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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

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alles noch ziemlich in demselben Stande, wie er es
beschrieben, und mußte besonders in das Lob einstimmen,
welches er den gräflichen Damen ertheilte, wiewohl ich
dasselbe weder so schwungvoll noch so empfindsam aus¬
gedrückt haben würde, als Gruner, der sich dieser schon
damals veralteten Art noch zu guter letzt mit allem
Eifer hingegeben hatte. Die Damen waren wohl an¬
fangs etwas betroffen, ihre Erscheinung, Vorzüge,
Aeußerungen und nebenher so manches Unerhebliche,
öffentlich besprochen zu sehen, allein die beseelte Aner¬
kennung und fast leidenschaftliche Verehrung, die der
junge Enthusiast ausdrückte, besonders wenn er die herr¬
lichen Gesangstimmen pries, die ihn hier entzückt hatten,
erwarben ihm Verzeihung für eine Dreistigkeit, welche
offenbar aus bester Meinung hervorging. In der That
war sowohl die Fürstin von Solms-Lich, als ihre beiden
jüngern Schwestern, mit großartiger, durch besten
italiänischen Unterricht zu höchster Meisterschaft ausge¬
bildeter Stimme begabt, deren mächtige Wirkung mit
so vielem andern Zauber vereint den Hörer unwider¬
stehlich hinreißen mußte.

Das gesellige Leben auf dem Schlosse war anziehend
und genußreich; das Bagno bot den täglichen Spazir¬
gängen hinreichende Abwechselung, auch Fahrten in die
Nachbarschaft wurden unternommen; der Austausch von
Meinungen und Erzählungen war lebhaft, Ernst und
Munterkeit fanden unerschöpflichen Stoff. Der Sonn¬

alles noch ziemlich in demſelben Stande, wie er es
beſchrieben, und mußte beſonders in das Lob einſtimmen,
welches er den graͤflichen Damen ertheilte, wiewohl ich
daſſelbe weder ſo ſchwungvoll noch ſo empfindſam aus¬
gedruͤckt haben wuͤrde, als Gruner, der ſich dieſer ſchon
damals veralteten Art noch zu guter letzt mit allem
Eifer hingegeben hatte. Die Damen waren wohl an¬
fangs etwas betroffen, ihre Erſcheinung, Vorzuͤge,
Aeußerungen und nebenher ſo manches Unerhebliche,
oͤffentlich beſprochen zu ſehen, allein die beſeelte Aner¬
kennung und faſt leidenſchaftliche Verehrung, die der
junge Enthuſiaſt ausdruͤckte, beſonders wenn er die herr¬
lichen Geſangſtimmen pries, die ihn hier entzuͤckt hatten,
erwarben ihm Verzeihung fuͤr eine Dreiſtigkeit, welche
offenbar aus beſter Meinung hervorging. In der That
war ſowohl die Fuͤrſtin von Solms-Lich, als ihre beiden
juͤngern Schweſtern, mit großartiger, durch beſten
italiaͤniſchen Unterricht zu hoͤchſter Meiſterſchaft ausge¬
bildeter Stimme begabt, deren maͤchtige Wirkung mit
ſo vielem andern Zauber vereint den Hoͤrer unwider¬
ſtehlich hinreißen mußte.

Das geſellige Leben auf dem Schloſſe war anziehend
und genußreich; das Bagno bot den taͤglichen Spazir¬
gaͤngen hinreichende Abwechſelung, auch Fahrten in die
Nachbarſchaft wurden unternommen; der Austauſch von
Meinungen und Erzaͤhlungen war lebhaft, Ernſt und
Munterkeit fanden unerſchoͤpflichen Stoff. Der Sonn¬

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[136/0148] alles noch ziemlich in demſelben Stande, wie er es beſchrieben, und mußte beſonders in das Lob einſtimmen, welches er den graͤflichen Damen ertheilte, wiewohl ich daſſelbe weder ſo ſchwungvoll noch ſo empfindſam aus¬ gedruͤckt haben wuͤrde, als Gruner, der ſich dieſer ſchon damals veralteten Art noch zu guter letzt mit allem Eifer hingegeben hatte. Die Damen waren wohl an¬ fangs etwas betroffen, ihre Erſcheinung, Vorzuͤge, Aeußerungen und nebenher ſo manches Unerhebliche, oͤffentlich beſprochen zu ſehen, allein die beſeelte Aner¬ kennung und faſt leidenſchaftliche Verehrung, die der junge Enthuſiaſt ausdruͤckte, beſonders wenn er die herr¬ lichen Geſangſtimmen pries, die ihn hier entzuͤckt hatten, erwarben ihm Verzeihung fuͤr eine Dreiſtigkeit, welche offenbar aus beſter Meinung hervorging. In der That war ſowohl die Fuͤrſtin von Solms-Lich, als ihre beiden juͤngern Schweſtern, mit großartiger, durch beſten italiaͤniſchen Unterricht zu hoͤchſter Meiſterſchaft ausge¬ bildeter Stimme begabt, deren maͤchtige Wirkung mit ſo vielem andern Zauber vereint den Hoͤrer unwider¬ ſtehlich hinreißen mußte. Das geſellige Leben auf dem Schloſſe war anziehend und genußreich; das Bagno bot den taͤglichen Spazir¬ gaͤngen hinreichende Abwechſelung, auch Fahrten in die Nachbarſchaft wurden unternommen; der Austauſch von Meinungen und Erzaͤhlungen war lebhaft, Ernſt und Munterkeit fanden unerſchoͤpflichen Stoff. Der Sonn¬

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/148>, abgerufen am 13.05.2024.