poleon gestürzt worden, wird Stein immer in erster Reihe zu nennen sein. --
Inzwischen erreichte die Zusammenkunft in Dresden ihr Ende, Napoleon eilte seinem schon an die Grenzen Rußlands vorgerücktem Heere nach, und der Kaiser und die Kaiserin von Oesterreich nebst der Kaiserin der Fran¬ zosen kamen nach Prag, wo zu Ehren der geliebten Herrscher und des fremden hohen Gastes alles ein fest¬ liches Ansehen gewann, und der Krieg und alle poli¬ tische Sorge und Befangenheit eine Zeit lang vergessen schien. Der Graf von Metternich strahlte in allen Vor¬ zügen seiner Persönlichkeit, und während er mit hellem Blicke die großen Möglichkeiten, die sich für ganz Eu¬ ropa nunmehr aufschlössen, erfaßte und erwog, die Ver¬ bindungsfäden sorgsam in der Hand hielt und zurecht legte, schien er nur mit heitern und angenehmen Din¬ gen beschäftigt, nur bedacht, die Vorkommenheiten des Tages mit Würde und Anmuth gelassen abzuthun. Ich hatte das Glück, ihn fast jeden Tag zu sehen, und nie werd' ich besonders die herrlichen Abende bei ihm auf dem Hradschin im Pallaste des Fürsten von Lobkowitz vergessen, wo eine kleine Gesellschaft in völliger Unbefan¬ genheit und Gleichheit, die selbst durch die Gegenwart des Großherzogs von Würzburg kaum gestört wurde, sich bis in späte Nacht der anmuthigsten Unterhaltung erfreute, und geistreiches Gespräch mit vortrefflicher Musik abwechselte. Der Kapellmeister Pär, zum Ge¬
poleon geſtuͤrzt worden, wird Stein immer in erſter Reihe zu nennen ſein. —
Inzwiſchen erreichte die Zuſammenkunft in Dresden ihr Ende, Napoleon eilte ſeinem ſchon an die Grenzen Rußlands vorgeruͤcktem Heere nach, und der Kaiſer und die Kaiſerin von Oeſterreich nebſt der Kaiſerin der Fran¬ zoſen kamen nach Prag, wo zu Ehren der geliebten Herrſcher und des fremden hohen Gaſtes alles ein feſt¬ liches Anſehen gewann, und der Krieg und alle poli¬ tiſche Sorge und Befangenheit eine Zeit lang vergeſſen ſchien. Der Graf von Metternich ſtrahlte in allen Vor¬ zuͤgen ſeiner Perſoͤnlichkeit, und waͤhrend er mit hellem Blicke die großen Moͤglichkeiten, die ſich fuͤr ganz Eu¬ ropa nunmehr aufſchloͤſſen, erfaßte und erwog, die Ver¬ bindungsfaͤden ſorgſam in der Hand hielt und zurecht legte, ſchien er nur mit heitern und angenehmen Din¬ gen beſchaͤftigt, nur bedacht, die Vorkommenheiten des Tages mit Wuͤrde und Anmuth gelaſſen abzuthun. Ich hatte das Gluͤck, ihn faſt jeden Tag zu ſehen, und nie werd' ich beſonders die herrlichen Abende bei ihm auf dem Hradſchin im Pallaſte des Fuͤrſten von Lobkowitz vergeſſen, wo eine kleine Geſellſchaft in voͤlliger Unbefan¬ genheit und Gleichheit, die ſelbſt durch die Gegenwart des Großherzogs von Wuͤrzburg kaum geſtoͤrt wurde, ſich bis in ſpaͤte Nacht der anmuthigſten Unterhaltung erfreute, und geiſtreiches Geſpraͤch mit vortrefflicher Muſik abwechſelte. Der Kapellmeiſter Paͤr, zum Ge¬
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[202/0214]
poleon geſtuͤrzt worden, wird Stein immer in erſter
Reihe zu nennen ſein. —
Inzwiſchen erreichte die Zuſammenkunft in Dresden
ihr Ende, Napoleon eilte ſeinem ſchon an die Grenzen
Rußlands vorgeruͤcktem Heere nach, und der Kaiſer und
die Kaiſerin von Oeſterreich nebſt der Kaiſerin der Fran¬
zoſen kamen nach Prag, wo zu Ehren der geliebten
Herrſcher und des fremden hohen Gaſtes alles ein feſt¬
liches Anſehen gewann, und der Krieg und alle poli¬
tiſche Sorge und Befangenheit eine Zeit lang vergeſſen
ſchien. Der Graf von Metternich ſtrahlte in allen Vor¬
zuͤgen ſeiner Perſoͤnlichkeit, und waͤhrend er mit hellem
Blicke die großen Moͤglichkeiten, die ſich fuͤr ganz Eu¬
ropa nunmehr aufſchloͤſſen, erfaßte und erwog, die Ver¬
bindungsfaͤden ſorgſam in der Hand hielt und zurecht
legte, ſchien er nur mit heitern und angenehmen Din¬
gen beſchaͤftigt, nur bedacht, die Vorkommenheiten des
Tages mit Wuͤrde und Anmuth gelaſſen abzuthun. Ich
hatte das Gluͤck, ihn faſt jeden Tag zu ſehen, und nie
werd' ich beſonders die herrlichen Abende bei ihm auf
dem Hradſchin im Pallaſte des Fuͤrſten von Lobkowitz
vergeſſen, wo eine kleine Geſellſchaft in voͤlliger Unbefan¬
genheit und Gleichheit, die ſelbſt durch die Gegenwart
des Großherzogs von Wuͤrzburg kaum geſtoͤrt wurde,
ſich bis in ſpaͤte Nacht der anmuthigſten Unterhaltung
erfreute, und geiſtreiches Geſpraͤch mit vortrefflicher
Muſik abwechſelte. Der Kapellmeiſter Paͤr, zum Ge¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/214>, abgerufen am 21.11.2024.
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