für ihn thun kann was er wünscht, ohne Zwang und mit Belohnung. Ein hohes Glück; und doch noch nicht das größte; wie viel Glück giebt's! -- Wenn man nun selbst liebt. Das fass' ich kaum; und darum giebt's dies auch nicht. Ich gratulire dir! Ich schreibe nicht gerne; du siehst es wohl: ich werde sehr traurig: denn ich bin's. Und in Paris hab' ich dies bis zu einem Grade der Gewißheit erfahren, die kei- nen Zusatz erlaubt, und bedarf. Darum schreib' ich auch nicht. Sag' das den Geschwistern, Hans, und Vetter. Es ist keine von den Traurigkeiten, die wieder vergeht; die wie ein durch Wolken gebrochener Schein eine Gegend angenehm-melan- cholisch verdunkelt und erhellt. Nein, die Gegend selbst ist zerstört, und meine ewige himmlische Laune kann nur Son- nenblicke darauf werfen. Sie bleibt die Traurigkeit, die Ein- sicht, der Ernst; es ist vorbei. Hier war es lange dunkel, und kein Sturm, ich hab' es gesehen. Auch wußt' ich es vor- her. Die Reise nach Paris war nur der letzte Pulsschlag ei- nes frischen Herzens; nun bin ich hier, nun ist es aus. Ich bin äußerlich wie ich war, beinah eben so angenehm, wie du mich kennst, und werd' auch beinah eben so bleiben. Die- ser Brief ist eine Art Geschäftsbrief, wie du sehen wirst. So wie ich jetzt lebe, bin ich -- und vorzüglich für den Winter (wozu Detail) mit tausend Unbequemlichkeiten, und für meine Revenüen viel zu theuer, und sind Humboldts weg, viel zu wüst und uninteressant -- hier ziemlich schlecht. Es ist mir also lieb, und sehr lieb, wenn du früher nach Amsterdam rei- sest. Im März oder April reisen Humboldts, dann will ich einen Mann zur Gesellschaft suchen, um nach Amsterdam zu
für ihn thun kann was er wünſcht, ohne Zwang und mit Belohnung. Ein hohes Glück; und doch noch nicht das größte; wie viel Glück giebt’s! — Wenn man nun ſelbſt liebt. Das faſſ’ ich kaum; und darum giebt’s dies auch nicht. Ich gratulire dir! Ich ſchreibe nicht gerne; du ſiehſt es wohl: ich werde ſehr traurig: denn ich bin’s. Und in Paris hab’ ich dies bis zu einem Grade der Gewißheit erfahren, die kei- nen Zuſatz erlaubt, und bedarf. Darum ſchreib’ ich auch nicht. Sag’ das den Geſchwiſtern, Hans, und Vetter. Es iſt keine von den Traurigkeiten, die wieder vergeht; die wie ein durch Wolken gebrochener Schein eine Gegend angenehm-melan- choliſch verdunkelt und erhellt. Nein, die Gegend ſelbſt iſt zerſtört, und meine ewige himmliſche Laune kann nur Son- nenblicke darauf werfen. Sie bleibt die Traurigkeit, die Ein- ſicht, der Ernſt; es iſt vorbei. Hier war es lange dunkel, und kein Sturm, ich hab’ es geſehen. Auch wußt’ ich es vor- her. Die Reiſe nach Paris war nur der letzte Pulsſchlag ei- nes friſchen Herzens; nun bin ich hier, nun iſt es aus. Ich bin äußerlich wie ich war, beinah eben ſo angenehm, wie du mich kennſt, und werd’ auch beinah eben ſo bleiben. Die- ſer Brief iſt eine Art Geſchäftsbrief, wie du ſehen wirſt. So wie ich jetzt lebe, bin ich — und vorzüglich für den Winter (wozu Detail) mit tauſend Unbequemlichkeiten, und für meine Revenüen viel zu theuer, und ſind Humboldts weg, viel zu wüſt und unintereſſant — hier ziemlich ſchlecht. Es iſt mir alſo lieb, und ſehr lieb, wenn du früher nach Amſterdam rei- ſeſt. Im März oder April reiſen Humboldts, dann will ich einen Mann zur Geſellſchaft ſuchen, um nach Amſterdam zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0226"n="212"/>
für ihn thun kann was er wünſcht, ohne Zwang und mit<lb/>
Belohnung. Ein hohes Glück; und doch noch nicht das größte;<lb/>
