französischer General, dessen Namen ich nicht erfahren konnte, die Gelegenheit über das Musee Napoleon zu sprechen, wobei er seine Verwunderung bezeigte, nur so wenige der eroberten Kunstwerke in Paris zu sehen, denn er habe in den fremden Ländern, sagte er, wohl dreimal so viel einpacken sehen, zwischen dem Abschicken und Ankommen aber scheine ein großer Theil einzu¬ schwinden. Wie nachlässig man überhaupt mit dem Weggeschleppten umging, davon kann folgendes Beispiel genügen. Napoleon hatte das preußische Siegesdenkmal auf dem Schlachtfelde von Roßbach wegnehmen und nach Frankreich abführen lassen; dasselbe war ohne Kunst¬ werth, eine schlichte Säule von Sandstein, aber durch seine Bedeutung dem französischen Kriegsruhm ein un¬ schätzbarer Besitz. Gleichwohl verlor sich diese Säule, und als man nach geschlossenem Frieden Muße fand an ihre Aufstellung zu denken, war sie nirgends zu finden. Der Kaiser tobte, man erkundigte sich unter der Hand, unter andern auch bei Chamisso, wie sie denn wohl ausgesehen habe, und war nahe daran, eine falsche unterzuschieben. Endlich fand sich doch die rechte unver¬ hofft in Brest wieder, und man wußte nicht, wie sie dorthin gerathen sei. Sie steht jetzt, durch die Tapfer¬ keit der Preußen wieder erobert, als zweifaches Sieges¬ denkmal auf ihrem ursprünglichen Ort.
Bei Berthier sah ich auch Denon wieder, der aber mit all seiner Freundlichkeit nur einen widrigen Eindruck
franzoͤſiſcher General, deſſen Namen ich nicht erfahren konnte, die Gelegenheit uͤber das Muſée Napoléon zu ſprechen, wobei er ſeine Verwunderung bezeigte, nur ſo wenige der eroberten Kunſtwerke in Paris zu ſehen, denn er habe in den fremden Laͤndern, ſagte er, wohl dreimal ſo viel einpacken ſehen, zwiſchen dem Abſchicken und Ankommen aber ſcheine ein großer Theil einzu¬ ſchwinden. Wie nachlaͤſſig man uͤberhaupt mit dem Weggeſchleppten umging, davon kann folgendes Beiſpiel genuͤgen. Napoleon hatte das preußiſche Siegesdenkmal auf dem Schlachtfelde von Roßbach wegnehmen und nach Frankreich abfuͤhren laſſen; daſſelbe war ohne Kunſt¬ werth, eine ſchlichte Saͤule von Sandſtein, aber durch ſeine Bedeutung dem franzoͤſiſchen Kriegsruhm ein un¬ ſchaͤtzbarer Beſitz. Gleichwohl verlor ſich dieſe Saͤule, und als man nach geſchloſſenem Frieden Muße fand an ihre Aufſtellung zu denken, war ſie nirgends zu finden. Der Kaiſer tobte, man erkundigte ſich unter der Hand, unter andern auch bei Chamiſſo, wie ſie denn wohl ausgeſehen habe, und war nahe daran, eine falſche unterzuſchieben. Endlich fand ſich doch die rechte unver¬ hofft in Breſt wieder, und man wußte nicht, wie ſie dorthin gerathen ſei. Sie ſteht jetzt, durch die Tapfer¬ keit der Preußen wieder erobert, als zweifaches Sieges¬ denkmal auf ihrem urſpruͤnglichen Ort.
Bei Berthier ſah ich auch Denon wieder, der aber mit all ſeiner Freundlichkeit nur einen widrigen Eindruck
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franzoͤſiſcher General, deſſen Namen ich nicht erfahren
konnte, die Gelegenheit uͤber das Muſée Napoléon zu
ſprechen, wobei er ſeine Verwunderung bezeigte, nur
ſo wenige der eroberten Kunſtwerke in Paris zu ſehen,
denn er habe in den fremden Laͤndern, ſagte er, wohl
dreimal ſo viel einpacken ſehen, zwiſchen dem Abſchicken
und Ankommen aber ſcheine ein großer Theil einzu¬
ſchwinden. Wie nachlaͤſſig man uͤberhaupt mit dem
Weggeſchleppten umging, davon kann folgendes Beiſpiel
genuͤgen. Napoleon hatte das preußiſche Siegesdenkmal
auf dem Schlachtfelde von Roßbach wegnehmen und
nach Frankreich abfuͤhren laſſen; daſſelbe war ohne Kunſt¬
werth, eine ſchlichte Saͤule von Sandſtein, aber durch
ſeine Bedeutung dem franzoͤſiſchen Kriegsruhm ein un¬
ſchaͤtzbarer Beſitz. Gleichwohl verlor ſich dieſe Saͤule,
und als man nach geſchloſſenem Frieden Muße fand an
ihre Aufſtellung zu denken, war ſie nirgends zu finden.
Der Kaiſer tobte, man erkundigte ſich unter der Hand,
unter andern auch bei Chamiſſo, wie ſie denn wohl
ausgeſehen habe, und war nahe daran, eine falſche
unterzuſchieben. Endlich fand ſich doch die rechte unver¬
hofft in Breſt wieder, und man wußte nicht, wie ſie
dorthin gerathen ſei. Sie ſteht jetzt, durch die Tapfer¬
keit der Preußen wieder erobert, als zweifaches Sieges¬
denkmal auf ihrem urſpruͤnglichen Ort.
Bei Berthier ſah ich auch Denon wieder, der aber
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/309>, abgerufen am 23.11.2024.
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