Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

den, und wie Bonaparte selber noch unsicher mißtraut
habe, meinte Berthier, darin habe der Feldherr ganz
Recht gehabt, wenn auch der Sieg ihm bereits errun¬
gen gedäucht, und fügte nachdrücklich hinzu: "C'est
toujours apres les succes que je crains le plus dans
la guerre
, et rien de si dangereux que le commen¬
cement d'une victoire
." Die Ankunft mehrerer Da¬
men störte die Unterredung, Berthier ging jene zu
begrüßen, und that es mit vieler Anmuth.

Man rühmte Berthier, daß er, ungeachtet seiner
fürstlichen Hofhaltung und großen Reichthums, in sei¬
nem Benehmen schlicht und in seinen Ansprüchen mäßig
geblieben sei, noch immer den alten Ton mit seinen
Kriegsgenossen habe, und für den Kaiser wohl die treuste
Anhänglichkeit, doch keineswegs den höfischen Diensteifer
zeige, den so viele Andre, und namentlich Davoust,
auf die alleruntergebenste Weise an den Tag legten.
Von Bernadotte hingegen erzählte man, daß er mit der
ihm eignen Fröhlichkeit laut über das Hofwesen spotte,
den Kaiser in seiner angenommenen Scheinwürde lächer¬
lich finde, sich selber noch immer zu republikanischen
Grundsätzen bekenne, und seiner Fürstenwürde ungeach¬
tet mit den alten Waffengefährten ganz auf brüderliche
Art umgehe.

Berthier hatte uns freundlich gefragt, wie wir uns
in Paris vergnügten, ob wir die Kunstsammlungen
schon alle besucht hätten, und davon nahm ein ältlicher

den, und wie Bonaparte ſelber noch unſicher mißtraut
habe, meinte Berthier, darin habe der Feldherr ganz
Recht gehabt, wenn auch der Sieg ihm bereits errun¬
gen gedaͤucht, und fuͤgte nachdruͤcklich hinzu: „C'est
toujours après les succès que je crains le plus dans
la guerre
, et rien de si dangereux que le commen¬
cement d'une victoire
.“ Die Ankunft mehrerer Da¬
men ſtoͤrte die Unterredung, Berthier ging jene zu
begruͤßen, und that es mit vieler Anmuth.

Man ruͤhmte Berthier, daß er, ungeachtet ſeiner
fuͤrſtlichen Hofhaltung und großen Reichthums, in ſei¬
nem Benehmen ſchlicht und in ſeinen Anſpruͤchen maͤßig
geblieben ſei, noch immer den alten Ton mit ſeinen
Kriegsgenoſſen habe, und fuͤr den Kaiſer wohl die treuſte
Anhaͤnglichkeit, doch keineswegs den hoͤfiſchen Dienſteifer
zeige, den ſo viele Andre, und namentlich Davouſt,
auf die alleruntergebenſte Weiſe an den Tag legten.
Von Bernadotte hingegen erzaͤhlte man, daß er mit der
ihm eignen Froͤhlichkeit laut uͤber das Hofweſen ſpotte,
den Kaiſer in ſeiner angenommenen Scheinwuͤrde laͤcher¬
lich finde, ſich ſelber noch immer zu republikaniſchen
Grundſaͤtzen bekenne, und ſeiner Fuͤrſtenwuͤrde ungeach¬
tet mit den alten Waffengefaͤhrten ganz auf bruͤderliche
Art umgehe.

Berthier hatte uns freundlich gefragt, wie wir uns
in Paris vergnuͤgten, ob wir die Kunſtſammlungen
ſchon alle beſucht haͤtten, und davon nahm ein aͤltlicher

