fremdem Leide wie verpflichtet, dem eignen nun um so williger entgegenzugehn. Da jedoch Marwitz mancherlei Unordnungen zu treffen hatte, und dabei seine tröstliche Gegenwart dem Unglücklichen gern einige Tage gönnen wollte, wir Andern aber nur müßige Zuschauer sein konnten, so trennten wir uns hier, um jeder nach eignem Rath und Mittel sein ferneres Geschick aufzusuchen. Marwitz war des Eintritts in das Regiment Klenau Chevauxlegers, wo sein Bruder diente, so gut wie gewiß, die Andern hatten ihr Absehen gleichfalls auf die Reiterei gestellt, ich aber dachte bei dem Fußvolk einzutreten, und wollte ein ganz frisches Verhältniß nur durch mich selber finden, daher ich auch alle Empfeh¬ lungsbriefe und sonstige Anknüpfungen verschmäht hatte. Wir schieden froh und leicht, und ich zuerst fuhr mit Kourierpferden dem großen Hauptquartiere zu.
Einem Feldwebel, der auf der Landstraße gleichen Weges dahinschritt, war mein Fuhrwerk eine gute Ge¬ legenheit, um schneller fortzukommen, und mir sein Gespräch ganz erwünscht, um von manchen Dingen, die mir jetzt wichtig werden mußten, nähere Kundschaft einzuziehen. Aller Eindruck, den ich bisher von preußi¬ schem oder französischem Soldatenwesen gehabt, mußte hier gänzlich schwinden, und ein durchaus verschiedener nahm die Stelle ein. Hier waren alle Bestandtheile und Verhältnisse anders gestellt, wie schon dem flüch¬ tigsten Blick auffallen mußte, und eine zwar in Worten
fremdem Leide wie verpflichtet, dem eignen nun um ſo williger entgegenzugehn. Da jedoch Marwitz mancherlei Unordnungen zu treffen hatte, und dabei ſeine troͤſtliche Gegenwart dem Ungluͤcklichen gern einige Tage goͤnnen wollte, wir Andern aber nur muͤßige Zuſchauer ſein konnten, ſo trennten wir uns hier, um jeder nach eignem Rath und Mittel ſein ferneres Geſchick aufzuſuchen. Marwitz war des Eintritts in das Regiment Klenau Chevauxlegers, wo ſein Bruder diente, ſo gut wie gewiß, die Andern hatten ihr Abſehen gleichfalls auf die Reiterei geſtellt, ich aber dachte bei dem Fußvolk einzutreten, und wollte ein ganz friſches Verhaͤltniß nur durch mich ſelber finden, daher ich auch alle Empfeh¬ lungsbriefe und ſonſtige Anknuͤpfungen verſchmaͤht hatte. Wir ſchieden froh und leicht, und ich zuerſt fuhr mit Kourierpferden dem großen Hauptquartiere zu.
Einem Feldwebel, der auf der Landſtraße gleichen Weges dahinſchritt, war mein Fuhrwerk eine gute Ge¬ legenheit, um ſchneller fortzukommen, und mir ſein Geſpraͤch ganz erwuͤnſcht, um von manchen Dingen, die mir jetzt wichtig werden mußten, naͤhere Kundſchaft einzuziehen. Aller Eindruck, den ich bisher von preußi¬ ſchem oder franzoͤſiſchem Soldatenweſen gehabt, mußte hier gaͤnzlich ſchwinden, und ein durchaus verſchiedener nahm die Stelle ein. Hier waren alle Beſtandtheile und Verhaͤltniſſe anders geſtellt, wie ſchon dem fluͤch¬ tigſten Blick auffallen mußte, und eine zwar in Worten
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fremdem Leide wie verpflichtet, dem eignen nun um ſo
williger entgegenzugehn. Da jedoch Marwitz mancherlei
Unordnungen zu treffen hatte, und dabei ſeine troͤſtliche
Gegenwart dem Ungluͤcklichen gern einige Tage goͤnnen
wollte, wir Andern aber nur muͤßige Zuſchauer ſein
konnten, ſo trennten wir uns hier, um jeder nach eignem
Rath und Mittel ſein ferneres Geſchick aufzuſuchen.
Marwitz war des Eintritts in das Regiment Klenau
Chevauxlegers, wo ſein Bruder diente, ſo gut wie
gewiß, die Andern hatten ihr Abſehen gleichfalls auf
die Reiterei geſtellt, ich aber dachte bei dem Fußvolk
einzutreten, und wollte ein ganz friſches Verhaͤltniß
nur durch mich ſelber finden, daher ich auch alle Empfeh¬
lungsbriefe und ſonſtige Anknuͤpfungen verſchmaͤht hatte.
Wir ſchieden froh und leicht, und ich zuerſt fuhr mit
Kourierpferden dem großen Hauptquartiere zu.
Einem Feldwebel, der auf der Landſtraße gleichen
Weges dahinſchritt, war mein Fuhrwerk eine gute Ge¬
legenheit, um ſchneller fortzukommen, und mir ſein
Geſpraͤch ganz erwuͤnſcht, um von manchen Dingen,
die mir jetzt wichtig werden mußten, naͤhere Kundſchaft
einzuziehen. Aller Eindruck, den ich bisher von preußi¬
ſchem oder franzoͤſiſchem Soldatenweſen gehabt, mußte
hier gaͤnzlich ſchwinden, und ein durchaus verſchiedener
nahm die Stelle ein. Hier waren alle Beſtandtheile
und Verhaͤltniſſe anders geſtellt, wie ſchon dem fluͤch¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/198>, abgerufen am 16.02.2025.
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