Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

müthig aufmerksame Diener, den ich traf, lächelte über
meine Befremdung, und geleitete mich, da ich den
Herrn Doktor sprechen wollte, zwei schmale Stiegen
hinauf, in ein enges Stübchen, wo es aber doch etwas
elegant aussah, sogar ein Sopha breitete sich hinter
einem Tische, das einzige bis jetzt, das ich in Tübingen
zu sehen bekommen, denn Studenten und Professoren
haben so schwelgerische Gewohnheiten nicht. Cotta trat
ein, ein hagrer, ältlicher Mann, lebhaft, geschmeidig in
eckigen Manieren, in schwäbischer Gemächlichkeit rasch;
er war prompt, artig und meinen Wünschen zuvorkom¬
mend, hatte aber viel zu thun, daher ich ihn bald wieder
verließ. Seitdem war ich auch schon einen Abend bei
ihm, wo ich ihn mit seiner Frau und seinen zwei artigen
Kindern sah, als freundlichen, liebevollen Hausvater,
den daß lustige Töchterchen mit klugem Muthwillen in
beste Laune setzte; auch die Frau war voll Güte, doch
sehr gehalten, maßvoll und verständig, im Praktischen
gewiß nicht leicht zu irren noch umzugehen. Ich mußte
von Hamburg erzählen, und machte geflissentlich eine
prächtige Beschreibung von dem Buchladen meines Freun¬
des Perthes im Jungferstieg, von der reizenden Lage,
der schönen Einrichtung, den weiten Räumen, und den
aufgereihten kauffertigen Vorräthen alles Neuen, Werth¬
vollen und Anziehenden in- und ausländischer Litteratur.
Ich erweckte keinen Neid, im Gegentheil, das süßeste
Behagen, daß man hier solchen Glanz nicht nöthig habe,

muͤthig aufmerkſame Diener, den ich traf, laͤchelte uͤber
meine Befremdung, und geleitete mich, da ich den
Herrn Doktor ſprechen wollte, zwei ſchmale Stiegen
hinauf, in ein enges Stuͤbchen, wo es aber doch etwas
elegant ausſah, ſogar ein Sopha breitete ſich hinter
einem Tiſche, das einzige bis jetzt, das ich in Tuͤbingen
zu ſehen bekommen, denn Studenten und Profeſſoren
haben ſo ſchwelgeriſche Gewohnheiten nicht. Cotta trat
ein, ein hagrer, aͤltlicher Mann, lebhaft, geſchmeidig in
eckigen Manieren, in ſchwaͤbiſcher Gemaͤchlichkeit raſch;
er war prompt, artig und meinen Wuͤnſchen zuvorkom¬
mend, hatte aber viel zu thun, daher ich ihn bald wieder
verließ. Seitdem war ich auch ſchon einen Abend bei
ihm, wo ich ihn mit ſeiner Frau und ſeinen zwei artigen
Kindern ſah, als freundlichen, liebevollen Hausvater,
den daß luſtige Toͤchterchen mit klugem Muthwillen in
beſte Laune ſetzte; auch die Frau war voll Guͤte, doch
ſehr gehalten, maßvoll und verſtaͤndig, im Praktiſchen
gewiß nicht leicht zu irren noch umzugehen. Ich mußte
von Hamburg erzaͤhlen, und machte gefliſſentlich eine
praͤchtige Beſchreibung von dem Buchladen meines Freun¬
des Perthes im Jungferſtieg, von der reizenden Lage,
der ſchoͤnen Einrichtung, den weiten Raͤumen, und den
aufgereihten kauffertigen Vorraͤthen alles Neuen, Werth¬
vollen und Anziehenden in- und auslaͤndiſcher Litteratur.
