zu verscheuchen, aber mitten in aller Freudigkeit, daß wir noch zusammen ein Glück empfanden, dem auch die Trennung sein Wesen lassen mußte, überschlich uns die trauervollste Wehmuth. Es schien Thorheit, Wahn¬ sinn, daß wir uns trennten, und doch blieben die ge¬ faßten Vorsätze unverändert, und durchaus einwilligend stimmte Rahel mir bei. Wir hatten den Muth, uns zu trennen, gestärkt durch die Kraft des Zusammenseins. Meine Lebensentwicklung war noch unvollständig sogar in ihren Umrissen, deren Gestalt sich abschließen, sich nach vielen Seiten über viele Lücken hin ergänzen mußte. Wie hätte ich bleiben sollen, in welcher Stellung, in welcher Richtung? Der strebenden Thätigkeit hätte kein Glück mich entsagen lassen, im ruhigen Genusse weicher Tage wäre ich nur unglücklicher gewesen. Ich mußte fort, um als ein Andrer wiederzukommen, und mußte immer wieder fort, bis nach genugsamen Kämpfen und Stürmen das innere Leben sich zu dem äußern in gehöriges Verhältniß gebracht hatte. Ich fühlte diese unwiderstehliche Nothwendigkeit, ohne derselben klar bewußt zu sein, und alle entgegengesetzten Versuche mußten mißlingen, bis die rechte Zeit gekommen war. Der gewonnene Schatz aber blieb mir fortan gewiß, der Wechsel des Lebens und die Vielgestalt der Welt vermochten über ihn nichts; auch wußten wir beide dies mit stärkster Gewißheit, und in der hierdurch gewährten Herzensfreudigkeit erschien selbst die Trennung nur als
zu verſcheuchen, aber mitten in aller Freudigkeit, daß wir noch zuſammen ein Gluͤck empfanden, dem auch die Trennung ſein Weſen laſſen mußte, uͤberſchlich uns die trauervollſte Wehmuth. Es ſchien Thorheit, Wahn¬ ſinn, daß wir uns trennten, und doch blieben die ge¬ faßten Vorſaͤtze unveraͤndert, und durchaus einwilligend ſtimmte Rahel mir bei. Wir hatten den Muth, uns zu trennen, geſtaͤrkt durch die Kraft des Zuſammenſeins. Meine Lebensentwicklung war noch unvollſtaͤndig ſogar in ihren Umriſſen, deren Geſtalt ſich abſchließen, ſich nach vielen Seiten uͤber viele Luͤcken hin ergaͤnzen mußte. Wie haͤtte ich bleiben ſollen, in welcher Stellung, in welcher Richtung? Der ſtrebenden Thaͤtigkeit haͤtte kein Gluͤck mich entſagen laſſen, im ruhigen Genuſſe weicher Tage waͤre ich nur ungluͤcklicher geweſen. Ich mußte fort, um als ein Andrer wiederzukommen, und mußte immer wieder fort, bis nach genugſamen Kaͤmpfen und Stuͤrmen das innere Leben ſich zu dem aͤußern in gehoͤriges Verhaͤltniß gebracht hatte. Ich fuͤhlte dieſe unwiderſtehliche Nothwendigkeit, ohne derſelben klar bewußt zu ſein, und alle entgegengeſetzten Verſuche mußten mißlingen, bis die rechte Zeit gekommen war. Der gewonnene Schatz aber blieb mir fortan gewiß, der Wechſel des Lebens und die Vielgeſtalt der Welt vermochten uͤber ihn nichts; auch wußten wir beide dies mit ſtaͤrkſter Gewißheit, und in der hierdurch gewaͤhrten Herzensfreudigkeit erſchien ſelbſt die Trennung nur als
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zu verſcheuchen, aber mitten in aller Freudigkeit, daß
wir noch zuſammen ein Gluͤck empfanden, dem auch
die Trennung ſein Weſen laſſen mußte, uͤberſchlich uns
die trauervollſte Wehmuth. Es ſchien Thorheit, Wahn¬
ſinn, daß wir uns trennten, und doch blieben die ge¬
faßten Vorſaͤtze unveraͤndert, und durchaus einwilligend
ſtimmte Rahel mir bei. Wir hatten den Muth, uns
zu trennen, geſtaͤrkt durch die Kraft des Zuſammenſeins.
Meine Lebensentwicklung war noch unvollſtaͤndig ſogar
in ihren Umriſſen, deren Geſtalt ſich abſchließen, ſich
nach vielen Seiten uͤber viele Luͤcken hin ergaͤnzen mußte.
Wie haͤtte ich bleiben ſollen, in welcher Stellung, in
welcher Richtung? Der ſtrebenden Thaͤtigkeit haͤtte kein
Gluͤck mich entſagen laſſen, im ruhigen Genuſſe weicher
Tage waͤre ich nur ungluͤcklicher geweſen. Ich mußte
fort, um als ein Andrer wiederzukommen, und mußte
immer wieder fort, bis nach genugſamen Kaͤmpfen und
Stuͤrmen das innere Leben ſich zu dem aͤußern in
gehoͤriges Verhaͤltniß gebracht hatte. Ich fuͤhlte dieſe
unwiderſtehliche Nothwendigkeit, ohne derſelben klar
bewußt zu ſein, und alle entgegengeſetzten Verſuche
mußten mißlingen, bis die rechte Zeit gekommen war.
Der gewonnene Schatz aber blieb mir fortan gewiß,
der Wechſel des Lebens und die Vielgeſtalt der Welt
vermochten uͤber ihn nichts; auch wußten wir beide dies
mit ſtaͤrkſter Gewißheit, und in der hierdurch gewaͤhrten
Herzensfreudigkeit erſchien ſelbſt die Trennung nur als
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/189>, abgerufen am 21.11.2024.
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