und ihm blieb nur der größere Umweg über Dänemark und Schweden. Ernst und schweigsam, hatte er sein Vorhaben nicht unnöthig mitgetheilt, und suchte dasselbe mit größter Klugheit auszuführen. Aber schon war er jenen Behörden verkundschaftet. Durch kluge List ent¬ kam er in Hamburg den Nachstellungen des Grafen d'Aubignosc, der ihn aber um so sicherer in Kopenha¬ gen zu fangen meinte, und deßhalb einen Befehl dort¬ hin ergehen ließ. Psuel traf zwar früher als dieser dort ein, aber die Weiterreise war ohne neue Paßun¬ terschrift unmöglich, und diese zu erlangen, bedurfte es der wenigen Stunden, die er als Vorsprung über sei¬ nen Verfolger gewonnen hatte. Die köstliche Zeit ver¬ strich, und schon war er entschlossen, das Wagestück zu unternehmen, sich in den Sund zu werfen und so die schwedische Küste schwimmend zu erreichen, als sein Freund, der österreichische Gesandte von Buol, den er mitten in der Nacht aufstörte, noch im letzten Augen¬ blick Mittel fand, ihm die Paßunterschrift vor Tages¬ anbruch zu verschaffen, worauf er sich bei Helsingör einschiffte, und schon mit gutem Winde die Wogen durchschnitt, als der nacheilende Verhaftbefehl ankam. Dieser Vorgang, welcher uns in der Hauptsache sogleich bekannt wurde, gab uns viel zu denken, besonders weil wir befürchten mußten, daß derselbe Verrath, der ihn betroffen, auch uns nicht verschonen werde. Dieser Verrath, falls eine spätere Vermuthung sich bestätigt
und ihm blieb nur der groͤßere Umweg uͤber Daͤnemark und Schweden. Ernſt und ſchweigſam, hatte er ſein Vorhaben nicht unnoͤthig mitgetheilt, und ſuchte daſſelbe mit groͤßter Klugheit auszufuͤhren. Aber ſchon war er jenen Behoͤrden verkundſchaftet. Durch kluge Liſt ent¬ kam er in Hamburg den Nachſtellungen des Grafen d'Aubignosc, der ihn aber um ſo ſicherer in Kopenha¬ gen zu fangen meinte, und deßhalb einen Befehl dort¬ hin ergehen ließ. Pſuel traf zwar fruͤher als dieſer dort ein, aber die Weiterreiſe war ohne neue Paßun¬ terſchrift unmoͤglich, und dieſe zu erlangen, bedurfte es der wenigen Stunden, die er als Vorſprung uͤber ſei¬ nen Verfolger gewonnen hatte. Die koͤſtliche Zeit ver¬ ſtrich, und ſchon war er entſchloſſen, das Wageſtuͤck zu unternehmen, ſich in den Sund zu werfen und ſo die ſchwediſche Kuͤſte ſchwimmend zu erreichen, als ſein Freund, der oͤſterreichiſche Geſandte von Buol, den er mitten in der Nacht aufſtoͤrte, noch im letzten Augen¬ blick Mittel fand, ihm die Paßunterſchrift vor Tages¬ anbruch zu verſchaffen, worauf er ſich bei Helſingoͤr einſchiffte, und ſchon mit gutem Winde die Wogen durchſchnitt, als der nacheilende Verhaftbefehl ankam. Dieſer Vorgang, welcher uns in der Hauptſache ſogleich bekannt wurde, gab uns viel zu denken, beſonders weil wir befuͤrchten mußten, daß derſelbe Verrath, der ihn betroffen, auch uns nicht verſchonen werde. Dieſer Verrath, falls eine ſpaͤtere Vermuthung ſich beſtaͤtigt
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[208/0220]
und ihm blieb nur der groͤßere Umweg uͤber Daͤnemark
und Schweden. Ernſt und ſchweigſam, hatte er ſein
Vorhaben nicht unnoͤthig mitgetheilt, und ſuchte daſſelbe
mit groͤßter Klugheit auszufuͤhren. Aber ſchon war er
jenen Behoͤrden verkundſchaftet. Durch kluge Liſt ent¬
kam er in Hamburg den Nachſtellungen des Grafen
d'Aubignosc, der ihn aber um ſo ſicherer in Kopenha¬
gen zu fangen meinte, und deßhalb einen Befehl dort¬
hin ergehen ließ. Pſuel traf zwar fruͤher als dieſer
dort ein, aber die Weiterreiſe war ohne neue Paßun¬
terſchrift unmoͤglich, und dieſe zu erlangen, bedurfte es
der wenigen Stunden, die er als Vorſprung uͤber ſei¬
nen Verfolger gewonnen hatte. Die koͤſtliche Zeit ver¬
ſtrich, und ſchon war er entſchloſſen, das Wageſtuͤck zu
unternehmen, ſich in den Sund zu werfen und ſo die
ſchwediſche Kuͤſte ſchwimmend zu erreichen, als ſein
Freund, der oͤſterreichiſche Geſandte von Buol, den er
mitten in der Nacht aufſtoͤrte, noch im letzten Augen¬
blick Mittel fand, ihm die Paßunterſchrift vor Tages¬
anbruch zu verſchaffen, worauf er ſich bei Helſingoͤr
einſchiffte, und ſchon mit gutem Winde die Wogen
durchſchnitt, als der nacheilende Verhaftbefehl ankam.
Dieſer Vorgang, welcher uns in der Hauptſache ſogleich
bekannt wurde, gab uns viel zu denken, beſonders weil
wir befuͤrchten mußten, daß derſelbe Verrath, der ihn
betroffen, auch uns nicht verſchonen werde. Dieſer
Verrath, falls eine ſpaͤtere Vermuthung ſich beſtaͤtigt
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/220>, abgerufen am 21.11.2024.
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