Lebensverwicklungen und innere Erfahrungen spielen, und endlich durch katholische Frömmigkeit abgeschlossen und beruhigt werden. Darauf gab er unter dem Titel Memoires et voyages eine Reihe von Reisebildern aus Italien und England, voll geistreicher Ansichten und Bemerkungen, die durch eine lebhafte und anmuthige Schreibart noch besonders gehoben sind. Der gegenwär¬ tige Roman vereinigt die beiden Richtungen des Ver¬ fassers, welche bisher getrennt erschienen waren, sichre Auffassung der äußern Welt, Schilderung der Natur und der Lebensverhältnisse, und daneben Aufschließung der inneren Gemüthswelt, leidenschaftliches Wesen der Herzen, und Drang und Hinweisung zum Religiösen. Seiner Dichtung liegt unstreitig Wahrheit zum Grunde, wir möchten die einzelnen Bestandtheile, Bilder wie Gefühle, sämmtlich aus dem Leben entlehnt glauben; nur die Anlage, durch welche sich alles zu einem Gan¬ zen reiht, ist erfunden, und sehr glücklich erfunden. Der Verfasser hat ein ganz neues und überaus reiches Trieb¬ werk angewandt, wie dasselbe noch in keinem Romane vorkommt. Der Held ist ein junger Mann, der sich auf den Wogen der Eitelkeit und des Genusses dahin¬ tragen läßt, die Gunst des Augenblickes wahrnimmt, und als eine solche auch den Besitz einer reichen Erbin betrachtet, die er ihres Vermögens wegen heirathen will, ungeachtet sie sehr häßlich ist. Er bekennt seine Zwecke und Meinungen, ist aber im Innern besser als diese,
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Lebensverwicklungen und innere Erfahrungen ſpielen, und endlich durch katholiſche Froͤmmigkeit abgeſchloſſen und beruhigt werden. Darauf gab er unter dem Titel Mémoires et voyages eine Reihe von Reiſebildern aus Italien und England, voll geiſtreicher Anſichten und Bemerkungen, die durch eine lebhafte und anmuthige Schreibart noch beſonders gehoben ſind. Der gegenwaͤr¬ tige Roman vereinigt die beiden Richtungen des Ver¬ faſſers, welche bisher getrennt erſchienen waren, ſichre Auffaſſung der aͤußern Welt, Schilderung der Natur und der Lebensverhaͤltniſſe, und daneben Aufſchließung der inneren Gemuͤthswelt, leidenſchaftliches Weſen der Herzen, und Drang und Hinweiſung zum Religioͤſen. Seiner Dichtung liegt unſtreitig Wahrheit zum Grunde, wir moͤchten die einzelnen Beſtandtheile, Bilder wie Gefuͤhle, ſaͤmmtlich aus dem Leben entlehnt glauben; nur die Anlage, durch welche ſich alles zu einem Gan¬ zen reiht, iſt erfunden, und ſehr gluͤcklich erfunden. Der Verfaſſer hat ein ganz neues und uͤberaus reiches Trieb¬ werk angewandt, wie daſſelbe noch in keinem Romane vorkommt. Der Held iſt ein junger Mann, der ſich auf den Wogen der Eitelkeit und des Genuſſes dahin¬ tragen laͤßt, die Gunſt des Augenblickes wahrnimmt, und als eine ſolche auch den Beſitz einer reichen Erbin betrachtet, die er ihres Vermoͤgens wegen heirathen will, ungeachtet ſie ſehr haͤßlich iſt. Er bekennt ſeine Zwecke und Meinungen, iſt aber im Innern beſſer als dieſe,
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Lebensverwicklungen und innere Erfahrungen ſpielen,
und endlich durch katholiſche Froͤmmigkeit abgeſchloſſen
und beruhigt werden. Darauf gab er unter dem Titel
Mémoires et voyages eine Reihe von Reiſebildern aus
Italien und England, voll geiſtreicher Anſichten und
Bemerkungen, die durch eine lebhafte und anmuthige
Schreibart noch beſonders gehoben ſind. Der gegenwaͤr¬
tige Roman vereinigt die beiden Richtungen des Ver¬
faſſers, welche bisher getrennt erſchienen waren, ſichre
Auffaſſung der aͤußern Welt, Schilderung der Natur
und der Lebensverhaͤltniſſe, und daneben Aufſchließung
der inneren Gemuͤthswelt, leidenſchaftliches Weſen der
Herzen, und Drang und Hinweiſung zum Religioͤſen.
Seiner Dichtung liegt unſtreitig Wahrheit zum Grunde,
wir moͤchten die einzelnen Beſtandtheile, Bilder wie
Gefuͤhle, ſaͤmmtlich aus dem Leben entlehnt glauben;
nur die Anlage, durch welche ſich alles zu einem Gan¬
zen reiht, iſt erfunden, und ſehr gluͤcklich erfunden. Der
Verfaſſer hat ein ganz neues und uͤberaus reiches Trieb¬
werk angewandt, wie daſſelbe noch in keinem Romane
vorkommt. Der Held iſt ein junger Mann, der ſich
auf den Wogen der Eitelkeit und des Genuſſes dahin¬
tragen laͤßt, die Gunſt des Augenblickes wahrnimmt,
und als eine ſolche auch den Beſitz einer reichen Erbin
betrachtet, die er ihres Vermoͤgens wegen heirathen will,
ungeachtet ſie ſehr haͤßlich iſt. Er bekennt ſeine Zwecke
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/465>, abgerufen am 22.11.2024.
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