versehn mußten, ohne Mitwirkung und Hülfleistung dazu bestimmter Beamten. Der nichtswürdigsten Verräther, die das öffentliche Urtheil einstimmig als solche bezeich¬ nete, waren eine große Anzahl vorhanden, vornehme und geringe, arme und reiche; gefährlicher noch mußten die versteckten sein, deren Treiben weniger bekannt ge¬ worden war. Die Untersuchung der auf mancherlei Angebungen verhafteten Personen nahm viele Zeit weg, war mühsam und blieb doch meistentheils ungenügend. Die entschiednen Schelme, Kundschafter und Knechte der Franzosen, die schändlichen Werkzeuge ihrer Erpres¬ sungen, wurden, höherem Befehl gemäß, auf dessen strenge Ausführung besonders der Minister vom Stein im Hauptquartier des russischen Kaisers unerbittlich be¬ stand, zur Aussetzung an der französischen Küste be¬ stimmt. Manche gaben zwar vor, dort ihren gewissen Tod zu finden, weil auch die französische Regierung sie als Feinde verfolge; andre wollten ihren Haß gegen Napoleon jetzt durch die größten Schmähungen dar¬ thun; französische Emigranten, die sich den Gewaltha¬ bern Napoleon's zu den niedrigsten Diensten verkauft hatten, meinten eiligst ihre adliche Geburt und royali¬ stische Gesinnung wieder geltend zu machen; Stein aber wollte von keinen Rücksichten hören, keine Unterschiede, ja kaum eine genaue Prüfung gestatten. Ungefähr dreißig Personen wurden wirklich eingeschifft und an der holländischen Küste gelandet. Allein schon die zweite
verſehn mußten, ohne Mitwirkung und Huͤlfleiſtung dazu beſtimmter Beamten. Der nichtswuͤrdigſten Verraͤther, die das oͤffentliche Urtheil einſtimmig als ſolche bezeich¬ nete, waren eine große Anzahl vorhanden, vornehme und geringe, arme und reiche; gefaͤhrlicher noch mußten die verſteckten ſein, deren Treiben weniger bekannt ge¬ worden war. Die Unterſuchung der auf mancherlei Angebungen verhafteten Perſonen nahm viele Zeit weg, war muͤhſam und blieb doch meiſtentheils ungenuͤgend. Die entſchiednen Schelme, Kundſchafter und Knechte der Franzoſen, die ſchaͤndlichen Werkzeuge ihrer Erpreſ¬ ſungen, wurden, hoͤherem Befehl gemaͤß, auf deſſen ſtrenge Ausfuͤhrung beſonders der Miniſter vom Stein im Hauptquartier des ruſſiſchen Kaiſers unerbittlich be¬ ſtand, zur Ausſetzung an der franzoͤſiſchen Kuͤſte be¬ ſtimmt. Manche gaben zwar vor, dort ihren gewiſſen Tod zu finden, weil auch die franzoͤſiſche Regierung ſie als Feinde verfolge; andre wollten ihren Haß gegen Napoleon jetzt durch die groͤßten Schmaͤhungen dar¬ thun; franzoͤſiſche Emigranten, die ſich den Gewaltha¬ bern Napoleon's zu den niedrigſten Dienſten verkauft hatten, meinten eiligſt ihre adliche Geburt und royali¬ ſtiſche Geſinnung wieder geltend zu machen; Stein aber wollte von keinen Ruͤckſichten hoͤren, keine Unterſchiede, ja kaum eine genaue Pruͤfung geſtatten. Ungefaͤhr dreißig Perſonen wurden wirklich eingeſchifft und an der hollaͤndiſchen Kuͤſte gelandet. Allein ſchon die zweite
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0292"n="280"/>
verſehn mußten, ohne Mitwirkung und Huͤlfleiſtung dazu<lb/>
beſtimmter Beamten. Der nichtswuͤrdigſten Verraͤther,<lb/>
