so sehr streuen sie Licht und Wärme auf ihre Umge¬ bung aus.
Die Gunst der Wirklichkeit kann aber auch selten für dichterisches Erforderniß so glücklich gefunden wer¬ den, wie hier der Fall ist. Die Lage von Offenbach, so nah bei Frankfurt, und doch abseits von dem ge¬ drängten störenden Stadtleben, dabei selber im städtischen Werden begriffen, und schon in dieser Art gesellig, bei noch ländlichem Zuschnitt; die glückliche Mischung der Personen, ihr guter Zusammenhang, ihre nicht zu große Zahl, welche grade hinreicht, um den Schauplatz zu beleben, ohne ihn zu überdrängen; die eifrige Thätig¬ keit des heitern Musikers Andre, die antheilvolle Ge¬ nossenschaft eines würdigen Ehepaars, des Pfarrers Ewald und seiner Frau; endlich die beiden Hauptge¬ stalten selbst, die reizende Lilli und der schöne Jüngling Goethe, beide zu freier Entfaltung ihres reichen begabten Innern gegenseitig angezogen, und wenigstens eine Zeit lang allen Aeußerlichkeiten überlegen: diese Aufzählung allein schon läßt das beinah fertige Gedicht erblicken! Und doch ist es hier nur die wirkliche Wahrheit, welche zur Dichtung geworden, ohne ihre eigenste Gestalt auf¬ zugeben. Wir haben hiefür ein besondres Zeugniß bei¬ zubringen, das bei dieser Gelegenheit ausgesprochen sei. Vor vielen Jahren, als dieser Theil von Goethe's Leben noch nicht geschrieben war, pflegte der nun verstorbene Pfarrer Ewald, als Theilnehmer und Vertrauter jener
ſo ſehr ſtreuen ſie Licht und Waͤrme auf ihre Umge¬ bung aus.
Die Gunſt der Wirklichkeit kann aber auch ſelten fuͤr dichteriſches Erforderniß ſo gluͤcklich gefunden wer¬ den, wie hier der Fall iſt. Die Lage von Offenbach, ſo nah bei Frankfurt, und doch abſeits von dem ge¬ draͤngten ſtoͤrenden Stadtleben, dabei ſelber im ſtaͤdtiſchen Werden begriffen, und ſchon in dieſer Art geſellig, bei noch laͤndlichem Zuſchnitt; die gluͤckliche Miſchung der Perſonen, ihr guter Zuſammenhang, ihre nicht zu große Zahl, welche grade hinreicht, um den Schauplatz zu beleben, ohne ihn zu uͤberdraͤngen; die eifrige Thaͤtig¬ keit des heitern Muſikers André, die antheilvolle Ge¬ noſſenſchaft eines wuͤrdigen Ehepaars, des Pfarrers Ewald und ſeiner Frau; endlich die beiden Hauptge¬ ſtalten ſelbſt, die reizende Lilli und der ſchoͤne Juͤngling Goethe, beide zu freier Entfaltung ihres reichen begabten Innern gegenſeitig angezogen, und wenigſtens eine Zeit lang allen Aeußerlichkeiten uͤberlegen: dieſe Aufzaͤhlung allein ſchon laͤßt das beinah fertige Gedicht erblicken! Und doch iſt es hier nur die wirkliche Wahrheit, welche zur Dichtung geworden, ohne ihre eigenſte Geſtalt auf¬ zugeben. Wir haben hiefuͤr ein beſondres Zeugniß bei¬ zubringen, das bei dieſer Gelegenheit ausgeſprochen ſei. Vor vielen Jahren, als dieſer Theil von Goethe's Leben noch nicht geſchrieben war, pflegte der nun verſtorbene Pfarrer Ewald, als Theilnehmer und Vertrauter jener
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ſo ſehr ſtreuen ſie Licht und Waͤrme auf ihre Umge¬
bung aus.
Die Gunſt der Wirklichkeit kann aber auch ſelten
fuͤr dichteriſches Erforderniß ſo gluͤcklich gefunden wer¬
den, wie hier der Fall iſt. Die Lage von Offenbach,
ſo nah bei Frankfurt, und doch abſeits von dem ge¬
draͤngten ſtoͤrenden Stadtleben, dabei ſelber im ſtaͤdtiſchen
Werden begriffen, und ſchon in dieſer Art geſellig, bei
noch laͤndlichem Zuſchnitt; die gluͤckliche Miſchung der
Perſonen, ihr guter Zuſammenhang, ihre nicht zu große
Zahl, welche grade hinreicht, um den Schauplatz zu
beleben, ohne ihn zu uͤberdraͤngen; die eifrige Thaͤtig¬
keit des heitern Muſikers André, die antheilvolle Ge¬
noſſenſchaft eines wuͤrdigen Ehepaars, des Pfarrers
Ewald und ſeiner Frau; endlich die beiden Hauptge¬
ſtalten ſelbſt, die reizende Lilli und der ſchoͤne Juͤngling
Goethe, beide zu freier Entfaltung ihres reichen begabten
Innern gegenſeitig angezogen, und wenigſtens eine Zeit
lang allen Aeußerlichkeiten uͤberlegen: dieſe Aufzaͤhlung
allein ſchon laͤßt das beinah fertige Gedicht erblicken!
Und doch iſt es hier nur die wirkliche Wahrheit, welche
zur Dichtung geworden, ohne ihre eigenſte Geſtalt auf¬
zugeben. Wir haben hiefuͤr ein beſondres Zeugniß bei¬
zubringen, das bei dieſer Gelegenheit ausgeſprochen ſei.
Vor vielen Jahren, als dieſer Theil von Goethe's Leben
noch nicht geſchrieben war, pflegte der nun verſtorbene
Pfarrer Ewald, als Theilnehmer und Vertrauter jener
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/332>, abgerufen am 26.11.2024.
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