Hauptquartier Schriften und Bücher, die sich in der Wohnung des französischen Polizeihaupts Grafen von d'Aubignosc zurückgelassen fanden. In einem alten be¬ stäubten Pack fiel mir ein Blatt auf, welches ich bald als eine in's Französische übersetzte Stelle von mir über Napoleon erkennen mußte, die als Extrait d'une lettre bezeichnet war. Dabei lagen zwei Abdrücke der Ode von Stägemann an den Kaiser Alexander.
Die Nachbarschaft war ehrenvoll, aber auch gefähr¬ lich. Zum Glück waren diese Anklagestücke beiseit ge¬ schoben worden, und jetzt, in unsern Händen, nur Zeugnisse, wie sehr die Zeiten sich verändert hatten! --
Frankfurt am Main, den 20. Februar 1811. Mein lieber Fouque freut sich, daß er seinen Brief mir in diese Gegend schickt, und wünscht anstatt des Blattes selber hier zu sein. "Das mir sehr liebe Frankfurt! -- so schreibt er mir aus Nennhausen, -- das mir von langer Zeit wie ein freundliches Weihnachtsbild herüber sieht. Der silberblaue Main, mit seinen milden Ufern! Zuletzt habe ich das alles auch im Winter gesehen, und es war dennoch so schön. Doch will ich freilich nicht mit Sicherheit behaupten, wie viel des eignen Lichtes von den Gegenständen ausging, und wie viel auf sie hinstrahlte aus meiner Jünglingsseele, in allem Stolz
III.11
Hauptquartier Schriften und Buͤcher, die ſich in der Wohnung des franzoͤſiſchen Polizeihaupts Grafen von d'Aubignosc zuruͤckgelaſſen fanden. In einem alten be¬ ſtaͤubten Pack fiel mir ein Blatt auf, welches ich bald als eine in's Franzoͤſiſche uͤberſetzte Stelle von mir uͤber Napoleon erkennen mußte, die als Extrait d'une lettre bezeichnet war. Dabei lagen zwei Abdruͤcke der Ode von Staͤgemann an den Kaiſer Alexander.
Die Nachbarſchaft war ehrenvoll, aber auch gefaͤhr¬ lich. Zum Gluͤck waren dieſe Anklageſtuͤcke beiſeit ge¬ ſchoben worden, und jetzt, in unſern Haͤnden, nur Zeugniſſe, wie ſehr die Zeiten ſich veraͤndert hatten! —
Frankfurt am Main, den 20. Februar 1811. Mein lieber Fouqué freut ſich, daß er ſeinen Brief mir in dieſe Gegend ſchickt, und wuͤnſcht anſtatt des Blattes ſelber hier zu ſein. „Das mir ſehr liebe Frankfurt! — ſo ſchreibt er mir aus Nennhauſen, — das mir von langer Zeit wie ein freundliches Weihnachtsbild heruͤber ſieht. Der ſilberblaue Main, mit ſeinen milden Ufern! Zuletzt habe ich das alles auch im Winter geſehen, und es war dennoch ſo ſchoͤn. Doch will ich freilich nicht mit Sicherheit behaupten, wie viel des eignen Lichtes von den Gegenſtaͤnden ausging, und wie viel auf ſie hinſtrahlte aus meiner Juͤnglingsſeele, in allem Stolz
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Hauptquartier Schriften und Buͤcher, die ſich in der
Wohnung des franzoͤſiſchen Polizeihaupts Grafen von
d'Aubignosc zuruͤckgelaſſen fanden. In einem alten be¬
ſtaͤubten Pack fiel mir ein Blatt auf, welches ich bald
als eine in's Franzoͤſiſche uͤberſetzte Stelle von mir uͤber
Napoleon erkennen mußte, die als Extrait d'une lettre
bezeichnet war. Dabei lagen zwei Abdruͤcke der Ode
von Staͤgemann an den Kaiſer Alexander.
Die Nachbarſchaft war ehrenvoll, aber auch gefaͤhr¬
lich. Zum Gluͤck waren dieſe Anklageſtuͤcke beiſeit ge¬
ſchoben worden, und jetzt, in unſern Haͤnden, nur
Zeugniſſe, wie ſehr die Zeiten ſich veraͤndert hatten! —
Frankfurt am Main, den 20. Februar 1811. Mein
lieber Fouqué freut ſich, daß er ſeinen Brief mir in
dieſe Gegend ſchickt, und wuͤnſcht anſtatt des Blattes
ſelber hier zu ſein. „Das mir ſehr liebe Frankfurt!
— ſo ſchreibt er mir aus Nennhauſen, — das mir von
langer Zeit wie ein freundliches Weihnachtsbild heruͤber
ſieht. Der ſilberblaue Main, mit ſeinen milden Ufern!
Zuletzt habe ich das alles auch im Winter geſehen, und
es war dennoch ſo ſchoͤn. Doch will ich freilich nicht
mit Sicherheit behaupten, wie viel des eignen Lichtes
von den Gegenſtaͤnden ausging, und wie viel auf ſie
hinſtrahlte aus meiner Juͤnglingsſeele, in allem Stolz
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/173>, abgerufen am 21.11.2024.
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