Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite


stellten jede Auszahlung, oft der dringendsten Bedürf¬
nisse, vorsichtig ein, bis man nach und nach einiger¬
maßen erkannte, wie unwirksam und nichtsbedeutend
oft die heftigsten Kanonaden sind.

Das Vertrauen der Einsichtigern sank noch mehr,
als die Nachrichten aus Sachsen nur ein langsames
Vorrücken der verbündeten Heere, und bald eine blu¬
tige Schlacht meldeten, die zwar als ein Sieg ver¬
kündet wurde, aber doch das Zurückgehen der Sieger
zur Folge hatte. Verbunden mit diesen Nachrichten
wirkte die Thatsache, daß der schon bis Bremen zu¬
rückgedrängt gewesene Feind wieder im Angesichte von
Hamburg stand, verwirrend und niederschlagend. Man
wußte, daß Rußland und Preußen thätig mit Oester¬
reich unterhandelten, und alle Hoffnung hatten, das
Bündniß gegen Napoleon durch diese Macht verstärkt
zu sehen. Allein bis zur Ungeduld ermüdete das Zö¬
gern, welches inzwischen alle Unternehmungen traf;
man begriff die Nachsicht und Schonung nicht, welche
hinsichtlich des Beitritts von Sachsen Statt fand, und
man klagte laut, daß selbst die Aufrufe und Anreden
an Volk und Truppen, früher so reichlich ausgetheilt,
jetzt verstummten. Die Unterhandlungen schienen sich
verderblich zu durchkreuzen; die Führung der Heere
glaubte man, wenn sie auch in guten Händen sei, doch
wieder in allen den Hindernissen befangen, durch welche
so oft die gemeinsamen Unternehmungen vereitelt wor¬


ſtellten jede Auszahlung, oft der dringendſten Beduͤrf¬
niſſe, vorſichtig ein, bis man nach und nach einiger¬
maßen erkannte, wie unwirkſam und nichtsbedeutend
oft die heftigſten Kanonaden ſind.

