dessen Weiterschweifen eine wirkliche Gefahr mir zu schwinden schien.
Nach der Entfernung des Kaisers athmete alles auf, wie befreit und erlöst von einer schweren Last. All¬ mählig wurde die Gesellschaft auch wieder laut, und ging dann völlig in die lärmende Unordnung, in die drängende Eile über, welche zu Anfang geherrscht hatte. Besonders waren die französischen Höflinge bemüht, ihre noch eben gehabte furchtsame und erschrockne Haltung durch nunmehrige Lustigkeit wegzuläugnen, und noch auf den Treppenstufen, die wir hinabstiegen, erschallten Ausbrüche des Lachens und Witzelns über den Hergang der Audienz, deren Würde und Schrecken schon hier aufhörten.
Napoleons Persönlichkeit wirkte zauberhaft und mäch¬ tig, wo er wirklich er selbst war, an der Spitze der Truppen, im Felde, wenn er kriegerische Anordnungen traf, seine Machtgebote ergehen ließ. Wollte er aber ihm Uneignes vorstellen, beabsichtigte er Eindrücke, suchte er in Gebieten zu gelten, die nicht die seinigen waren, so gab er nur allzu leicht die schlimmsten Blößen, und bethörte nur etwa Neulinge und Schwachsinnige. Die Erinnerung an ihn und sein im Geiste der Nachlebenden neuerschaffenes Bild haben mehr Begeisterung für ihn erweckt, als seine Gegenwart es vermocht. Es klingt unglaublich, ist aber bestimmt wahr, daß in Paris, bei
deſſen Weiterſchweifen eine wirkliche Gefahr mir zu ſchwinden ſchien.
Nach der Entfernung des Kaiſers athmete alles auf, wie befreit und erloͤſt von einer ſchweren Laſt. All¬ maͤhlig wurde die Geſellſchaft auch wieder laut, und ging dann voͤllig in die laͤrmende Unordnung, in die draͤngende Eile uͤber, welche zu Anfang geherrſcht hatte. Beſonders waren die franzoͤſiſchen Hoͤflinge bemuͤht, ihre noch eben gehabte furchtſame und erſchrockne Haltung durch nunmehrige Luſtigkeit wegzulaͤugnen, und noch auf den Treppenſtufen, die wir hinabſtiegen, erſchallten Ausbruͤche des Lachens und Witzelns uͤber den Hergang der Audienz, deren Wuͤrde und Schrecken ſchon hier aufhoͤrten.
Napoleons Perſoͤnlichkeit wirkte zauberhaft und maͤch¬ tig, wo er wirklich er ſelbſt war, an der Spitze der Truppen, im Felde, wenn er kriegeriſche Anordnungen traf, ſeine Machtgebote ergehen ließ. Wollte er aber ihm Uneignes vorſtellen, beabſichtigte er Eindruͤcke, ſuchte er in Gebieten zu gelten, die nicht die ſeinigen waren, ſo gab er nur allzu leicht die ſchlimmſten Bloͤßen, und bethoͤrte nur etwa Neulinge und Schwachſinnige. Die Erinnerung an ihn und ſein im Geiſte der Nachlebenden neuerſchaffenes Bild haben mehr Begeiſterung fuͤr ihn erweckt, als ſeine Gegenwart es vermocht. Es klingt unglaublich, iſt aber beſtimmt wahr, daß in Paris, bei
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deſſen Weiterſchweifen eine wirkliche Gefahr mir zu
ſchwinden ſchien.
Nach der Entfernung des Kaiſers athmete alles auf,
wie befreit und erloͤſt von einer ſchweren Laſt. All¬
maͤhlig wurde die Geſellſchaft auch wieder laut, und
ging dann voͤllig in die laͤrmende Unordnung, in die
draͤngende Eile uͤber, welche zu Anfang geherrſcht hatte.
Beſonders waren die franzoͤſiſchen Hoͤflinge bemuͤht, ihre
noch eben gehabte furchtſame und erſchrockne Haltung
durch nunmehrige Luſtigkeit wegzulaͤugnen, und noch
auf den Treppenſtufen, die wir hinabſtiegen, erſchallten
Ausbruͤche des Lachens und Witzelns uͤber den Hergang
der Audienz, deren Wuͤrde und Schrecken ſchon hier
aufhoͤrten.
Napoleons Perſoͤnlichkeit wirkte zauberhaft und maͤch¬
tig, wo er wirklich er ſelbſt war, an der Spitze der
Truppen, im Felde, wenn er kriegeriſche Anordnungen
traf, ſeine Machtgebote ergehen ließ. Wollte er aber
ihm Uneignes vorſtellen, beabſichtigte er Eindruͤcke, ſuchte
er in Gebieten zu gelten, die nicht die ſeinigen waren,
ſo gab er nur allzu leicht die ſchlimmſten Bloͤßen, und
bethoͤrte nur etwa Neulinge und Schwachſinnige. Die
Erinnerung an ihn und ſein im Geiſte der Nachlebenden
neuerſchaffenes Bild haben mehr Begeiſterung fuͤr ihn
erweckt, als ſeine Gegenwart es vermocht. Es klingt
unglaublich, iſt aber beſtimmt wahr, daß in Paris, bei
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/320>, abgerufen am 27.11.2024.
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