Ich erweckte keinen Neid, im Gegentheil, das ſuͤßeſte
Behagen, daß man hier ſolchen Glanz nicht noͤthig habe,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0102" n="90"/>
mu&#x0364;thig aufmerk&#x017F;ame Diener, den ich traf, la&#x0364;chelte u&#x0364;ber<lb/>
meine Befremdung, und geleitete mich, da ich den<lb/>
Herrn Doktor &#x017F;prechen wollte, zwei &#x017F;chmale Stiegen<lb/>
hinauf, in ein enges Stu&#x0364;bchen, wo es aber doch etwas<lb/>
elegant aus&#x017F;ah, &#x017F;ogar ein Sopha breitete &#x017F;ich hinter<lb/>
einem Ti&#x017F;che, das einzige bis jetzt, das ich in Tu&#x0364;bingen<lb/>
zu &#x017F;ehen bekommen, denn Studenten und Profe&#x017F;&#x017F;oren<lb/>
haben &#x017F;o &#x017F;chwelgeri&#x017F;che Gewohnheiten nicht. Cotta trat<lb/>
ein, ein hagrer, a&#x0364;ltlicher Mann, lebhaft, ge&#x017F;chmeidig in<lb/>
eckigen Manieren, in &#x017F;chwa&#x0364;bi&#x017F;cher Gema&#x0364;chlichkeit ra&#x017F;ch;<lb/>
er war prompt, artig und meinen Wu&#x0364;n&#x017F;chen zuvorkom¬<lb/>
mend, hatte aber viel zu thun, daher ich ihn bald wieder<lb/>
verließ. Seitdem war ich auch &#x017F;chon einen Abend bei<lb/>
ihm, wo ich ihn mit &#x017F;einer Frau und &#x017F;einen zwei artigen<lb/>
Kindern &#x017F;ah, als freundlichen, liebevollen Hausvater,<lb/>
den daß lu&#x017F;tige To&#x0364;chterchen mit klugem Muthwillen in<lb/>
be&#x017F;te Laune &#x017F;etzte; auch die Frau war voll Gu&#x0364;te, doch<lb/>
&#x017F;ehr gehalten, maßvoll und ver&#x017F;ta&#x0364;ndig, im Prakti&#x017F;chen<lb/>
gewiß nicht leicht zu irren noch umzugehen. Ich mußte<lb/>
von Hamburg erza&#x0364;hlen, und machte gefli&#x017F;&#x017F;entlich eine<lb/>
pra&#x0364;chtige Be&#x017F;chreibung von dem Buchladen meines Freun¬<lb/>
des Perthes im Jungfer&#x017F;tieg, von der reizenden Lage,<lb/>
der &#x017F;cho&#x0364;nen Einrichtung, den weiten Ra&#x0364;umen, und den<lb/>
aufgereihten kauffertigen Vorra&#x0364;then alles Neuen, Werth¬<lb/>
vollen und Anziehenden in- und ausla&#x0364;ndi&#x017F;cher Litteratur.<lb/>
Ich erweckte keinen Neid, im Gegentheil, das &#x017F;u&#x0364;ße&#x017F;te<lb/>
Behagen, daß man hier &#x017F;olchen Glanz nicht no&#x0364;thig habe,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0102] muͤthig aufmerkſame Diener, den ich traf, laͤchelte uͤber meine Befremdung, und geleitete mich, da ich den Herrn Doktor ſprechen wollte, zwei ſchmale Stiegen hinauf, in ein enges Stuͤbchen, wo es aber doch etwas elegant ausſah, ſogar ein Sopha breitete ſich hinter einem Tiſche, das einzige bis jetzt, das ich in Tuͤbingen zu ſehen bekommen, denn Studenten und Profeſſoren haben ſo ſchwelgeriſche Gewohnheiten nicht. Cotta trat ein, ein hagrer, aͤltlicher Mann, lebhaft, geſchmeidig in eckigen Manieren, in ſchwaͤbiſcher Gemaͤchlichkeit raſch; er war prompt, artig und meinen Wuͤnſchen zuvorkom¬ mend, hatte aber viel zu thun, daher ich ihn bald wieder verließ. Seitdem war ich auch ſchon einen Abend bei ihm, wo ich ihn mit ſeiner Frau und ſeinen zwei artigen Kindern ſah, als freundlichen, liebevollen Hausvater, den daß luſtige Toͤchterchen mit klugem Muthwillen in beſte Laune ſetzte; auch die Frau war voll Guͤte, doch ſehr gehalten, maßvoll und verſtaͤndig, im Praktiſchen gewiß nicht leicht zu irren noch umzugehen. Ich mußte von Hamburg erzaͤhlen, und machte gefliſſentlich eine praͤchtige Beſchreibung von dem Buchladen meines Freun¬ des Perthes im Jungferſtieg, von der reizenden Lage, der ſchoͤnen Einrichtung, den weiten Raͤumen, und den aufgereihten kauffertigen Vorraͤthen alles Neuen, Werth¬ vollen und Anziehenden in- und auslaͤndiſcher Litteratur. Ich erweckte keinen Neid, im Gegentheil, das ſuͤßeſte Behagen, daß man hier ſolchen Glanz nicht noͤthig habe,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/102
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/102>, abgerufen am 14.05.2024.