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0308" n="294"/>
den, und wie Bonaparte &#x017F;elber noch un&#x017F;icher mißtraut<lb/>
habe, meinte Berthier, darin habe der Feldherr ganz<lb/>
Recht gehabt, wenn auch der Sieg ihm bereits errun¬<lb/>
gen geda&#x0364;ucht, und fu&#x0364;gte nachdru&#x0364;cklich hinzu: &#x201E;<hi rendition="#aq">C'est<lb/>
toujours après les succès que je crains le plus dans<lb/>
la guerre</hi>, <hi rendition="#aq">et rien de si dangereux que le commen¬<lb/>
cement d'une victoire</hi>.&#x201C; Die Ankunft mehrerer Da¬<lb/>
men &#x017F;to&#x0364;rte die Unterredung, Berthier ging jene zu<lb/>
begru&#x0364;ßen, und that es mit vieler Anmuth.</p><lb/>
          <p>Man ru&#x0364;hmte Berthier, daß er, ungeachtet &#x017F;einer<lb/>
fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Hofhaltung und großen Reichthums, in &#x017F;ei¬<lb/>
nem Benehmen &#x017F;chlicht und in &#x017F;einen An&#x017F;pru&#x0364;chen ma&#x0364;ßig<lb/>
geblieben &#x017F;ei, noch immer den alten Ton mit &#x017F;einen<lb/>
Kriegsgeno&#x017F;&#x017F;en habe, und fu&#x0364;r den Kai&#x017F;er wohl die treu&#x017F;te<lb/>
Anha&#x0364;nglichkeit, doch keineswegs den ho&#x0364;fi&#x017F;chen Dien&#x017F;teifer<lb/>
zeige, den &#x017F;o viele Andre, und namentlich Davou&#x017F;t,<lb/>
auf die alleruntergeben&#x017F;te Wei&#x017F;e an den Tag legten.<lb/>
Von Bernadotte hingegen erza&#x0364;hlte man, daß er mit der<lb/>
ihm eignen Fro&#x0364;hlichkeit laut u&#x0364;ber das Hofwe&#x017F;en &#x017F;potte,<lb/>
den Kai&#x017F;er in &#x017F;einer angenommenen Scheinwu&#x0364;rde la&#x0364;cher¬<lb/>
lich finde, &#x017F;ich &#x017F;elber noch immer zu republikani&#x017F;chen<lb/>
Grund&#x017F;a&#x0364;tzen bekenne, und &#x017F;einer Fu&#x0364;r&#x017F;tenwu&#x0364;rde ungeach¬<lb/>
tet mit den alten Waffengefa&#x0364;hrten ganz auf bru&#x0364;derliche<lb/>
Art umgehe.</p><lb/>
          <p>Berthier hatte uns freundlich gefragt, wie wir uns<lb/>
in Paris vergnu&#x0364;gten, ob wir die Kun&#x017F;t&#x017F;ammlungen<lb/>
&#x017F;chon alle be&#x017F;ucht ha&#x0364;tten, und davon nahm ein a&#x0364;ltlicher<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0308] den, und wie Bonaparte ſelber noch unſicher mißtraut habe, meinte Berthier, darin habe der Feldherr ganz Recht gehabt, wenn auch der Sieg ihm bereits errun¬ gen gedaͤucht, und fuͤgte nachdruͤcklich hinzu: „C'est toujours après les succès que je crains le plus dans la guerre, et rien de si dangereux que le commen¬ cement d'une victoire.“ Die Ankunft mehrerer Da¬ men ſtoͤrte die Unterredung, Berthier ging jene zu begruͤßen, und that es mit vieler Anmuth. Man ruͤhmte Berthier, daß er, ungeachtet ſeiner fuͤrſtlichen Hofhaltung und großen Reichthums, in ſei¬ nem Benehmen ſchlicht und in ſeinen Anſpruͤchen maͤßig geblieben ſei, noch immer den alten Ton mit ſeinen Kriegsgenoſſen habe, und fuͤr den Kaiſer wohl die treuſte Anhaͤnglichkeit, doch keineswegs den hoͤfiſchen Dienſteifer zeige, den ſo viele Andre, und namentlich Davouſt, auf die alleruntergebenſte Weiſe an den Tag legten. Von Bernadotte hingegen erzaͤhlte man, daß er mit der ihm eignen Froͤhlichkeit laut uͤber das Hofweſen ſpotte, den Kaiſer in ſeiner angenommenen Scheinwuͤrde laͤcher¬ lich finde, ſich ſelber noch immer zu republikaniſchen Grundſaͤtzen bekenne, und ſeiner Fuͤrſtenwuͤrde ungeach¬ tet mit den alten Waffengefaͤhrten ganz auf bruͤderliche Art umgehe. Berthier hatte uns freundlich gefragt, wie wir uns in Paris vergnuͤgten, ob wir die Kunſtſammlungen ſchon alle beſucht haͤtten, und davon nahm ein aͤltlicher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/308
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/308>, abgerufen am 23.11.2024.