meinem Hauptmann und noch einem Offizier, als hätte ich nie ein anderes Verhältniß gehabt!
Die nächsten Tage hingegen waren schwer und öde. Die große Sommerhitze hatte Laub und Gras verdorrt, die Weiden des Rußbaches waren längst entblättert und zum Theil entrindet, auf der endlosen Ebene zeigte sich nirgends ein Schatten, nur dunkle Staubwolken, von Stoßwinden plötzlich herangeführt, verhüllten augenblick¬ lich den Sonnenhimmel, und überschütteten alles mit heißem Sandregen. Man mußte das Exerciren ein¬ stellen, und verkroch sich in die Erdhütten. Der beste Wille der Kriegskameraden brachte doch nur eine trau¬ rige Unterhaltung zuwege. Gesichtspunkte und Antriebe, die wir Norddeutschen für diesen Krieg hatten, waren hier größtentheils fremd; man sah in dem Kriegshand¬ werk ein erwähltes Fach, dessen Vortheile man geltend machte, man rechnete die zu hoffenden Beförderungen aus, man rühmte das Garnisonleben in Prag. Der Oberst allein kannte Gentz und wußte von Friedrich Schlegel, den Andern waren dies unbekannte, bedeu¬ tungslose Namen. Das Regiment war überdies ein böhmisches, und die meisten Soldaten sprachen nur diese Sprache. Begeisterung und Poesie mußten hier völlig erlöschen; auch selbst die der Gefahr fehlten für jetzt; weit und breit fiel kein Schuß, alles war in tiefster Ruhe. Man zweifelte, daß noch eine bedeutende Waf¬ fenentscheidung vorfallen würde; man sprach vom nahen
meinem Hauptmann und noch einem Offizier, als haͤtte ich nie ein anderes Verhaͤltniß gehabt!
Die naͤchſten Tage hingegen waren ſchwer und oͤde. Die große Sommerhitze hatte Laub und Gras verdorrt, die Weiden des Rußbaches waren laͤngſt entblaͤttert und zum Theil entrindet, auf der endloſen Ebene zeigte ſich nirgends ein Schatten, nur dunkle Staubwolken, von Stoßwinden ploͤtzlich herangefuͤhrt, verhuͤllten augenblick¬ lich den Sonnenhimmel, und uͤberſchuͤtteten alles mit heißem Sandregen. Man mußte das Exerciren ein¬ ſtellen, und verkroch ſich in die Erdhuͤtten. Der beſte Wille der Kriegskameraden brachte doch nur eine trau¬ rige Unterhaltung zuwege. Geſichtspunkte und Antriebe, die wir Norddeutſchen fuͤr dieſen Krieg hatten, waren hier groͤßtentheils fremd; man ſah in dem Kriegshand¬ werk ein erwaͤhltes Fach, deſſen Vortheile man geltend machte, man rechnete die zu hoffenden Befoͤrderungen aus, man ruͤhmte das Garniſonleben in Prag. Der Oberſt allein kannte Gentz und wußte von Friedrich Schlegel, den Andern waren dies unbekannte, bedeu¬ tungsloſe Namen. Das Regiment war uͤberdies ein boͤhmiſches, und die meiſten Soldaten ſprachen nur dieſe Sprache. Begeiſterung und Poeſie mußten hier voͤllig erloͤſchen; auch ſelbſt die der Gefahr fehlten fuͤr jetzt; weit und breit fiel kein Schuß, alles war in tiefſter Ruhe. Man zweifelte, daß noch eine bedeutende Waf¬ fenentſcheidung vorfallen wuͤrde; man ſprach vom nahen
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[198/0212]
meinem Hauptmann und noch einem Offizier, als haͤtte
ich nie ein anderes Verhaͤltniß gehabt!
Die naͤchſten Tage hingegen waren ſchwer und oͤde.
Die große Sommerhitze hatte Laub und Gras verdorrt,
die Weiden des Rußbaches waren laͤngſt entblaͤttert und
zum Theil entrindet, auf der endloſen Ebene zeigte ſich
nirgends ein Schatten, nur dunkle Staubwolken, von
Stoßwinden ploͤtzlich herangefuͤhrt, verhuͤllten augenblick¬
lich den Sonnenhimmel, und uͤberſchuͤtteten alles mit
heißem Sandregen. Man mußte das Exerciren ein¬
ſtellen, und verkroch ſich in die Erdhuͤtten. Der beſte
Wille der Kriegskameraden brachte doch nur eine trau¬
rige Unterhaltung zuwege. Geſichtspunkte und Antriebe,
die wir Norddeutſchen fuͤr dieſen Krieg hatten, waren
hier groͤßtentheils fremd; man ſah in dem Kriegshand¬
werk ein erwaͤhltes Fach, deſſen Vortheile man geltend
machte, man rechnete die zu hoffenden Befoͤrderungen
aus, man ruͤhmte das Garniſonleben in Prag. Der
Oberſt allein kannte Gentz und wußte von Friedrich
Schlegel, den Andern waren dies unbekannte, bedeu¬
tungsloſe Namen. Das Regiment war uͤberdies ein
boͤhmiſches, und die meiſten Soldaten ſprachen nur dieſe
Sprache. Begeiſterung und Poeſie mußten hier voͤllig
erloͤſchen; auch ſelbſt die der Gefahr fehlten fuͤr jetzt;
weit und breit fiel kein Schuß, alles war in tiefſter
Ruhe. Man zweifelte, daß noch eine bedeutende Waf¬
fenentſcheidung vorfallen wuͤrde; man ſprach vom nahen
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/212>, abgerufen am 26.11.2024.
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