macht; allein Müller ist hinsichtlich des Königs immer in einer gewissen Zweideutigkeit befangen geblieben, die auch seinen größten Lobsprüchen stets etwas Unheimliches läßt. Desto erwünschter vernehmen wir endlich den an¬ erkannten Mann vom Fach, den gründlichen Geschichts¬ gelehrten, der selber das Schätzbarste geleistet, mit freiem unbefangenen Urtheil das Verdienst Friedrichs auf diesem Gebiet hervorheben und mit Sicherheit aussprechen.
Der Verfasser zeigt, wie der König auch als Geschichtschreiber seinen hohen Königlichen Standpunkt nicht verläugnet, daß ihm die Wahrheit das Erste und Höchste gewesen, daß er nicht seinen Ruhm oder seine Rechtfertigung zur Absicht gehabt, sondern die Ehre des Vaterlandes, das Denkmal seiner Kampfgenossen, die Belehrung seines Volks. Wie Friedrich von dem Ge¬ fühle der Pflichterfüllung durchdrungen und beseelt gewe¬ sen, tritt uns auch hier wieder lebhaft vor Augen, und geistreich wird mit dieser Gesinnung "das so oft gemi߬ brauchte große Wort des Königs" verknüpft und aus ihr erklärt: "daß der Fürst der erste Diener des Staates sei." Seine Geschichtschreibung ging aus derselben An¬ sicht hervor, die ihm den Anti-Machiavell eingegeben hatte, von welchem Buche hier sehr treffend bemerkt wird, daß er keinen eingebildeten Feind bekämpft, son¬ dern daß die Grundsätze, denen es entgegen tritt, doch wirklich in Machiavelli's Buche vom Fürsten, gleichviel in welchem Sinne, ausgesprochen dastehen, und nur
macht; allein Muͤller iſt hinſichtlich des Koͤnigs immer in einer gewiſſen Zweideutigkeit befangen geblieben, die auch ſeinen groͤßten Lobſpruͤchen ſtets etwas Unheimliches laͤßt. Deſto erwuͤnſchter vernehmen wir endlich den an¬ erkannten Mann vom Fach, den gruͤndlichen Geſchichts¬ gelehrten, der ſelber das Schaͤtzbarſte geleiſtet, mit freiem unbefangenen Urtheil das Verdienſt Friedrichs auf dieſem Gebiet hervorheben und mit Sicherheit ausſprechen.
Der Verfaſſer zeigt, wie der Koͤnig auch als Geſchichtſchreiber ſeinen hohen Koͤniglichen Standpunkt nicht verlaͤugnet, daß ihm die Wahrheit das Erſte und Hoͤchſte geweſen, daß er nicht ſeinen Ruhm oder ſeine Rechtfertigung zur Abſicht gehabt, ſondern die Ehre des Vaterlandes, das Denkmal ſeiner Kampfgenoſſen, die Belehrung ſeines Volks. Wie Friedrich von dem Ge¬ fuͤhle der Pflichterfuͤllung durchdrungen und beſeelt gewe¬ ſen, tritt uns auch hier wieder lebhaft vor Augen, und geiſtreich wird mit dieſer Geſinnung „das ſo oft gemi߬ brauchte große Wort des Koͤnigs“ verknuͤpft und aus ihr erklaͤrt: „daß der Fuͤrſt der erſte Diener des Staates ſei.“ Seine Geſchichtſchreibung ging aus derſelben An¬ ſicht hervor, die ihm den Anti-Machiavell eingegeben hatte, von welchem Buche hier ſehr treffend bemerkt wird, daß er keinen eingebildeten Feind bekaͤmpft, ſon¬ dern daß die Grundſaͤtze, denen es entgegen tritt, doch wirklich in Machiavelli's Buche vom Fuͤrſten, gleichviel in welchem Sinne, ausgeſprochen daſtehen, und nur
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macht; allein Muͤller iſt hinſichtlich des Koͤnigs immer
in einer gewiſſen Zweideutigkeit befangen geblieben, die
auch ſeinen groͤßten Lobſpruͤchen ſtets etwas Unheimliches
laͤßt. Deſto erwuͤnſchter vernehmen wir endlich den an¬
erkannten Mann vom Fach, den gruͤndlichen Geſchichts¬
gelehrten, der ſelber das Schaͤtzbarſte geleiſtet, mit freiem
unbefangenen Urtheil das Verdienſt Friedrichs auf dieſem
Gebiet hervorheben und mit Sicherheit ausſprechen.
Der Verfaſſer zeigt, wie der Koͤnig auch als
Geſchichtſchreiber ſeinen hohen Koͤniglichen Standpunkt
nicht verlaͤugnet, daß ihm die Wahrheit das Erſte und
Hoͤchſte geweſen, daß er nicht ſeinen Ruhm oder ſeine
Rechtfertigung zur Abſicht gehabt, ſondern die Ehre des
Vaterlandes, das Denkmal ſeiner Kampfgenoſſen, die
Belehrung ſeines Volks. Wie Friedrich von dem Ge¬
fuͤhle der Pflichterfuͤllung durchdrungen und beſeelt gewe¬
ſen, tritt uns auch hier wieder lebhaft vor Augen, und
geiſtreich wird mit dieſer Geſinnung „das ſo oft gemi߬
brauchte große Wort des Koͤnigs“ verknuͤpft und aus
ihr erklaͤrt: „daß der Fuͤrſt der erſte Diener des Staates
ſei.“ Seine Geſchichtſchreibung ging aus derſelben An¬
ſicht hervor, die ihm den Anti-Machiavell eingegeben
hatte, von welchem Buche hier ſehr treffend bemerkt
wird, daß er keinen eingebildeten Feind bekaͤmpft, ſon¬
dern daß die Grundſaͤtze, denen es entgegen tritt, doch
wirklich in Machiavelli's Buche vom Fuͤrſten, gleichviel
in welchem Sinne, ausgeſprochen daſtehen, und nur
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/473>, abgerufen am 22.11.2024.
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