schreibe, und all sein Wissen, seine Sprachkenntniß, seine Vertrautheit mit den Alten, stehen ihm hiebei zu Gebot; selten aber fließt ein eigenthümlicher Gedanke, eine geistreiche Verknüpfung, in den Strom seiner Worte, die im Ganzen nur gewöhnliches Irrereden sind. Als Ursache seines Wahnsinns wird ein schreck¬ licher Auftritt in Frankfurt am Main angegeben, wo er Hofmeister in einem reichen Hause war. Eine zarte liebenswerthe, unglückliche Frau würdigt den hohen Dichtergeist, das reine Gemüth des in seiner Lage ge¬ drückten und verkannten Jünglings, es entsteht eine unschuldige Freundschaft, die aber dem rohesten Arg¬ wohn nicht entgeht, und Hölderlin wird thätlich mi߬ handelt, sieht auch die Freundin mißhandelt! Das brach ihm das Herz. Er wollte seinen Jammer in Arbeit vergraben, er übersetzte den Sophokles; der Verleger, der den ersten Theil drucken ließ und ausgab, ahndete nicht, daß in dem Buche schon manche Spur des Ueber¬ ganges zu finden sei, der in dem Verfasser leider nur allzubald sichtbar wurde. --
Tübingen, Anfang Januars 1809. Ich lebe in der größten Einsamkeit. Ein paar Abende ausgenommen, von denen ich den einen sehr langweilig bei Cotta, den andern angenehm bei Froriep zugebracht, bin ich gar nicht aus dem Hause gekommen. Bei Froriep ist es norddeutsch, Halle und Berlin klingen mir dort nach, ich bin in heimathlicher Luft, auch freuen mich die
ſchreibe, und all ſein Wiſſen, ſeine Sprachkenntniß, ſeine Vertrautheit mit den Alten, ſtehen ihm hiebei zu Gebot; ſelten aber fließt ein eigenthuͤmlicher Gedanke, eine geiſtreiche Verknuͤpfung, in den Strom ſeiner Worte, die im Ganzen nur gewoͤhnliches Irrereden ſind. Als Urſache ſeines Wahnſinns wird ein ſchreck¬ licher Auftritt in Frankfurt am Main angegeben, wo er Hofmeiſter in einem reichen Hauſe war. Eine zarte liebenswerthe, ungluͤckliche Frau wuͤrdigt den hohen Dichtergeiſt, das reine Gemuͤth des in ſeiner Lage ge¬ druͤckten und verkannten Juͤnglings, es entſteht eine unſchuldige Freundſchaft, die aber dem roheſten Arg¬ wohn nicht entgeht, und Hoͤlderlin wird thaͤtlich mi߬ handelt, ſieht auch die Freundin mißhandelt! Das brach ihm das Herz. Er wollte ſeinen Jammer in Arbeit vergraben, er uͤberſetzte den Sophokles; der Verleger, der den erſten Theil drucken ließ und ausgab, ahndete nicht, daß in dem Buche ſchon manche Spur des Ueber¬ ganges zu finden ſei, der in dem Verfaſſer leider nur allzubald ſichtbar wurde. —
Tuͤbingen, Anfang Januars 1809. Ich lebe in der groͤßten Einſamkeit. Ein paar Abende ausgenommen, von denen ich den einen ſehr langweilig bei Cotta, den andern angenehm bei Froriep zugebracht, bin ich gar nicht aus dem Hauſe gekommen. Bei Froriep iſt es norddeutſch, Halle und Berlin klingen mir dort nach, ich bin in heimathlicher Luft, auch freuen mich die
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ſchreibe, und all ſein Wiſſen, ſeine Sprachkenntniß,
ſeine Vertrautheit mit den Alten, ſtehen ihm hiebei zu
Gebot; ſelten aber fließt ein eigenthuͤmlicher Gedanke,
eine geiſtreiche Verknuͤpfung, in den Strom ſeiner
Worte, die im Ganzen nur gewoͤhnliches Irrereden
ſind. Als Urſache ſeines Wahnſinns wird ein ſchreck¬
licher Auftritt in Frankfurt am Main angegeben, wo
er Hofmeiſter in einem reichen Hauſe war. Eine zarte
liebenswerthe, ungluͤckliche Frau wuͤrdigt den hohen
Dichtergeiſt, das reine Gemuͤth des in ſeiner Lage ge¬
druͤckten und verkannten Juͤnglings, es entſteht eine
unſchuldige Freundſchaft, die aber dem roheſten Arg¬
wohn nicht entgeht, und Hoͤlderlin wird thaͤtlich mi߬
handelt, ſieht auch die Freundin mißhandelt! Das brach
ihm das Herz. Er wollte ſeinen Jammer in Arbeit
vergraben, er uͤberſetzte den Sophokles; der Verleger,
der den erſten Theil drucken ließ und ausgab, ahndete
nicht, daß in dem Buche ſchon manche Spur des Ueber¬
ganges zu finden ſei, der in dem Verfaſſer leider nur
allzubald ſichtbar wurde. —
Tuͤbingen, Anfang Januars 1809. Ich lebe in der
groͤßten Einſamkeit. Ein paar Abende ausgenommen,
von denen ich den einen ſehr langweilig bei Cotta, den
andern angenehm bei Froriep zugebracht, bin ich gar
nicht aus dem Hauſe gekommen. Bei Froriep iſt es
norddeutſch, Halle und Berlin klingen mir dort nach,
ich bin in heimathlicher Luft, auch freuen mich die
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/131>, abgerufen am 04.12.2024.
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