Stadt öffentlich verkündigt. Neue Abgeordnete wur¬ den an Tettenborn gesandt, um ihn von dem Gesche¬ henen zu benachrichtigen; diese erst erkannte er als wahre Hamburger an, und versprach ihnen seines Kai¬ sers Schutz und Beistand.
Am Mittage des 18. März hielt Tettenborn seinen Einzug in die Stadt. Nie gab es ein größeres Fest; das ganze Dasein einer ungeheuern Bevölkerung verlor sich in das Eine Gefühl der wiederkehrenden Freiheit, und alles Gewicht der Erinnerung vieljährigen Unglücks und Leidens fiel an diesem Tage von den aufgerichte¬ ten Gemüthern ab. Aus allen Tiefen, wohin er sich hatte verbergen müssen, drang der Ausdruck der wah¬ ren, langverhaltenen Empfindungen mächtig hervor, und wurde zum lauten Ruf der Begeisterung. Solche Lei¬ denschaft und Herzensgewalt, wie in diesem Volksjubel sich offenbarte, hatte keiner der Anwesenden je gesehn, noch den Deutschen als möglich zugetraut. Jeder auch minder bedeutende Umstand dieses Tages wurde durch die unaussprechliche Innigkeit und Liebe, welche alles durchdrang, rührend und groß. Bis zwei Meilen von Hamburg waren dreißig Bürger zu Pferde den russi¬ schen Truppen entgegengekommen, und zogen sodann mit lautem Jubel vor ihnen her, um sie in ihre Stadt einzuführen. Je näher man dieser kam, desto ansehn¬ licher wurde die Schaar dieser Begleiter, desto lauter und begeisterter tönte ihr unaufhörlich erneuertes Hur¬
Stadt oͤffentlich verkuͤndigt. Neue Abgeordnete wur¬ den an Tettenborn geſandt, um ihn von dem Geſche¬ henen zu benachrichtigen; dieſe erſt erkannte er als wahre Hamburger an, und verſprach ihnen ſeines Kai¬ ſers Schutz und Beiſtand.
Am Mittage des 18. Maͤrz hielt Tettenborn ſeinen Einzug in die Stadt. Nie gab es ein groͤßeres Feſt; das ganze Daſein einer ungeheuern Bevoͤlkerung verlor ſich in das Eine Gefuͤhl der wiederkehrenden Freiheit, und alles Gewicht der Erinnerung vieljaͤhrigen Ungluͤcks und Leidens fiel an dieſem Tage von den aufgerichte¬ ten Gemuͤthern ab. Aus allen Tiefen, wohin er ſich hatte verbergen muͤſſen, drang der Ausdruck der wah¬ ren, langverhaltenen Empfindungen maͤchtig hervor, und wurde zum lauten Ruf der Begeiſterung. Solche Lei¬ denſchaft und Herzensgewalt, wie in dieſem Volksjubel ſich offenbarte, hatte keiner der Anweſenden je geſehn, noch den Deutſchen als moͤglich zugetraut. Jeder auch minder bedeutende Umſtand dieſes Tages wurde durch die unausſprechliche Innigkeit und Liebe, welche alles durchdrang, ruͤhrend und groß. Bis zwei Meilen von Hamburg waren dreißig Buͤrger zu Pferde den ruſſi¬ ſchen Truppen entgegengekommen, und zogen ſodann mit lautem Jubel vor ihnen her, um ſie in ihre Stadt einzufuͤhren. Je naͤher man dieſer kam, deſto anſehn¬ licher wurde die Schaar dieſer Begleiter, deſto lauter und begeiſterter toͤnte ihr unaufhoͤrlich erneuertes Hur¬
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Stadt oͤffentlich verkuͤndigt. Neue Abgeordnete wur¬
den an Tettenborn geſandt, um ihn von dem Geſche¬
henen zu benachrichtigen; dieſe erſt erkannte er als
wahre Hamburger an, und verſprach ihnen ſeines Kai¬
ſers Schutz und Beiſtand.
Am Mittage des 18. Maͤrz hielt Tettenborn ſeinen
Einzug in die Stadt. Nie gab es ein groͤßeres Feſt;
das ganze Daſein einer ungeheuern Bevoͤlkerung verlor
ſich in das Eine Gefuͤhl der wiederkehrenden Freiheit,
und alles Gewicht der Erinnerung vieljaͤhrigen Ungluͤcks
und Leidens fiel an dieſem Tage von den aufgerichte¬
ten Gemuͤthern ab. Aus allen Tiefen, wohin er ſich
hatte verbergen muͤſſen, drang der Ausdruck der wah¬
ren, langverhaltenen Empfindungen maͤchtig hervor, und
wurde zum lauten Ruf der Begeiſterung. Solche Lei¬
denſchaft und Herzensgewalt, wie in dieſem Volksjubel
ſich offenbarte, hatte keiner der Anweſenden je geſehn,
noch den Deutſchen als moͤglich zugetraut. Jeder auch
minder bedeutende Umſtand dieſes Tages wurde durch
die unausſprechliche Innigkeit und Liebe, welche alles
durchdrang, ruͤhrend und groß. Bis zwei Meilen von
Hamburg waren dreißig Buͤrger zu Pferde den ruſſi¬
ſchen Truppen entgegengekommen, und zogen ſodann
mit lautem Jubel vor ihnen her, um ſie in ihre Stadt
einzufuͤhren. Je naͤher man dieſer kam, deſto anſehn¬
licher wurde die Schaar dieſer Begleiter, deſto lauter
und begeiſterter toͤnte ihr unaufhoͤrlich erneuertes Hur¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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