mag er daran gehen, immer wird er gezwungen sein, ihn durch und durch zu kennen, die Sprüche desselben als nächste Lebensbezeichnungen anzunehmen, und in diesen wohlgelegten Geleisen die Lasten des Tages und der Zukunft fortzubewegen!
Wir können hier in das Einzelne uns nicht ver¬ breiten. Andre, und an andern Orten, werden das Geleistete dankbar aufnehmen, und ausführlicher be¬ sprechen. Nur zwei Punkte seien uns noch zu berühren erlaubt. Der eine ist das seltsame und schauerliche Räthsel, welches der Dichter als "die Mütter" be¬ zeichnet hat. Der Scharfsinn und die Gelehrsamkeit unsers Verfassers sind darüber sehr ergiebig, und wir können seine Erklärungen vollkommen gelten lassen; allein aus jeder möglichen Erklärung, und wäre sie uns von Goethe selbst noch übrig, müssen wir zuletzt zu der von Rosenkranz gegebenen aufsteigen, als bei welcher allein wir uns wahrhaft beruhigt finden; es ist dies ein glücklicher Strahl kritischer Divination, dem der Dichter, falls auch ihm dadurch ein erhöhter Ausdruck seines Gebildes erst geworden wäre, nur um so freu¬ diger gedankt haben würde. Der zweite Punkt betrifft den aristophanisch kecken Streich, wo der Teufel durch sein auf die Engel gerichtetes Gelüst um seine Beute kommt. Unser Verfasser, der die Meisterhand des Künstlers auch hier anerkennt, gesteht den Wunsch, Goethe möchte diese den zarten Sinn verletzende Scene
mag er daran gehen, immer wird er gezwungen ſein, ihn durch und durch zu kennen, die Spruͤche deſſelben als naͤchſte Lebensbezeichnungen anzunehmen, und in dieſen wohlgelegten Geleiſen die Laſten des Tages und der Zukunft fortzubewegen!
Wir koͤnnen hier in das Einzelne uns nicht ver¬ breiten. Andre, und an andern Orten, werden das Geleiſtete dankbar aufnehmen, und ausfuͤhrlicher be¬ ſprechen. Nur zwei Punkte ſeien uns noch zu beruͤhren erlaubt. Der eine iſt das ſeltſame und ſchauerliche Raͤthſel, welches der Dichter als „die Muͤtter“ be¬ zeichnet hat. Der Scharfſinn und die Gelehrſamkeit unſers Verfaſſers ſind daruͤber ſehr ergiebig, und wir koͤnnen ſeine Erklaͤrungen vollkommen gelten laſſen; allein aus jeder moͤglichen Erklaͤrung, und waͤre ſie uns von Goethe ſelbſt noch uͤbrig, muͤſſen wir zuletzt zu der von Roſenkranz gegebenen aufſteigen, als bei welcher allein wir uns wahrhaft beruhigt finden; es iſt dies ein gluͤcklicher Strahl kritiſcher Divination, dem der Dichter, falls auch ihm dadurch ein erhoͤhter Ausdruck ſeines Gebildes erſt geworden waͤre, nur um ſo freu¬ diger gedankt haben wuͤrde. Der zweite Punkt betrifft den ariſtophaniſch kecken Streich, wo der Teufel durch ſein auf die Engel gerichtetes Geluͤſt um ſeine Beute kommt. Unſer Verfaſſer, der die Meiſterhand des Kuͤnſtlers auch hier anerkennt, geſteht den Wunſch, Goethe moͤchte dieſe den zarten Sinn verletzende Scene
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mag er daran gehen, immer wird er gezwungen ſein,
ihn durch und durch zu kennen, die Spruͤche deſſelben
als naͤchſte Lebensbezeichnungen anzunehmen, und in
dieſen wohlgelegten Geleiſen die Laſten des Tages und
der Zukunft fortzubewegen!
Wir koͤnnen hier in das Einzelne uns nicht ver¬
breiten. Andre, und an andern Orten, werden das
Geleiſtete dankbar aufnehmen, und ausfuͤhrlicher be¬
ſprechen. Nur zwei Punkte ſeien uns noch zu beruͤhren
erlaubt. Der eine iſt das ſeltſame und ſchauerliche
Raͤthſel, welches der Dichter als „die Muͤtter“ be¬
zeichnet hat. Der Scharfſinn und die Gelehrſamkeit
unſers Verfaſſers ſind daruͤber ſehr ergiebig, und wir
koͤnnen ſeine Erklaͤrungen vollkommen gelten laſſen;
allein aus jeder moͤglichen Erklaͤrung, und waͤre ſie uns
von Goethe ſelbſt noch uͤbrig, muͤſſen wir zuletzt zu der
von Roſenkranz gegebenen aufſteigen, als bei welcher
allein wir uns wahrhaft beruhigt finden; es iſt dies
ein gluͤcklicher Strahl kritiſcher Divination, dem der
Dichter, falls auch ihm dadurch ein erhoͤhter Ausdruck
ſeines Gebildes erſt geworden waͤre, nur um ſo freu¬
diger gedankt haben wuͤrde. Der zweite Punkt betrifft
den ariſtophaniſch kecken Streich, wo der Teufel durch
ſein auf die Engel gerichtetes Geluͤſt um ſeine Beute
kommt. Unſer Verfaſſer, der die Meiſterhand des
Kuͤnſtlers auch hier anerkennt, geſteht den Wunſch,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/441>, abgerufen am 22.11.2024.
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