Ich muß Ihnen doch ein Winterwort, Sie werden gleich sehen, warum ich es so nenne, sagen; Sie glauben nicht, wie ich in mir nachstöre, mir alles abfrage -- wirklich ganz aus und über menschliche Verhältnisse hinaus komme, und doch nur immer wieder hinein; wie unendlich ist selbst der Mensch als Mensch: wie ist es nichts, als Arbeit, immer neue Arbeit, so lange er es bleibt; wie ist er nur eine Zusammenstellung von Gedanken, und eine Macht zu dieser Zusammenstellung! Wie ungerecht sind wir manchmal gegen uns, und immer gegen Andere; wir fordern Bestand -- wo wir nur ächtes Bemühen, Ernst, Unschuld, und ein wenig guten Scherz zu fordern haben. Was Einer ernst meint, worüber auch Einer, mit Bewußtsein, scherzt, wir sollten zufrieden sein; und jede andern Eigenschaften als Talente lieben und schätzen; recht nachsichtig sein! -- Zu verachten, hat man ja noch alle Verwirrten; zu stören, ewig unsere polypenartige eigene Verwirrung. Pflegt man auf solche Dinge nicht im Winter zu kommen?
Freitag, den 24. Juli 1807.
Ich ließ Ihnen sagen, ich würde zu Ihnen kommen die- sen Morgen: ich fühle nach dem Aufstehn, daß ich nicht kann. Heute sollte ich mit meinen Geschwistern nach Potsdam: ich habe darauf gedrängt. Ab! ich gehe nicht; sie. Sonntag soll ich auf dem Garten zu Mittag essen, aber ich will nicht.
-- Ich
An Frau von F., in Berlin.
Berlin, den 81. Juni 1807.
Ich muß Ihnen doch ein Winterwort, Sie werden gleich ſehen, warum ich es ſo nenne, ſagen; Sie glauben nicht, wie ich in mir nachſtöre, mir alles abfrage — wirklich ganz aus und über menſchliche Verhältniſſe hinaus komme, und doch nur immer wieder hinein; wie unendlich iſt ſelbſt der Menſch als Menſch: wie iſt es nichts, als Arbeit, immer neue Arbeit, ſo lange er es bleibt; wie iſt er nur eine Zuſammenſtellung von Gedanken, und eine Macht zu dieſer Zuſammenſtellung! Wie ungerecht ſind wir manchmal gegen uns, und immer gegen Andere; wir fordern Beſtand — wo wir nur ächtes Bemühen, Ernſt, Unſchuld, und ein wenig guten Scherz zu fordern haben. Was Einer ernſt meint, worüber auch Einer, mit Bewußtſein, ſcherzt, wir ſollten zufrieden ſein; und jede andern Eigenſchaften als Talente lieben und ſchätzen; recht nachſichtig ſein! — Zu verachten, hat man ja noch alle Verwirrten; zu ſtören, ewig unſere polypenartige eigene Verwirrung. Pflegt man auf ſolche Dinge nicht im Winter zu kommen?
Freitag, den 24. Juli 1807.
Ich ließ Ihnen ſagen, ich würde zu Ihnen kommen die- ſen Morgen: ich fühle nach dem Aufſtehn, daß ich nicht kann. Heute ſollte ich mit meinen Geſchwiſtern nach Potsdam: ich habe darauf gedrängt. Ab! ich gehe nicht; ſie. Sonntag ſoll ich auf dem Garten zu Mittag eſſen, aber ich will nicht.
— Ich
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[320/0334]
An Frau von F., in Berlin.
Berlin, den 81. Juni 1807.
Ich muß Ihnen doch ein Winterwort, Sie werden gleich
ſehen, warum ich es ſo nenne, ſagen; Sie glauben nicht, wie
ich in mir nachſtöre, mir alles abfrage — wirklich ganz aus
und über menſchliche Verhältniſſe hinaus komme, und doch
nur immer wieder hinein; wie unendlich iſt ſelbſt der Menſch
als Menſch: wie iſt es nichts, als Arbeit, immer neue Arbeit,
ſo lange er es bleibt; wie iſt er nur eine Zuſammenſtellung
von Gedanken, und eine Macht zu dieſer Zuſammenſtellung!
Wie ungerecht ſind wir manchmal gegen uns, und immer
gegen Andere; wir fordern Beſtand — wo wir nur ächtes
Bemühen, Ernſt, Unſchuld, und ein wenig guten Scherz zu
fordern haben. Was Einer ernſt meint, worüber auch
Einer, mit Bewußtſein, ſcherzt, wir ſollten zufrieden ſein; und
jede andern Eigenſchaften als Talente lieben und ſchätzen;
recht nachſichtig ſein! — Zu verachten, hat man ja noch
alle Verwirrten; zu ſtören, ewig unſere polypenartige eigene
Verwirrung. Pflegt man auf ſolche Dinge nicht im Winter
zu kommen?
Freitag, den 24. Juli 1807.
Ich ließ Ihnen ſagen, ich würde zu Ihnen kommen die-
ſen Morgen: ich fühle nach dem Aufſtehn, daß ich nicht kann.
Heute ſollte ich mit meinen Geſchwiſtern nach Potsdam: ich
habe darauf gedrängt. Ab! ich gehe nicht; ſie. Sonntag
ſoll ich auf dem Garten zu Mittag eſſen, aber ich will nicht.
— Ich
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/334>, abgerufen am 23.12.2024.
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