mäßig unser Studium hier vollenden, zu lernen gäbe es genug, und Ruhe und Stille zum Fleiß fehlte nicht. Nun wir aber an der Schwelle stehen, zaudern wir, erschrecken, wenden uns ab! Wir verzweifeln an unserm Beruf, an dieser Bahn wenigstens, wo wir von allem Leben, das erfreut und erhebt, abgeschnitten sind. Wir haben schon zuviel gehabt, um jetzt alles zu entbehren, gesellige Anregung, reizenden Umgang, Kunst, große Tagesstoffe der Verhandlung, der Betrachtung. Har¬ scher könnte noch eher sich in Studien einspinnen, seine Ideen können auch in der Einsamkeit gesund reifen, er ist weniger auf das Leben in und mit der Welt be¬ schränkt, als ich; beschränkt, das ist der Ausdruck, denn angewiesen darauf ist er vielleicht weit mehr als ich. Aber auch er will es nicht aushalten, will aus diesem Loch, in das wir gefallen sind, sich um jeden Preis hinausretten. Wir haben schreckliche Tage unter wech¬ selseitigen Bekenntnissen, unter Berathen und Ueber¬ legen hingebracht, die innern Strebungen geprüft, die äußere Umstände erörtert, die Möglichkeiten berechnet; das Ergebniß dieser großen Krisis war: fürerst weg! Was nachher zu thun, das bleibt leider noch verwickelt genug, besonders für mich, der ich von Ursprung an in widerstreitenden Bezügen gerungen habe, zurückge¬ halten von diesen, fortgerissen von andern, verspätet und verfrüht zugleich! Harscher nun, so nah der Hei¬ math, wo er doch auch vieles zu ordnen hat, geht in
maͤßig unſer Studium hier vollenden, zu lernen gaͤbe es genug, und Ruhe und Stille zum Fleiß fehlte nicht. Nun wir aber an der Schwelle ſtehen, zaudern wir, erſchrecken, wenden uns ab! Wir verzweifeln an unſerm Beruf, an dieſer Bahn wenigſtens, wo wir von allem Leben, das erfreut und erhebt, abgeſchnitten ſind. Wir haben ſchon zuviel gehabt, um jetzt alles zu entbehren, geſellige Anregung, reizenden Umgang, Kunſt, große Tagesſtoffe der Verhandlung, der Betrachtung. Har¬ ſcher koͤnnte noch eher ſich in Studien einſpinnen, ſeine Ideen koͤnnen auch in der Einſamkeit geſund reifen, er iſt weniger auf das Leben in und mit der Welt be¬ ſchraͤnkt, als ich; beſchraͤnkt, das iſt der Ausdruck, denn angewieſen darauf iſt er vielleicht weit mehr als ich. Aber auch er will es nicht aushalten, will aus dieſem Loch, in das wir gefallen ſind, ſich um jeden Preis hinausretten. Wir haben ſchreckliche Tage unter wech¬ ſelſeitigen Bekenntniſſen, unter Berathen und Ueber¬ legen hingebracht, die innern Strebungen gepruͤft, die aͤußere Umſtaͤnde eroͤrtert, die Moͤglichkeiten berechnet; das Ergebniß dieſer großen Kriſis war: fuͤrerſt weg! Was nachher zu thun, das bleibt leider noch verwickelt genug, beſonders fuͤr mich, der ich von Urſprung an in widerſtreitenden Bezuͤgen gerungen habe, zuruͤckge¬ halten von dieſen, fortgeriſſen von andern, verſpaͤtet und verfruͤht zugleich! Harſcher nun, ſo nah der Hei¬ math, wo er doch auch vieles zu ordnen hat, geht in
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maͤßig unſer Studium hier vollenden, zu lernen gaͤbe
es genug, und Ruhe und Stille zum Fleiß fehlte nicht.
Nun wir aber an der Schwelle ſtehen, zaudern wir,
erſchrecken, wenden uns ab! Wir verzweifeln an unſerm
Beruf, an dieſer Bahn wenigſtens, wo wir von allem
Leben, das erfreut und erhebt, abgeſchnitten ſind. Wir
haben ſchon zuviel gehabt, um jetzt alles zu entbehren,
geſellige Anregung, reizenden Umgang, Kunſt, große
Tagesſtoffe der Verhandlung, der Betrachtung. Har¬
ſcher koͤnnte noch eher ſich in Studien einſpinnen, ſeine
Ideen koͤnnen auch in der Einſamkeit geſund reifen,
er iſt weniger auf das Leben in und mit der Welt be¬
ſchraͤnkt, als ich; beſchraͤnkt, das iſt der Ausdruck, denn
angewieſen darauf iſt er vielleicht weit mehr als ich.
Aber auch er will es nicht aushalten, will aus dieſem
Loch, in das wir gefallen ſind, ſich um jeden Preis
hinausretten. Wir haben ſchreckliche Tage unter wech¬
ſelſeitigen Bekenntniſſen, unter Berathen und Ueber¬
legen hingebracht, die innern Strebungen gepruͤft, die
aͤußere Umſtaͤnde eroͤrtert, die Moͤglichkeiten berechnet;
das Ergebniß dieſer großen Kriſis war: fuͤrerſt weg!
Was nachher zu thun, das bleibt leider noch verwickelt
genug, beſonders fuͤr mich, der ich von Urſprung an
in widerſtreitenden Bezuͤgen gerungen habe, zuruͤckge¬
halten von dieſen, fortgeriſſen von andern, verſpaͤtet
und verfruͤht zugleich! Harſcher nun, ſo nah der Hei¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/106>, abgerufen am 04.12.2024.
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