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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

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auf den vollbrachten ersten Feldzug, in aller traum¬
umglänzenden Hoffnung auf neue, weit glorwürdigere,
in aller romantischen Erwartung unerhörter Abentheuer
und Liebesgeschichten. Ich taugte damals nicht viel.
Die rasende Selbstheit des Zeitalters mit ihren thörichten
Schwindeln hielt mich schlimm besessen; es war nur
grade so viel des Rechten und Guten noch in mir wach,
als taugte und nothwendig war zur Aussaat in eine
bessere Zukunft. Ich dichtete auch wenig, und schlecht,
weil ich mir mein Leben selbst zu einem wunderbaren,
höchst prahlenden Epos ausspann, aber eben deßhalb
leuchteten die wirklichen Umgebungen wie goldne Feen¬
schlösser mit Demantengehängen verziert, und, wie ge¬
sagt, ich weiß nicht, ob alles so schön war, als es mir
in der Erinnerung mit hellen Farben aufsteigt, sobald
einer sagte: Frankfurt am Main!" -- Mit welcher Weh¬
muth erfüllt mich der Brief meines Freundes! Wie
ganz anders fühl' ich mich jetzt hier, auch nach meinem
ersten Feldzug, und auch noch jung (morgen werd' ich
fünf und zwanzig Jahr) um nicht des Alters wegen
den süßen Einbildungen glücklicher Lebensgeschicke ent¬
sagen zu müssen! Unwillig von Schmerz und Zorn
ergriffen, ohne Ermunterung irgend einer Art, jeder
begeisterten Stimmung fremd, in stetem Warten ohne
Halt und Ruhe, seh' ich die flüchtigen Tage vorüber¬
gehen. Meine Wünsche für mich selbst sind bescheiden,
aber fast hoffnungslos, ich sehe mich stets auf's neue

auf den vollbrachten erſten Feldzug, in aller traum¬
umglaͤnzenden Hoffnung auf neue, weit glorwuͤrdigere,
in aller romantiſchen Erwartung unerhoͤrter Abentheuer
und Liebesgeſchichten. Ich taugte damals nicht viel.
Die raſende Selbſtheit des Zeitalters mit ihren thoͤrichten
Schwindeln hielt mich ſchlimm beſeſſen; es war nur
grade ſo viel des Rechten und Guten noch in mir wach,
als taugte und nothwendig war zur Ausſaat in eine
beſſere Zukunft. Ich dichtete auch wenig, und ſchlecht,
weil ich mir mein Leben ſelbſt zu einem wunderbaren,
hoͤchſt prahlenden Epos ausſpann, aber eben deßhalb
leuchteten die wirklichen Umgebungen wie goldne Feen¬
ſchloͤſſer mit Demantengehaͤngen verziert, und, wie ge¬
ſagt, ich weiß nicht, ob alles ſo ſchoͤn war, als es mir
in der Erinnerung mit hellen Farben aufſteigt, ſobald
einer ſagte: Frankfurt am Main!“ — Mit welcher Weh¬
muth erfuͤllt mich der Brief meines Freundes! Wie
ganz anders fuͤhl' ich mich jetzt hier, auch nach meinem
erſten Feldzug, und auch noch jung (morgen werd' ich
fuͤnf und zwanzig Jahr) um nicht des Alters wegen
den ſuͤßen Einbildungen gluͤcklicher Lebensgeſchicke ent¬
ſagen zu muͤſſen! Unwillig von Schmerz und Zorn
ergriffen, ohne Ermunterung irgend einer Art, jeder
begeiſterten Stimmung fremd, in ſtetem Warten ohne
Halt und Ruhe, ſeh' ich die fluͤchtigen Tage voruͤber¬
gehen. Meine Wuͤnſche fuͤr mich ſelbſt ſind beſcheiden,
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[162/0174] auf den vollbrachten erſten Feldzug, in aller traum¬ umglaͤnzenden Hoffnung auf neue, weit glorwuͤrdigere, in aller romantiſchen Erwartung unerhoͤrter Abentheuer und Liebesgeſchichten. Ich taugte damals nicht viel. Die raſende Selbſtheit des Zeitalters mit ihren thoͤrichten Schwindeln hielt mich ſchlimm beſeſſen; es war nur grade ſo viel des Rechten und Guten noch in mir wach, als taugte und nothwendig war zur Ausſaat in eine beſſere Zukunft. Ich dichtete auch wenig, und ſchlecht, weil ich mir mein Leben ſelbſt zu einem wunderbaren, hoͤchſt prahlenden Epos ausſpann, aber eben deßhalb leuchteten die wirklichen Umgebungen wie goldne Feen¬ ſchloͤſſer mit Demantengehaͤngen verziert, und, wie ge¬ ſagt, ich weiß nicht, ob alles ſo ſchoͤn war, als es mir in der Erinnerung mit hellen Farben aufſteigt, ſobald einer ſagte: Frankfurt am Main!“ — Mit welcher Weh¬ muth erfuͤllt mich der Brief meines Freundes! Wie ganz anders fuͤhl' ich mich jetzt hier, auch nach meinem erſten Feldzug, und auch noch jung (morgen werd' ich fuͤnf und zwanzig Jahr) um nicht des Alters wegen den ſuͤßen Einbildungen gluͤcklicher Lebensgeſchicke ent¬ ſagen zu muͤſſen! Unwillig von Schmerz und Zorn ergriffen, ohne Ermunterung irgend einer Art, jeder begeiſterten Stimmung fremd, in ſtetem Warten ohne Halt und Ruhe, ſeh' ich die fluͤchtigen Tage voruͤber¬ gehen. Meine Wuͤnſche fuͤr mich ſelbſt ſind beſcheiden, aber faſt hoffnungslos, ich ſehe mich ſtets auf's neue

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/174>, abgerufen am 14.05.2024.