die das oͤffentliche Urtheil einſtimmig als ſolche bezeich¬<lb/>
nete, waren eine große Anzahl vorhanden, vornehme<lb/>
und geringe, arme und reiche; gefaͤhrlicher noch mußten<lb/>
die verſteckten ſein, deren Treiben weniger bekannt ge¬<lb/>
worden war. Die Unterſuchung der auf mancherlei<lb/>
Angebungen verhafteten Perſonen nahm viele Zeit weg,<lb/>
war muͤhſam und blieb doch meiſtentheils ungenuͤgend.<lb/>
Die entſchiednen Schelme, Kundſchafter und Knechte<lb/>
der Franzoſen, die ſchaͤndlichen Werkzeuge ihrer Erpreſ¬<lb/>ſungen, wurden, hoͤherem Befehl gemaͤß, auf deſſen<lb/>ſtrenge Ausfuͤhrung beſonders der Miniſter vom Stein<lb/>
im Hauptquartier des ruſſiſchen Kaiſers unerbittlich be¬<lb/>ſtand, zur Ausſetzung an der franzoͤſiſchen Kuͤſte be¬<lb/>ſtimmt. Manche gaben zwar vor, dort ihren gewiſſen<lb/>
Tod zu finden, weil auch die franzoͤſiſche Regierung<lb/>ſie als Feinde verfolge; andre wollten ihren Haß gegen<lb/>
Napoleon jetzt durch die groͤßten Schmaͤhungen dar¬<lb/>
thun; franzoͤſiſche Emigranten, die ſich den Gewaltha¬<lb/>
bern Napoleon's zu den niedrigſten Dienſten verkauft<lb/>
hatten, meinten eiligſt ihre adliche Geburt und royali¬<lb/>ſtiſche Geſinnung wieder geltend zu machen; Stein aber<lb/>
wollte von keinen Ruͤckſichten hoͤren, keine Unterſchiede,<lb/>
ja kaum eine genaue Pruͤfung geſtatten. Ungefaͤhr<lb/>
dreißig Perſonen wurden wirklich eingeſchifft und an<lb/>
der hollaͤndiſchen Kuͤſte gelandet. Allein ſchon die zweite<lb/></p></div></body></text></TEI>
[280/0292]
verſehn mußten, ohne Mitwirkung und Huͤlfleiſtung dazu
beſtimmter Beamten. Der nichtswuͤrdigſten Verraͤther,
die das oͤffentliche Urtheil einſtimmig als ſolche bezeich¬
nete, waren eine große Anzahl vorhanden, vornehme
und geringe, arme und reiche; gefaͤhrlicher noch mußten
die verſteckten ſein, deren Treiben weniger bekannt ge¬
worden war. Die Unterſuchung der auf mancherlei
Angebungen verhafteten Perſonen nahm viele Zeit weg,
war muͤhſam und blieb doch meiſtentheils ungenuͤgend.
Die entſchiednen Schelme, Kundſchafter und Knechte
der Franzoſen, die ſchaͤndlichen Werkzeuge ihrer Erpreſ¬
ſungen, wurden, hoͤherem Befehl gemaͤß, auf deſſen
ſtrenge Ausfuͤhrung beſonders der Miniſter vom Stein
im Hauptquartier des ruſſiſchen Kaiſers unerbittlich be¬
ſtand, zur Ausſetzung an der franzoͤſiſchen Kuͤſte be¬
ſtimmt. Manche gaben zwar vor, dort ihren gewiſſen
Tod zu finden, weil auch die franzoͤſiſche Regierung
ſie als Feinde verfolge; andre wollten ihren Haß gegen
Napoleon jetzt durch die groͤßten Schmaͤhungen dar¬
thun; franzoͤſiſche Emigranten, die ſich den Gewaltha¬
bern Napoleon's zu den niedrigſten Dienſten verkauft
hatten, meinten eiligſt ihre adliche Geburt und royali¬
ſtiſche Geſinnung wieder geltend zu machen; Stein aber
wollte von keinen Ruͤckſichten hoͤren, keine Unterſchiede,
ja kaum eine genaue Pruͤfung geſtatten. Ungefaͤhr
dreißig Perſonen wurden wirklich eingeſchifft und an
der hollaͤndiſchen Kuͤſte gelandet. Allein ſchon die zweite
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/292>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.