfolgen, diesen eigen¬ thümlichen Wahrheiten und großartigen Aufschlüssen, welche sich mit jedem Schritte glänzender vor mir aus¬ breiteten, noch näher zu treten, und diese neuen, von Einsicht durchströmten Empfindungen zu genießen, deren ich gewahr wurde. Unendlich reizend und fruchtbar war diese Erstlingszeit eines begeisterten Umganges, in welchem auch ich die besten Güter zum Tausche brachte, die ich besaß, und insofern kaum geringere, als ich empfing. Hier fand ich das Wunder anzustaunen, daß Rahel, in gleichem Maße, als Andre sich zu verstellen suchen, ihr wahres Innere zu enthüllen strebte, von ihren Begegnissen, Leiden, Wünschen und Erwartungen, mochten ihr dieselben auch zum Nachtheil auszulegen
und ſo blieb alles belebt zugleich und gemaͤßigt; ein wiederholter Anflug von Muſik, wozu das offne Forte¬ piano einlud, — Rahel war ſinnvolle Kennerin in fruͤherer Zeit und fertige Meiſterin, — vollendete das Ganze, und man trennte ſich noch bei guter Zeit, in erhoͤhter und klarer Stimmung, die ich fuͤr mich allein dann unter dem reinen Sternenhimmel noch eine Weile nachgenoß, indem ich vergebens in meinen bisherigen Erinnerungen einen aͤhnlichen Abend ſuchte.
Wenige Tage nur ließ meine Ungeduld einem wie¬ derholten Beſuche vorangehen, und ſchon mit dieſem wuchs das Vertrauen ſo ſchnell, daß ich nun taͤglich zu kommen mich berechtigt hielt. Ich war begierig, dieſe neuen Anſchauungen zu verfolgen, dieſen eigen¬ thuͤmlichen Wahrheiten und großartigen Aufſchluͤſſen, welche ſich mit jedem Schritte glaͤnzender vor mir aus¬ breiteten, noch naͤher zu treten, und dieſe neuen, von Einſicht durchſtroͤmten Empfindungen zu genießen, deren ich gewahr wurde. Unendlich reizend und fruchtbar war dieſe Erſtlingszeit eines begeiſterten Umganges, in welchem auch ich die beſten Guͤter zum Tauſche brachte, die ich beſaß, und inſofern kaum geringere, als ich empfing. Hier fand ich das Wunder anzuſtaunen, daß Rahel, in gleichem Maße, als Andre ſich zu verſtellen ſuchen, ihr wahres Innere zu enthuͤllen ſtrebte, von ihren Begegniſſen, Leiden, Wuͤnſchen und Erwartungen, mochten ihr dieſelben auch zum Nachtheil auszulegen
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und ſo blieb alles belebt zugleich und gemaͤßigt; ein
wiederholter Anflug von Muſik, wozu das offne Forte¬
piano einlud, — Rahel war ſinnvolle Kennerin in
fruͤherer Zeit und fertige Meiſterin, — vollendete das
Ganze, und man trennte ſich noch bei guter Zeit, in
erhoͤhter und klarer Stimmung, die ich fuͤr mich allein
dann unter dem reinen Sternenhimmel noch eine Weile
nachgenoß, indem ich vergebens in meinen bisherigen
Erinnerungen einen aͤhnlichen Abend ſuchte.
Wenige Tage nur ließ meine Ungeduld einem wie¬
derholten Beſuche vorangehen, und ſchon mit dieſem
wuchs das Vertrauen ſo ſchnell, daß ich nun taͤglich
zu kommen mich berechtigt hielt. Ich war begierig,
dieſe neuen Anſchauungen zu verfolgen, dieſen eigen¬
thuͤmlichen Wahrheiten und großartigen Aufſchluͤſſen,
welche ſich mit jedem Schritte glaͤnzender vor mir aus¬
breiteten, noch naͤher zu treten, und dieſe neuen, von
Einſicht durchſtroͤmten Empfindungen zu genießen, deren
ich gewahr wurde. Unendlich reizend und fruchtbar
war dieſe Erſtlingszeit eines begeiſterten Umganges, in
welchem auch ich die beſten Guͤter zum Tauſche brachte,
die ich beſaß, und inſofern kaum geringere, als ich
empfing. Hier fand ich das Wunder anzuſtaunen, daß
Rahel, in gleichem Maße, als Andre ſich zu verſtellen
ſuchen, ihr wahres Innere zu enthuͤllen ſtrebte, von
ihren Begegniſſen, Leiden, Wuͤnſchen und Erwartungen,
mochten ihr dieſelben auch zum Nachtheil auszulegen
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/176>, abgerufen am 16.02.2025.
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