men ließ, die fast vor jeder Thüre ausgestellt waren; ein Wirthshaus gab es unter solchen Umständen über¬ haupt nicht mehr. Da der ganze Ort noch in großer Stille lag, auch einstweilen sich niemand um mich be¬ kümmerte, so suchte ich auf gut Glück in dem nächsten Hause, wo schon einige Bewegung zu blicken war, ein vorläufiges Unterkommen. Ich fand Stabsfouriere dort, die mich gastlich aufnahmen, und mir sogar Theil an ihrem Frühstück anboten. Hier konnte ich mich den neuen Eindrücken und Betrachtungen, die sich aufdräng¬ ten, bequem überlassen, und mir den ferneren Verlauf meines Abenteuers in Gedanken festzustellen suchen. Einige Offiziere kamen, und nachdem sich leicht ein Gespräch angeknüpft, sahen sie mich fast schon wie einen der Ihrigen an, und gaben mir guten Rath, den ich aber nicht recht verstehen konnte, auch widersprachen sich ihre Meinungen theilweise. Ich setzte mein Anliegen, jedoch in Kürze, schriftlich auf, und ließ dies Blatt durch dienstwillige Hand höheren Ortes abgeben.
Als die Sonne höher gestiegen und das ganze Hauptquartier lebhaft geworden war, begab ich mich wieder in's Freie. Ich sah mir Deutsch-Wagram und das anstoßende Lager an, und wunderte mich nur, daß ein Fremder, unter Hunderttausenden hier vielleicht der einzige dunkelblau Gekleidete, überall so ungehindert umhergehen konnte; niemand fragte mich, wer ich sei oder was ich wolle, meinen Paß hatte seit Olmütz noch
men ließ, die faſt vor jeder Thuͤre ausgeſtellt waren; ein Wirthshaus gab es unter ſolchen Umſtaͤnden uͤber¬ haupt nicht mehr. Da der ganze Ort noch in großer Stille lag, auch einſtweilen ſich niemand um mich be¬ kuͤmmerte, ſo ſuchte ich auf gut Gluͤck in dem naͤchſten Hauſe, wo ſchon einige Bewegung zu blicken war, ein vorlaͤufiges Unterkommen. Ich fand Stabsfouriere dort, die mich gaſtlich aufnahmen, und mir ſogar Theil an ihrem Fruͤhſtuͤck anboten. Hier konnte ich mich den neuen Eindruͤcken und Betrachtungen, die ſich aufdraͤng¬ ten, bequem uͤberlaſſen, und mir den ferneren Verlauf meines Abenteuers in Gedanken feſtzuſtellen ſuchen. Einige Offiziere kamen, und nachdem ſich leicht ein Geſpraͤch angeknuͤpft, ſahen ſie mich faſt ſchon wie einen der Ihrigen an, und gaben mir guten Rath, den ich aber nicht recht verſtehen konnte, auch widerſprachen ſich ihre Meinungen theilweiſe. Ich ſetzte mein Anliegen, jedoch in Kuͤrze, ſchriftlich auf, und ließ dies Blatt durch dienſtwillige Hand hoͤheren Ortes abgeben.
Als die Sonne hoͤher geſtiegen und das ganze Hauptquartier lebhaft geworden war, begab ich mich wieder in’s Freie. Ich ſah mir Deutſch-Wagram und das anſtoßende Lager an, und wunderte mich nur, daß ein Fremder, unter Hunderttauſenden hier vielleicht der einzige dunkelblau Gekleidete, uͤberall ſo ungehindert umhergehen konnte; niemand fragte mich, wer ich ſei oder was ich wolle, meinen Paß hatte ſeit Olmuͤtz noch
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men ließ, die faſt vor jeder Thuͤre ausgeſtellt waren;
ein Wirthshaus gab es unter ſolchen Umſtaͤnden uͤber¬
haupt nicht mehr. Da der ganze Ort noch in großer
Stille lag, auch einſtweilen ſich niemand um mich be¬
kuͤmmerte, ſo ſuchte ich auf gut Gluͤck in dem naͤchſten
Hauſe, wo ſchon einige Bewegung zu blicken war, ein
vorlaͤufiges Unterkommen. Ich fand Stabsfouriere dort,
die mich gaſtlich aufnahmen, und mir ſogar Theil an
ihrem Fruͤhſtuͤck anboten. Hier konnte ich mich den
neuen Eindruͤcken und Betrachtungen, die ſich aufdraͤng¬
ten, bequem uͤberlaſſen, und mir den ferneren Verlauf
meines Abenteuers in Gedanken feſtzuſtellen ſuchen.
Einige Offiziere kamen, und nachdem ſich leicht ein
Geſpraͤch angeknuͤpft, ſahen ſie mich faſt ſchon wie einen
der Ihrigen an, und gaben mir guten Rath, den ich
aber nicht recht verſtehen konnte, auch widerſprachen ſich
ihre Meinungen theilweiſe. Ich ſetzte mein Anliegen,
jedoch in Kuͤrze, ſchriftlich auf, und ließ dies Blatt
durch dienſtwillige Hand hoͤheren Ortes abgeben.
Als die Sonne hoͤher geſtiegen und das ganze
Hauptquartier lebhaft geworden war, begab ich mich
wieder in’s Freie. Ich ſah mir Deutſch-Wagram und
das anſtoßende Lager an, und wunderte mich nur, daß
ein Fremder, unter Hunderttauſenden hier vielleicht der
einzige dunkelblau Gekleidete, uͤberall ſo ungehindert
umhergehen konnte; niemand fragte mich, wer ich ſei
oder was ich wolle, meinen Paß hatte ſeit Olmuͤtz noch
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/200>, abgerufen am 16.02.2025.
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