Frieden, und wünschte ihn. Daß unterhandelt wurde, stand außer Zweifel; französische Beauftragte waren wiederholt in Wagram gesehen worden, selbst seinen Vertrauten Duroc wollte man von dem Kaiser Napo¬ leon mit Vorschlägen an den Erzherzog Generalissimus abgeschickt wissen. Ich konnte die Niedergeschlagenheit, die ich hievon empfand, nicht verhehlen; in meinem Unmuthe muß ich mich ganz verzweiflungsvoll, und den Wunsch, wieder fortzugehn, sehr heftig ausgedrückt haben, denn der Hauptmann von Marais eröffnete mir mit großer Theilnahme, wenn dies mein Ernst sei, so könne mir vielleicht noch geholfen werden, er zweifle, daß ich höheren Ortes schon gemeldet sei, und so könne der Oberst wahrscheinlich noch ohne fremdes Zuthun mich entlassen. Mir fuhr der Gedanke durch den Kopf, zu dem Herzoge von Braunschweig-Oels zu gehen, von dessen Unternehmungen die Rede war, oder zu dem Major von Nostitz, des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen gewesenem Adjutanten, der an der Gränze von Franken eine Freischaar sammelte; von diesen Beiden sagte man laut, sie würden keinen Frieden machen, sondern lieber wie Schill auf eigne Hand zu Grunde gehen. Es war aber zu spät; bereits in die Listen eingetragen, hätte ich ein förmliches Abschiedsgesuch einreichen müssen, was während der Kriegszeit unthun¬ lich war. Der Oberst, dem ich meine Unruhe nur im Allgemeinen, nicht aber in ihren besondern Gründen
Frieden, und wuͤnſchte ihn. Daß unterhandelt wurde, ſtand außer Zweifel; franzoͤſiſche Beauftragte waren wiederholt in Wagram geſehen worden, ſelbſt ſeinen Vertrauten Duroc wollte man von dem Kaiſer Napo¬ leon mit Vorſchlaͤgen an den Erzherzog Generaliſſimus abgeſchickt wiſſen. Ich konnte die Niedergeſchlagenheit, die ich hievon empfand, nicht verhehlen; in meinem Unmuthe muß ich mich ganz verzweiflungsvoll, und den Wunſch, wieder fortzugehn, ſehr heftig ausgedruͤckt haben, denn der Hauptmann von Marais eroͤffnete mir mit großer Theilnahme, wenn dies mein Ernſt ſei, ſo koͤnne mir vielleicht noch geholfen werden, er zweifle, daß ich hoͤheren Ortes ſchon gemeldet ſei, und ſo koͤnne der Oberſt wahrſcheinlich noch ohne fremdes Zuthun mich entlaſſen. Mir fuhr der Gedanke durch den Kopf, zu dem Herzoge von Braunſchweig-Oels zu gehen, von deſſen Unternehmungen die Rede war, oder zu dem Major von Noſtitz, des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen geweſenem Adjutanten, der an der Graͤnze von Franken eine Freiſchaar ſammelte; von dieſen Beiden ſagte man laut, ſie wuͤrden keinen Frieden machen, ſondern lieber wie Schill auf eigne Hand zu Grunde gehen. Es war aber zu ſpaͤt; bereits in die Liſten eingetragen, haͤtte ich ein foͤrmliches Abſchiedsgeſuch einreichen muͤſſen, was waͤhrend der Kriegszeit unthun¬ lich war. Der Oberſt, dem ich meine Unruhe nur im Allgemeinen, nicht aber in ihren beſondern Gruͤnden
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[199/0213]
Frieden, und wuͤnſchte ihn. Daß unterhandelt wurde,
ſtand außer Zweifel; franzoͤſiſche Beauftragte waren
wiederholt in Wagram geſehen worden, ſelbſt ſeinen
Vertrauten Duroc wollte man von dem Kaiſer Napo¬
leon mit Vorſchlaͤgen an den Erzherzog Generaliſſimus
abgeſchickt wiſſen. Ich konnte die Niedergeſchlagenheit,
die ich hievon empfand, nicht verhehlen; in meinem
Unmuthe muß ich mich ganz verzweiflungsvoll, und den
Wunſch, wieder fortzugehn, ſehr heftig ausgedruͤckt
haben, denn der Hauptmann von Marais eroͤffnete mir
mit großer Theilnahme, wenn dies mein Ernſt ſei, ſo
koͤnne mir vielleicht noch geholfen werden, er zweifle,
daß ich hoͤheren Ortes ſchon gemeldet ſei, und ſo koͤnne
der Oberſt wahrſcheinlich noch ohne fremdes Zuthun
mich entlaſſen. Mir fuhr der Gedanke durch den Kopf,
zu dem Herzoge von Braunſchweig-Oels zu gehen,
von deſſen Unternehmungen die Rede war, oder zu
dem Major von Noſtitz, des Prinzen Louis Ferdinand
von Preußen geweſenem Adjutanten, der an der Graͤnze
von Franken eine Freiſchaar ſammelte; von dieſen Beiden
ſagte man laut, ſie wuͤrden keinen Frieden machen,
ſondern lieber wie Schill auf eigne Hand zu Grunde
gehen. Es war aber zu ſpaͤt; bereits in die Liſten
eingetragen, haͤtte ich ein foͤrmliches Abſchiedsgeſuch
einreichen muͤſſen, was waͤhrend der Kriegszeit unthun¬
lich war. Der Oberſt, dem ich meine Unruhe nur im
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/213>, abgerufen am 26.11.2024.
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