geblich sein, so lange nicht der Senat erneuert wurde, eine Maßregel, die niemand vorzuschlagen eilte, und deren Ausführung allerdings viel Mißliches haben mochte. Es war also eine Regierung vorhanden, die wenig von dem erfüllte, was man von ihr erwartete. Der rus¬ sische Befehlshaber mußte sie anerkennen, sich an sie wenden, mit ihr verhandeln, mittlerweile selbst alles befehlen und einrichten, was von ihr hätte ausgehen sollen. Wenn bei manchen Dingen hinreichend ist, daß man sie geschehen mache, gleichviel, ob gern oder un¬ gern, so giebt es dagegen unendlich viele, bei denen ohne den persönlichen guten Willen und Eifer des Aus¬ übenden nichts erreicht wird. Es ist unmöglich, den Menschen das Innere zu befehlen, und grade das In¬ nere nur konnte hier wirken, grade die freie Neigung und Kraft mußte die hier obliegenden Arbeiten verrich¬ ten helfen, um ihr Gelingen möglich zu machen. Statt dessen ergab sich, so oft mit den Behörden zu unter¬ handeln war, Beschwerde, Verdruß, Unordnung und Unzulänglichkeit, ja selbst hin und wieder, doch zur Ehre der Stadt sei es gesagt, selten, ausdrücklich und unverkennbar übler Wille. Diese Mühseligkeiten und Hindernisse erfuhren nicht allein die fremden Militair¬ personen, sondern auch die trefflichen Bürger, die mit lebhafterem Eifer sich das Wohl des Ganzen angelegen sein ließen, und hiebei nicht ohne Gesetzmäßigkeit wir¬ ken wollten. So geschah es, daß die ganze Stadt,
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geblich ſein, ſo lange nicht der Senat erneuert wurde, eine Maßregel, die niemand vorzuſchlagen eilte, und deren Ausfuͤhrung allerdings viel Mißliches haben mochte. Es war alſo eine Regierung vorhanden, die wenig von dem erfuͤllte, was man von ihr erwartete. Der ruſ¬ ſiſche Befehlshaber mußte ſie anerkennen, ſich an ſie wenden, mit ihr verhandeln, mittlerweile ſelbſt alles befehlen und einrichten, was von ihr haͤtte ausgehen ſollen. Wenn bei manchen Dingen hinreichend iſt, daß man ſie geſchehen mache, gleichviel, ob gern oder un¬ gern, ſo giebt es dagegen unendlich viele, bei denen ohne den perſoͤnlichen guten Willen und Eifer des Aus¬ uͤbenden nichts erreicht wird. Es iſt unmoͤglich, den Menſchen das Innere zu befehlen, und grade das In¬ nere nur konnte hier wirken, grade die freie Neigung und Kraft mußte die hier obliegenden Arbeiten verrich¬ ten helfen, um ihr Gelingen moͤglich zu machen. Statt deſſen ergab ſich, ſo oft mit den Behoͤrden zu unter¬ handeln war, Beſchwerde, Verdruß, Unordnung und Unzulaͤnglichkeit, ja ſelbſt hin und wieder, doch zur Ehre der Stadt ſei es geſagt, ſelten, ausdruͤcklich und unverkennbar uͤbler Wille. Dieſe Muͤhſeligkeiten und Hinderniſſe erfuhren nicht allein die fremden Militair¬ perſonen, ſondern auch die trefflichen Buͤrger, die mit lebhafterem Eifer ſich das Wohl des Ganzen angelegen ſein ließen, und hiebei nicht ohne Geſetzmaͤßigkeit wir¬ ken wollten. So geſchah es, daß die ganze Stadt,
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geblich ſein, ſo lange nicht der Senat erneuert wurde,
eine Maßregel, die niemand vorzuſchlagen eilte, und
deren Ausfuͤhrung allerdings viel Mißliches haben mochte.
Es war alſo eine Regierung vorhanden, die wenig von
dem erfuͤllte, was man von ihr erwartete. Der ruſ¬
ſiſche Befehlshaber mußte ſie anerkennen, ſich an ſie
wenden, mit ihr verhandeln, mittlerweile ſelbſt alles
befehlen und einrichten, was von ihr haͤtte ausgehen
ſollen. Wenn bei manchen Dingen hinreichend iſt, daß
man ſie geſchehen mache, gleichviel, ob gern oder un¬
gern, ſo giebt es dagegen unendlich viele, bei denen
ohne den perſoͤnlichen guten Willen und Eifer des Aus¬
uͤbenden nichts erreicht wird. Es iſt unmoͤglich, den
Menſchen das Innere zu befehlen, und grade das In¬
nere nur konnte hier wirken, grade die freie Neigung
und Kraft mußte die hier obliegenden Arbeiten verrich¬
ten helfen, um ihr Gelingen moͤglich zu machen. Statt
deſſen ergab ſich, ſo oft mit den Behoͤrden zu unter¬
handeln war, Beſchwerde, Verdruß, Unordnung und
Unzulaͤnglichkeit, ja ſelbſt hin und wieder, doch zur
Ehre der Stadt ſei es geſagt, ſelten, ausdruͤcklich und
unverkennbar uͤbler Wille. Dieſe Muͤhſeligkeiten und
Hinderniſſe erfuhren nicht allein die fremden Militair¬
perſonen, ſondern auch die trefflichen Buͤrger, die mit
lebhafterem Eifer ſich das Wohl des Ganzen angelegen
ſein ließen, und hiebei nicht ohne Geſetzmaͤßigkeit wir¬
ken wollten. So geſchah es, daß die ganze Stadt,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/287>, abgerufen am 24.11.2024.
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