Das Vertrauen der Einſichtigern ſank noch mehr,
als die Nachrichten aus Sachſen nur ein langſames
Vorruͤcken der verbuͤndeten Heere, und bald eine blu¬
tige Schlacht meldeten, die zwar als ein Sieg ver¬
kuͤndet wurde, aber doch das Zuruͤckgehen der Sieger
zur Folge hatte. Verbunden mit dieſen Nachrichten
wirkte die Thatſache, daß der ſchon bis Bremen zu¬
ruͤckgedraͤngt geweſene Feind wieder im Angeſichte von
Hamburg ſtand, verwirrend und niederſchlagend. Man
wußte, daß Rußland und Preußen thaͤtig mit Oeſter¬
reich unterhandelten, und alle Hoffnung hatten, das
Buͤndniß gegen Napoleon durch dieſe Macht verſtaͤrkt
zu ſehen. Allein bis zur Ungeduld ermuͤdete das Zoͤ¬
gern, welches inzwiſchen alle Unternehmungen traf;
man begriff die Nachſicht und Schonung nicht, welche
hinſichtlich des Beitritts von Sachſen Statt fand, und
man klagte laut, daß ſelbſt die Aufrufe und Anreden
an Volk und Truppen, fruͤher ſo reichlich ausgetheilt,
jetzt verſtummten. Die Unterhandlungen ſchienen ſich
verderblich zu durchkreuzen; die Fuͤhrung der Heere
glaubte man, wenn ſie auch in guten Haͤnden ſei, doch
wieder in allen den Hinderniſſen befangen, durch welche
ſo oft die gemeinſamen Unternehmungen vereitelt wor¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0347" n="335"/><lb/>
&#x017F;tellten jede Auszahlung, oft der dringend&#x017F;ten Bedu&#x0364;rf¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e, vor&#x017F;ichtig ein, bis man nach und nach einiger¬<lb/>
maßen erkannte, wie unwirk&#x017F;am und nichtsbedeutend<lb/>
oft die heftig&#x017F;ten Kanonaden &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Das Vertrauen der Ein&#x017F;ichtigern &#x017F;ank noch mehr,<lb/>
als die Nachrichten aus Sach&#x017F;en nur ein lang&#x017F;ames<lb/>
Vorru&#x0364;cken der verbu&#x0364;ndeten Heere, und bald eine blu¬<lb/>
tige Schlacht meldeten, die zwar als ein Sieg ver¬<lb/>
ku&#x0364;ndet wurde, aber doch das Zuru&#x0364;ckgehen der Sieger<lb/>
zur Folge hatte. Verbunden mit die&#x017F;en Nachrichten<lb/>
wirkte die That&#x017F;ache, daß der &#x017F;chon bis Bremen zu¬<lb/>
ru&#x0364;ckgedra&#x0364;ngt gewe&#x017F;ene Feind wieder im Ange&#x017F;ichte von<lb/>
Hamburg &#x017F;tand, verwirrend und nieder&#x017F;chlagend. Man<lb/>
wußte, daß Rußland und Preußen tha&#x0364;tig mit Oe&#x017F;ter¬<lb/>
reich unterhandelten, und alle Hoffnung hatten, das<lb/>
Bu&#x0364;ndniß gegen Napoleon durch die&#x017F;e Macht ver&#x017F;ta&#x0364;rkt<lb/>
zu &#x017F;ehen. Allein bis zur Ungeduld ermu&#x0364;dete das Zo&#x0364;¬<lb/>
gern, welches inzwi&#x017F;chen alle Unternehmungen traf;<lb/>
man begriff die Nach&#x017F;icht und Schonung nicht, welche<lb/>
hin&#x017F;ichtlich des Beitritts von Sach&#x017F;en Statt fand, und<lb/>
man klagte laut, daß &#x017F;elb&#x017F;t die Aufrufe und Anreden<lb/>
an Volk und Truppen, fru&#x0364;her &#x017F;o reichlich ausgetheilt,<lb/>
jetzt ver&#x017F;tummten. Die Unterhandlungen &#x017F;chienen &#x017F;ich<lb/>
verderblich zu durchkreuzen; die Fu&#x0364;hrung der Heere<lb/>
glaubte man, wenn &#x017F;ie auch in guten Ha&#x0364;nden &#x017F;ei, doch<lb/>
wieder in allen den Hinderni&#x017F;&#x017F;en befangen, durch welche<lb/>
&#x017F;o oft die gemein&#x017F;amen Unternehmungen vereitelt wor¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0347] ſtellten jede Auszahlung, oft der dringendſten Beduͤrf¬ niſſe, vorſichtig ein, bis man nach und nach einiger¬ maßen erkannte, wie unwirkſam und nichtsbedeutend oft die heftigſten Kanonaden ſind. Das Vertrauen der Einſichtigern ſank noch mehr, als die Nachrichten aus Sachſen nur ein langſames Vorruͤcken der verbuͤndeten Heere, und bald eine blu¬ tige Schlacht meldeten, die zwar als ein Sieg ver¬ kuͤndet wurde, aber doch das Zuruͤckgehen der Sieger zur Folge hatte. Verbunden mit dieſen Nachrichten wirkte die Thatſache, daß der ſchon bis Bremen zu¬ ruͤckgedraͤngt geweſene Feind wieder im Angeſichte von Hamburg ſtand, verwirrend und niederſchlagend. Man wußte, daß Rußland und Preußen thaͤtig mit Oeſter¬ reich unterhandelten, und alle Hoffnung hatten, das Buͤndniß gegen Napoleon durch dieſe Macht verſtaͤrkt zu ſehen. Allein bis zur Ungeduld ermuͤdete das Zoͤ¬ gern, welches inzwiſchen alle Unternehmungen traf; man begriff die Nachſicht und Schonung nicht, welche hinſichtlich des Beitritts von Sachſen Statt fand, und man klagte laut, daß ſelbſt die Aufrufe und Anreden an Volk und Truppen, fruͤher ſo reichlich ausgetheilt, jetzt verſtummten. Die Unterhandlungen ſchienen ſich verderblich zu durchkreuzen; die Fuͤhrung der Heere glaubte man, wenn ſie auch in guten Haͤnden ſei, doch wieder in allen den Hinderniſſen befangen, durch welche ſo oft die gemeinſamen Unternehmungen vereitelt wor¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/347
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/347>, abgerufen am 25.11.2024.