Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

eine Freundin der Gräfin; vorher schrieb ich mit einem Kou-
rier an Markus, da war Bokelmann, ein hübscher, junger,
gebildeter und bildungslustiger Hamburger, bei mir, der von
hier nach Cadix zu seiner Schwester geht, und Wiesels, und
Bartholdy und Gropius, kurz, die Menschen nehmen hier,
wie bei mir, kein Ende. Die Gräfin und Hrn. von Rothkirch
vergaß ich.

Ludwig, du freust mich in die Seele hinein. Du
hast die gehörige Leidenschaft für den Fischhalter und sei-
nesgleichen. Freilich! alles mein' ich eben so! Dein Brief
macht mir Amsterdam anschaulicher, als du denken kannst.
Und du würdest mir gewiß eben so unpartheiisch und unbe-
fangen einen Ort beschreiben können, als ich euch Paris.
Also mit den Juden steht's hier so schlecht?! Es liegt doch
an ihnen. Denn ich versichre dich, ich sage hier allen Leuten,
daß ich eine bin; ch bien! le meme empressement. Aber nur
ein Berliner Jude kann die gehörige Verachtung und Lebens-
art im Leibe haben; ich sage nicht: hat sie. Ich versichre dich,
ordentlich eine Art contenance giebt's einem auch hier, aus
Berlin zu sein und Jude, wenigstens mir; ich weiß darüber
Anekdoten. Lebt wohl, die Dame kann nicht ewig lesen.

R. L.

Was hat denn Walter und Alle zu Rosens Reise gesagt?
Schreibt mir bald! Line grüßt und gratulirt, Tage und halbe
Nächte durch. Die Humboldt nimmt den größten Antheil.



eine Freundin der Gräfin; vorher ſchrieb ich mit einem Kou-
rier an Markus, da war Bokelmann, ein hübſcher, junger,
gebildeter und bildungsluſtiger Hamburger, bei mir, der von
hier nach Cadix zu ſeiner Schweſter geht, und Wieſels, und
Bartholdy und Gropius, kurz, die Menſchen nehmen hier,
wie bei mir, kein Ende. Die Gräfin und Hrn. von Rothkirch
vergaß ich.

Ludwig, du freuſt mich in die Seele hinein. Du
haſt die gehörige Leidenſchaft für den Fiſchhalter und ſei-
nesgleichen. Freilich! alles mein’ ich eben ſo! Dein Brief
macht mir Amſterdam anſchaulicher, als du denken kannſt.
Und du würdeſt mir gewiß eben ſo unpartheiiſch und unbe-
fangen einen Ort beſchreiben können, als ich euch Paris.
Alſo mit den Juden ſteht’s hier ſo ſchlecht?! Es liegt doch
an ihnen. Denn ich verſichre dich, ich ſage hier allen Leuten,
daß ich eine bin; ch bien! le même empressement. Aber nur
ein Berliner Jude kann die gehörige Verachtung und Lebens-
art im Leibe haben; ich ſage nicht: hat ſie. Ich verſichre dich,
ordentlich eine Art contenance giebt’s einem auch hier, aus
Berlin zu ſein und Jude, wenigſtens mir; ich weiß darüber
Anekdoten. Lebt wohl, die Dame kann nicht ewig leſen.