wie viel Glück giebt’s! — Wenn man nun <hirendition="#g">ſelbſt liebt</hi>.<lb/>
Das faſſ’ ich kaum; und darum giebt’s dies auch nicht. Ich<lb/>
gratulire dir! Ich ſchreibe nicht gerne; du ſiehſt es wohl:<lb/>
ich werde ſehr traurig: denn ich bin’s. Und in Paris hab’<lb/>
ich dies bis zu einem Grade der Gewißheit erfahren, die kei-<lb/>
nen Zuſatz erlaubt, und bedarf. Darum ſchreib’ ich auch nicht.<lb/>
Sag’ das den Geſchwiſtern, Hans, und Vetter. Es iſt keine<lb/>
von den Traurigkeiten, die wieder vergeht; die wie ein durch<lb/>
Wolken gebrochener Schein eine Gegend angenehm-melan-<lb/>
choliſch verdunkelt und erhellt. Nein, die Gegend ſelbſt iſt<lb/>
zerſtört, und meine ewige himmliſche Laune kann nur Son-<lb/>
nenblicke darauf werfen. Sie bleibt die Traurigkeit, die Ein-<lb/>ſicht, der Ernſt; es iſt vorbei. Hier war es lange dunkel,<lb/>
und kein Sturm, ich hab’ es geſehen. Auch wußt’ ich es vor-<lb/>
her. Die Reiſe nach Paris war nur der letzte Pulsſchlag ei-<lb/>
nes friſchen Herzens; nun bin ich hier, nun iſt es aus. Ich<lb/>
bin äußerlich wie ich war, beinah eben ſo angenehm, wie<lb/>
du mich kennſt, und werd’ auch beinah eben ſo bleiben. Die-<lb/>ſer Brief iſt eine Art Geſchäftsbrief, wie du ſehen wirſt. So<lb/>
wie ich jetzt lebe, bin ich — und vorzüglich für den Winter<lb/>
(wozu Detail) mit tauſend Unbequemlichkeiten, und für <hirendition="#g">meine</hi><lb/>
Revenüen viel zu theuer, und ſind Humboldts weg, viel zu<lb/>
wüſt und unintereſſant — hier ziemlich ſchlecht. Es iſt mir<lb/>
alſo lieb, und ſehr lieb, wenn du früher nach Amſterdam rei-<lb/>ſeſt. Im März oder April reiſen Humboldts, dann will ich<lb/>
einen Mann zur Geſellſchaft ſuchen, um nach Amſterdam zu<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[212/0226]
für ihn thun kann was er wünſcht, ohne Zwang und mit
Belohnung. Ein hohes Glück; und doch noch nicht das größte;
wie viel Glück giebt’s! — Wenn man nun ſelbſt liebt.
Das faſſ’ ich kaum; und darum giebt’s dies auch nicht. Ich
gratulire dir! Ich ſchreibe nicht gerne; du ſiehſt es wohl:
ich werde ſehr traurig: denn ich bin’s. Und in Paris hab’
ich dies bis zu einem Grade der Gewißheit erfahren, die kei-
nen Zuſatz erlaubt, und bedarf. Darum ſchreib’ ich auch nicht.
Sag’ das den Geſchwiſtern, Hans, und Vetter. Es iſt keine
von den Traurigkeiten, die wieder vergeht; die wie ein durch
Wolken gebrochener Schein eine Gegend angenehm-melan-
choliſch verdunkelt und erhellt. Nein, die Gegend ſelbſt iſt
zerſtört, und meine ewige himmliſche Laune kann nur Son-
nenblicke darauf werfen. Sie bleibt die Traurigkeit, die Ein-
ſicht, der Ernſt; es iſt vorbei. Hier war es lange dunkel,
und kein Sturm, ich hab’ es geſehen. Auch wußt’ ich es vor-
her. Die Reiſe nach Paris war nur der letzte Pulsſchlag ei-
nes friſchen Herzens; nun bin ich hier, nun iſt es aus. Ich
bin äußerlich wie ich war, beinah eben ſo angenehm, wie
du mich kennſt, und werd’ auch beinah eben ſo bleiben. Die-
ſer Brief iſt eine Art Geſchäftsbrief, wie du ſehen wirſt. So
wie ich jetzt lebe, bin ich — und vorzüglich für den Winter
(wozu Detail) mit tauſend Unbequemlichkeiten, und für meine
Revenüen viel zu theuer, und ſind Humboldts weg, viel zu
wüſt und unintereſſant — hier ziemlich ſchlecht. Es iſt mir
alſo lieb, und ſehr lieb, wenn du früher nach Amſterdam rei-
ſeſt. Im März oder April reiſen Humboldts, dann will ich
einen Mann zur Geſellſchaft ſuchen, um nach Amſterdam zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/226>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.