Sendung unterblieb, und nach dem ersten Schrecken regte sich der französische Anhang nur um so thätiger, wie denn bald der Feind von allem, was vorging, die schnellste Kundschaft empfing. Die größte Strenge, der furchtbarste Schrecken wäre hier vonnöthen gewe¬ sen, um das Uebel auszurotten, und selbst blutige Schauspiele hätte man nicht tadeln können. Aber man fing schon an, eine mögliche Umkehr der Dinge zu berücksichtigen; man wollte nicht künftige Rache her¬ ausfordern, berief sich auf Menschlichkeit und Gro߬ muth, und erlangte von dem Kaiser Alexander die Zurücknahme der anbefohlnen Strenge. Nicht zu be¬ rechnen ist, wieviel die Gelindigkeit, welche darauf in allen Maßregeln eintrat, der hamburgischen Sache ge¬ schadet hat. Nachdrückliches Verfahren versichert die Gemüther und beruhiget den Geist; und um der Gu¬ ten willen mehr, als wegen der Schlechten, ist in Staatssachen beharrliche Strenge nützlich. Die Sache Hamburgs aber erforderte unnachlassende Kraft, ge¬ schlossene, unerdringliche Festigkeit; jede Lücke, jede Weichheit öffnete dem Feinde den Eintritt. So geschah es auch hier. Der Eifer der Untergeordneten ward irr und erschlaffte, sobald er von obenher geringern Ernst zu sehen meinte. Viele sonst wohlgesinnte Männer, den Zustand des Kriegs und der Empörung, in dem sie sich befanden, verkennend, wollten schon überall den
Sendung unterblieb, und nach dem erſten Schrecken regte ſich der franzoͤſiſche Anhang nur um ſo thaͤtiger, wie denn bald der Feind von allem, was vorging, die ſchnellſte Kundſchaft empfing. Die groͤßte Strenge, der furchtbarſte Schrecken waͤre hier vonnoͤthen gewe¬ ſen, um das Uebel auszurotten, und ſelbſt blutige Schauſpiele haͤtte man nicht tadeln koͤnnen. Aber man fing ſchon an, eine moͤgliche Umkehr der Dinge zu beruͤckſichtigen; man wollte nicht kuͤnftige Rache her¬ ausfordern, berief ſich auf Menſchlichkeit und Gro߬ muth, und erlangte von dem Kaiſer Alexander die Zuruͤcknahme der anbefohlnen Strenge. Nicht zu be¬ rechnen iſt, wieviel die Gelindigkeit, welche darauf in allen Maßregeln eintrat, der hamburgiſchen Sache ge¬ ſchadet hat. Nachdruͤckliches Verfahren verſichert die Gemuͤther und beruhiget den Geiſt; und um der Gu¬ ten willen mehr, als wegen der Schlechten, iſt in Staatsſachen beharrliche Strenge nuͤtzlich. Die Sache Hamburgs aber erforderte unnachlaſſende Kraft, ge¬ ſchloſſene, unerdringliche Feſtigkeit; jede Luͤcke, jede Weichheit oͤffnete dem Feinde den Eintritt. So geſchah es auch hier. Der Eifer der Untergeordneten ward irr und erſchlaffte, ſobald er von obenher geringern Ernſt zu ſehen meinte. Viele ſonſt wohlgeſinnte Maͤnner, den Zuſtand des Kriegs und der Empoͤrung, in dem ſie ſich befanden, verkennend, wollten ſchon uͤberall den
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Sendung unterblieb, und nach dem erſten Schrecken
regte ſich der franzoͤſiſche Anhang nur um ſo thaͤtiger,
wie denn bald der Feind von allem, was vorging, die
ſchnellſte Kundſchaft empfing. Die groͤßte Strenge,
der furchtbarſte Schrecken waͤre hier vonnoͤthen gewe¬
ſen, um das Uebel auszurotten, und ſelbſt blutige
Schauſpiele haͤtte man nicht tadeln koͤnnen. Aber man
fing ſchon an, eine moͤgliche Umkehr der Dinge zu
beruͤckſichtigen; man wollte nicht kuͤnftige Rache her¬
ausfordern, berief ſich auf Menſchlichkeit und Gro߬
muth, und erlangte von dem Kaiſer Alexander die
Zuruͤcknahme der anbefohlnen Strenge. Nicht zu be¬
rechnen iſt, wieviel die Gelindigkeit, welche darauf in
allen Maßregeln eintrat, der hamburgiſchen Sache ge¬
ſchadet hat. Nachdruͤckliches Verfahren verſichert die
Gemuͤther und beruhiget den Geiſt; und um der Gu¬
ten willen mehr, als wegen der Schlechten, iſt in
Staatsſachen beharrliche Strenge nuͤtzlich. Die Sache
Hamburgs aber erforderte unnachlaſſende Kraft, ge¬
ſchloſſene, unerdringliche Feſtigkeit; jede Luͤcke, jede
Weichheit oͤffnete dem Feinde den Eintritt. So geſchah
es auch hier. Der Eifer der Untergeordneten ward irr
und erſchlaffte, ſobald er von obenher geringern Ernſt
zu ſehen meinte. Viele ſonſt wohlgeſinnte Maͤnner,
den Zuſtand des Kriegs und der Empoͤrung, in dem
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/293>, abgerufen am 24.11.2024.
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