R. L.

Was hat denn Walter und Alle zu Roſens Reiſe geſagt?
Schreibt mir bald! Line grüßt und gratulirt, Tage und halbe
Nächte durch. Die Humboldt nimmt den größten Antheil.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0251" n="237"/>
eine Freundin der Gräfin; vorher &#x017F;chrieb ich mit einem Kou-<lb/>
rier an Markus, da war Bokelmann, ein <hi rendition="#g">hüb&#x017F;cher</hi>, junger,<lb/>
gebildeter und bildungslu&#x017F;tiger Hamburger, bei mir, der von<lb/>
hier nach Cadix zu &#x017F;einer Schwe&#x017F;ter geht, und Wie&#x017F;els, und<lb/>
Bartholdy und Gropius, kurz, die Men&#x017F;chen nehmen hier,<lb/>
wie bei mir, kein Ende. Die Gräfin und Hrn. von Rothkirch<lb/>
vergaß ich.</p><lb/>
            <p>Ludwig, du freu&#x017F;t mich <hi rendition="#g">in die Seele hinein. Du</hi><lb/>
ha&#x017F;t die <hi rendition="#g">gehörige</hi> Leiden&#x017F;chaft für den Fi&#x017F;chhalter und &#x017F;ei-<lb/>
nesgleichen. Freilich! alles mein&#x2019; ich eben &#x017F;o! Dein Brief<lb/>
macht mir Am&#x017F;terdam an&#x017F;chaulicher, als du denken kann&#x017F;t.<lb/>
Und du würde&#x017F;t mir gewiß eben &#x017F;o unpartheii&#x017F;ch und unbe-<lb/>
fangen einen Ort be&#x017F;chreiben können, als ich euch Paris.<lb/>
Al&#x017F;o mit den Juden &#x017F;teht&#x2019;s hier &#x017F;o &#x017F;chlecht?! Es liegt doch<lb/>
an ihnen. Denn ich ver&#x017F;ichre dich, ich <hi rendition="#g">&#x017F;age</hi> hier allen Leuten,<lb/>
daß ich eine bin; <hi rendition="#aq">ch bien! le même empressement.</hi> Aber nur<lb/>
ein Berliner Jude kann die gehörige Verachtung und Lebens-<lb/>
art im Leibe haben; ich &#x017F;age nicht: hat &#x017F;ie. Ich ver&#x017F;ichre dich,<lb/>
ordentlich eine Art <hi rendition="#aq">contenance</hi> giebt&#x2019;s einem auch hier, aus<lb/>
Berlin zu &#x017F;ein und Jude, wenig&#x017F;tens mir; ich weiß darüber<lb/>
Anekdoten. Lebt wohl, die Dame kann nicht ewig le&#x017F;en.</p><lb/>
            <closer>
              <salute> <hi rendition="#et">R. L.</hi> </salute>
            </closer><lb/>
            <postscript>
              <p>Was hat denn Walter und Alle zu Ro&#x017F;ens Rei&#x017F;e ge&#x017F;agt?<lb/>
Schreibt mir <hi rendition="#g">bald</hi>! Line grüßt und gratulirt, Tage und halbe<lb/>
Nächte durch. Die Humboldt nimmt den größten Antheil.</p>
            </postscript>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0251] eine Freundin der Gräfin; vorher ſchrieb ich mit einem Kou- rier an Markus, da war Bokelmann, ein hübſcher, junger, gebildeter und bildungsluſtiger Hamburger, bei mir, der von hier nach Cadix zu ſeiner Schweſter geht, und Wieſels, und Bartholdy und Gropius, kurz, die Menſchen nehmen hier, wie bei mir, kein Ende. Die Gräfin und Hrn. von Rothkirch vergaß ich. Ludwig, du freuſt mich in die Seele hinein. Du haſt die gehörige Leidenſchaft für den Fiſchhalter und ſei- nesgleichen. Freilich! alles mein’ ich eben ſo! Dein Brief macht mir Amſterdam anſchaulicher, als du denken kannſt. Und du würdeſt mir gewiß eben ſo unpartheiiſch und unbe- fangen einen Ort beſchreiben können, als ich euch Paris. Alſo mit den Juden ſteht’s hier ſo ſchlecht?! Es liegt doch an ihnen. Denn ich verſichre dich, ich ſage hier allen Leuten, daß ich eine bin; ch bien! le même empressement. Aber nur ein Berliner Jude kann die gehörige Verachtung und Lebens- art im Leibe haben; ich ſage nicht: hat ſie. Ich verſichre dich, ordentlich eine Art contenance giebt’s einem auch hier, aus Berlin zu ſein und Jude, wenigſtens mir; ich weiß darüber Anekdoten. Lebt wohl, die Dame kann nicht ewig leſen. R. L. Was hat denn Walter und Alle zu Roſens Reiſe geſagt? Schreibt mir bald! Line grüßt und gratulirt, Tage und halbe Nächte durch. Die Humboldt nimmt den größten Antheil.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/251
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/251>, abgerufen am 23.12.2024.