Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

den. Auch glaubte man keine Bürgschaft der Aus¬
dauer zu erblicken, und fragte sich, was bei einem
Frieden, der etwa jetzt geschlossen würde, irgend Gün¬
stiges für Hamburg zu erwarten sey? Uebelgesinnte
suchten selbst die Absichten der Verbündeten zu ver¬
dächtigen, die Unterhandlungen des Fürsten Dolgoruky
in Kopenhagen wurden zur Sprache gebracht, und es
fehlte nicht an Leuten, welche geradezu behaupteten,
Hamburg und Lübeck seien schon Eigenthum der Dä¬
nen, und man scheute sich nicht, angesehene Namen
zu nennen, um dergleichen zu erhärten. Diese Zwei¬
fel und Unsicherheiten wirkten in Hamburg und in der
ganzen Umgegend höchst verderblich; an die Stelle des
früheren Eifers trat ängstliches Zurückhalten, ja Manche
suchten im Stillen mit dem Feinde sich abzufinden,
während die Meisten doch zu weit vorgeschritten wa¬
ren, um solchen Ausweg auch nur versuchen zu kön¬
nen. Die englischen Behörden hielten für nöthig, um
bei den hannöverschen Unterthanen nicht alle Lust zur
Theilnahme am Kriege ersterben zu sehen, in die Zei¬
tungen eine Bekanntmachung einrücken zu lassen, die
aus höherem Auftrag die Zusicherung ertheilte, daß
England niemals in die Abtretung Hannovers willi¬
gen würde.

Durch diese allgemeine Bezüge mußte natürlich auch
Tettenborn sich mehr oder minder gehemmt fühlen.
Wirklich hatten die verbündeteu Mächte, von ernsten

den. Auch glaubte man keine Buͤrgſchaft der Aus¬
dauer zu erblicken, und fragte ſich, was bei einem
Frieden, der etwa jetzt geſchloſſen wuͤrde, irgend Guͤn¬
ſtiges fuͤr Hamburg zu erwarten ſey? Uebelgeſinnte
ſuchten ſelbſt die Abſichten der Verbuͤndeten zu ver¬
daͤchtigen, die Unterhandlungen des Fuͤrſten Dolgoruky
in Kopenhagen wurden zur Sprache gebracht, und es
fehlte nicht an Leuten, welche geradezu behaupteten,
Hamburg und Luͤbeck ſeien ſchon Eigenthum der Daͤ¬
nen, und man ſcheute ſich nicht, angeſehene Namen
zu nennen, um dergleichen zu erhaͤrten. Dieſe Zwei¬
fel und Unſicherheiten wirkten in Hamburg und in der
ganzen Umgegend hoͤchſt verderblich; an die Stelle des
fruͤheren Eifers trat aͤngſtliches Zuruͤckhalten, ja Manche
ſuchten im Stillen mit dem Feinde ſich abzufinden,
waͤhrend die Meiſten doch zu weit vorgeſchritten wa¬
ren, um ſolchen Ausweg auch nur verſuchen zu koͤn¬
nen. Die engliſchen Behoͤrden hielten fuͤr noͤthig, um
bei den hannoͤverſchen Unterthanen nicht alle Luſt zur
Theilnahme am Kriege erſterben zu ſehen, in die Zei¬
tungen eine Bekanntmachung einruͤcken zu laſſen, die
aus hoͤherem Auftrag die Zuſicherung ertheilte, daß
England niemals in die Abtretung Hannovers willi¬
gen wuͤrde.

