auch ernstlich unsrer Abreise nach Berlin. Dabei stieg indeß nunmehr manches Bedenken auf, an welches früher nicht gedacht worden war. Die Franzosen und ihre dienstbaren Helfer, deren es damals unter den Deutschen leider viele gab, waren endlich auf die Per¬ sonen und Betreibungen, welche von Prag ausgingen, aufmerksam geworden, besonders beunruhigte sie der Kurfürst von Hessen-Kassel, der alles zu unterstützen bereit schien, was im nördlichen Deutschland gegen die Franzosen unternommen werden mochte. Die franzö¬ sische Heeresmacht verlor sich in immer größere Ferne, im Rücken lagen große Landstriche fast entblößt, der Einbruch einer kleinen feindlichen Schaar konnte die größte Verwirrung anrichten. Man hatte die kühnen Züge Schill's, des Herzogs von Braunschweig-Oels, den Streifzug des Lieutenants von Katt, den Aufruhr¬ versuch des westphälischen Obersten von Dörnberg, noch in gutem Andenken. Unter diesen Umständen wurden die französischen Gesandtschaften, die Polizei- und Kriegs¬ beamten, zu größter Wachsamkeit und Strenge ange¬ wiesen; der Mittelpunkt aber aller polizeilichen Aufsicht für das ganze nördliche Deutschland war der Graf d'Aubignosc in Hamburg, mit welchem die Behörden in Dresden und Berlin fleißige Verbindung unterhiel¬ ten. Pfuel hatte sich zuerst aufgemacht und Prag ver¬ lassen. Sein Ziel war Rußland, aber der Weg, den Stein noch hatte nehmen können, war jetzt verschlossen,
auch ernſtlich unſrer Abreiſe nach Berlin. Dabei ſtieg indeß nunmehr manches Bedenken auf, an welches fruͤher nicht gedacht worden war. Die Franzoſen und ihre dienſtbaren Helfer, deren es damals unter den Deutſchen leider viele gab, waren endlich auf die Per¬ ſonen und Betreibungen, welche von Prag ausgingen, aufmerkſam geworden, beſonders beunruhigte ſie der Kurfuͤrſt von Heſſen-Kaſſel, der alles zu unterſtuͤtzen bereit ſchien, was im noͤrdlichen Deutſchland gegen die Franzoſen unternommen werden mochte. Die franzoͤ¬ ſiſche Heeresmacht verlor ſich in immer groͤßere Ferne, im Ruͤcken lagen große Landſtriche faſt entbloͤßt, der Einbruch einer kleinen feindlichen Schaar konnte die groͤßte Verwirrung anrichten. Man hatte die kuͤhnen Zuͤge Schill's, des Herzogs von Braunſchweig-Oels, den Streifzug des Lieutenants von Katt, den Aufruhr¬ verſuch des weſtphaͤliſchen Oberſten von Doͤrnberg, noch in gutem Andenken. Unter dieſen Umſtaͤnden wurden die franzoͤſiſchen Geſandtſchaften, die Polizei- und Kriegs¬ beamten, zu groͤßter Wachſamkeit und Strenge ange¬ wieſen; der Mittelpunkt aber aller polizeilichen Aufſicht fuͤr das ganze noͤrdliche Deutſchland war der Graf d'Aubignosc in Hamburg, mit welchem die Behoͤrden in Dresden und Berlin fleißige Verbindung unterhiel¬ ten. Pfuel hatte ſich zuerſt aufgemacht und Prag ver¬ laſſen. Sein Ziel war Rußland, aber der Weg, den Stein noch hatte nehmen koͤnnen, war jetzt verſchloſſen,
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auch ernſtlich unſrer Abreiſe nach Berlin. Dabei ſtieg
indeß nunmehr manches Bedenken auf, an welches
fruͤher nicht gedacht worden war. Die Franzoſen und
ihre dienſtbaren Helfer, deren es damals unter den
Deutſchen leider viele gab, waren endlich auf die Per¬
ſonen und Betreibungen, welche von Prag ausgingen,
aufmerkſam geworden, beſonders beunruhigte ſie der
Kurfuͤrſt von Heſſen-Kaſſel, der alles zu unterſtuͤtzen
bereit ſchien, was im noͤrdlichen Deutſchland gegen die
Franzoſen unternommen werden mochte. Die franzoͤ¬
ſiſche Heeresmacht verlor ſich in immer groͤßere Ferne,
im Ruͤcken lagen große Landſtriche faſt entbloͤßt, der
Einbruch einer kleinen feindlichen Schaar konnte die
groͤßte Verwirrung anrichten. Man hatte die kuͤhnen
Zuͤge Schill's, des Herzogs von Braunſchweig-Oels,
den Streifzug des Lieutenants von Katt, den Aufruhr¬
verſuch des weſtphaͤliſchen Oberſten von Doͤrnberg, noch
in gutem Andenken. Unter dieſen Umſtaͤnden wurden
die franzoͤſiſchen Geſandtſchaften, die Polizei- und Kriegs¬
beamten, zu groͤßter Wachſamkeit und Strenge ange¬
wieſen; der Mittelpunkt aber aller polizeilichen Aufſicht
fuͤr das ganze noͤrdliche Deutſchland war der Graf
d'Aubignosc in Hamburg, mit welchem die Behoͤrden
in Dresden und Berlin fleißige Verbindung unterhiel¬
ten. Pfuel hatte ſich zuerſt aufgemacht und Prag ver¬
laſſen. Sein Ziel war Rußland, aber der Weg, den
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/219>, abgerufen am 21.11.2024.
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