Durch dieſe allgemeine Bezuͤge mußte natuͤrlich auch
Tettenborn ſich mehr oder minder gehemmt fuͤhlen.
Wirklich hatten die verbuͤndeteu Maͤchte, von ernſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0348" n="336"/>
den. Auch glaubte man keine Bu&#x0364;rg&#x017F;chaft der Aus¬<lb/>
dauer zu erblicken, und fragte &#x017F;ich, was bei einem<lb/>
Frieden, der etwa jetzt ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde, irgend Gu&#x0364;<lb/>
&#x017F;tiges fu&#x0364;r Hamburg zu erwarten &#x017F;ey? Uebelge&#x017F;innte<lb/>
&#x017F;uchten &#x017F;elb&#x017F;t die Ab&#x017F;ichten der Verbu&#x0364;ndeten zu ver¬<lb/>
da&#x0364;chtigen, die Unterhandlungen des Fu&#x0364;r&#x017F;ten Dolgoruky<lb/>
in Kopenhagen wurden zur Sprache gebracht, und es<lb/>
fehlte nicht an Leuten, welche geradezu behaupteten,<lb/>
Hamburg und Lu&#x0364;beck &#x017F;eien &#x017F;chon Eigenthum der Da&#x0364;¬<lb/>
nen, und man &#x017F;cheute &#x017F;ich nicht, ange&#x017F;ehene Namen<lb/>
zu nennen, um dergleichen zu erha&#x0364;rten. Die&#x017F;e Zwei¬<lb/>
fel und Un&#x017F;icherheiten wirkten in Hamburg und in der<lb/>
ganzen Umgegend ho&#x0364;ch&#x017F;t verderblich; an die Stelle des<lb/>
fru&#x0364;heren Eifers trat a&#x0364;ng&#x017F;tliches Zuru&#x0364;ckhalten, ja Manche<lb/>
&#x017F;uchten im Stillen mit dem Feinde &#x017F;ich abzufinden,<lb/>
wa&#x0364;hrend die Mei&#x017F;ten doch zu weit vorge&#x017F;chritten wa¬<lb/>
ren, um &#x017F;olchen Ausweg auch nur ver&#x017F;uchen zu ko&#x0364;<lb/>
nen. Die engli&#x017F;chen Beho&#x0364;rden hielten fu&#x0364;r no&#x0364;thig, um<lb/>
bei den hanno&#x0364;ver&#x017F;chen Unterthanen nicht alle Lu&#x017F;t zur<lb/>
Theilnahme am Kriege er&#x017F;terben zu &#x017F;ehen, in die Zei¬<lb/>
tungen eine Bekanntmachung einru&#x0364;cken zu la&#x017F;&#x017F;en, die<lb/>
aus ho&#x0364;herem Auftrag die Zu&#x017F;icherung ertheilte, daß<lb/>
England niemals in die Abtretung Hannovers willi¬<lb/>
gen wu&#x0364;rde.</p><lb/>
        <p>Durch die&#x017F;e allgemeine Bezu&#x0364;ge mußte natu&#x0364;rlich auch<lb/>
Tettenborn &#x017F;ich mehr oder minder gehemmt fu&#x0364;hlen.<lb/>
Wirklich hatten die verbu&#x0364;ndeteu Ma&#x0364;chte, von ern&#x017F;ten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0348] den. Auch glaubte man keine Buͤrgſchaft der Aus¬ dauer zu erblicken, und fragte ſich, was bei einem Frieden, der etwa jetzt geſchloſſen wuͤrde, irgend Guͤn¬ ſtiges fuͤr Hamburg zu erwarten ſey? Uebelgeſinnte ſuchten ſelbſt die Abſichten der Verbuͤndeten zu ver¬ daͤchtigen, die Unterhandlungen des Fuͤrſten Dolgoruky in Kopenhagen wurden zur Sprache gebracht, und es fehlte nicht an Leuten, welche geradezu behaupteten, Hamburg und Luͤbeck ſeien ſchon Eigenthum der Daͤ¬ nen, und man ſcheute ſich nicht, angeſehene Namen zu nennen, um dergleichen zu erhaͤrten. Dieſe Zwei¬ fel und Unſicherheiten wirkten in Hamburg und in der ganzen Umgegend hoͤchſt verderblich; an die Stelle des fruͤheren Eifers trat aͤngſtliches Zuruͤckhalten, ja Manche ſuchten im Stillen mit dem Feinde ſich abzufinden, waͤhrend die Meiſten doch zu weit vorgeſchritten wa¬ ren, um ſolchen Ausweg auch nur verſuchen zu koͤn¬ nen. Die engliſchen Behoͤrden hielten fuͤr noͤthig, um bei den hannoͤverſchen Unterthanen nicht alle Luſt zur Theilnahme am Kriege erſterben zu ſehen, in die Zei¬ tungen eine Bekanntmachung einruͤcken zu laſſen, die aus hoͤherem Auftrag die Zuſicherung ertheilte, daß England niemals in die Abtretung Hannovers willi¬ gen wuͤrde. Durch dieſe allgemeine Bezuͤge mußte natuͤrlich auch Tettenborn ſich mehr oder minder gehemmt fuͤhlen. Wirklich hatten die verbuͤndeteu Maͤchte, von ernſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/348
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/348>, abgerufen am 08.06.2024.