hier geschützt: und das fühlte ich immer. Was mich unaus- sprechlich kränkte diese Woche, war, daß mir ein preußischer Militair begegnete, dem Jungen nachliefen, und alle Men- schen nachsahen; und auch ich wußte nicht, ob es ein Offizier, ein Unteroffizier, oder ein Soldat war! Vielleicht kannst du noch nicht fühlen, was das heißt -- für einen Berliner, un- ter Friedrich dem Zweiten zum Theil erzogen. Wie ein Schweizer Berge kennt, ein Franzose Höflichkeit übt, ein Eng- länder von seinem Parlamente weiß, so wußte hier bis auf die albernste Demoiselle jeder, was gut marschiren, aufsitzen u. dgl. war. Ohne zu wissen, daß sie es wissen. Und nun schloß ich nur, es sei ein Preuße; und erkannte den Grad nicht mehr! Nun aber kein Wort mehr! und ich beschwöre dich auch, mir nichts über Politik zu antworten. -- Mein Kopf ist ganz angegriffen, so beschäftigt mich der Welt Lauf. Borniren thut mich mein Land doch nicht; was Närrisches drin vorgeht, ärgert und frappirt mich genug, und die große Weltbewegung und die Kadavergestalten, die sie verdrängen muß, ergötzt mich doch! Gott wie himmlisch schön sieht in diesem Augenblick meine lange breite Straße aus, dicker Schnee, heller Sonnenschein, und Ein dicker Strom Men- schen strömt durch, so weit man sehen kann, du weißt wie weit, von den Soldaten zurückkommend! Und denke dir meine abgelegene Gegend, eine Meile. Vom Bernauer Thor kom- men sie. O! Könntest du die mahlerisch schöne Straße sehen. Die schöne, wirklich schöne Stadt. Alle Franzofen sagten es auch. Ich hatte nicht geglaubt, daß noch so viel Kutschen in der Stadt wären. Der Lärm! O! wärst du hier! Ich
hier geſchützt: und das fühlte ich immer. Was mich unaus- ſprechlich kränkte dieſe Woche, war, daß mir ein preußiſcher Militair begegnete, dem Jungen nachliefen, und alle Men- ſchen nachſahen; und auch ich wußte nicht, ob es ein Offizier, ein Unteroffizier, oder ein Soldat war! Vielleicht kannſt du noch nicht fühlen, was das heißt — für einen Berliner, un- ter Friedrich dem Zweiten zum Theil erzogen. Wie ein Schweizer Berge kennt, ein Franzoſe Höflichkeit übt, ein Eng- länder von ſeinem Parlamente weiß, ſo wußte hier bis auf die albernſte Demoiſelle jeder, was gut marſchiren, aufſitzen u. dgl. war. Ohne zu wiſſen, daß ſie es wiſſen. Und nun ſchloß ich nur, es ſei ein Preuße; und erkannte den Grad nicht mehr! Nun aber kein Wort mehr! und ich beſchwöre dich auch, mir nichts über Politik zu antworten. — Mein Kopf iſt ganz angegriffen, ſo beſchäftigt mich der Welt Lauf. Borniren thut mich mein Land doch nicht; was Närriſches drin vorgeht, ärgert und frappirt mich genug, und die große Weltbewegung und die Kadavergeſtalten, die ſie verdrängen muß, ergötzt mich doch! Gott wie himmliſch ſchön ſieht in dieſem Augenblick meine lange breite Straße aus, dicker Schnee, heller Sonnenſchein, und Ein dicker Strom Men- ſchen ſtrömt durch, ſo weit man ſehen kann, du weißt wie weit, von den Soldaten zurückkommend! Und denke dir meine abgelegene Gegend, eine Meile. Vom Bernauer Thor kom- men ſie. O! Könnteſt du die mahleriſch ſchöne Straße ſehen. Die ſchöne, wirklich ſchöne Stadt. Alle Franzofen ſagten es auch. Ich hatte nicht geglaubt, daß noch ſo viel Kutſchen in der Stadt wären. Der Lärm! O! wärſt du hier! Ich
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hier geſchützt: und das fühlte ich immer. Was mich unaus-
ſprechlich kränkte dieſe Woche, war, daß mir ein preußiſcher
Militair begegnete, dem Jungen nachliefen, und alle Men-
ſchen nachſahen; und auch ich wußte nicht, ob es ein Offizier,
ein Unteroffizier, oder ein Soldat war! Vielleicht kannſt du
noch nicht fühlen, was das heißt — für einen Berliner, un-
ter Friedrich dem Zweiten zum Theil erzogen. Wie ein
Schweizer Berge kennt, ein Franzoſe Höflichkeit übt, ein Eng-
länder von ſeinem Parlamente weiß, ſo wußte hier bis auf
die albernſte Demoiſelle jeder, was gut marſchiren, aufſitzen
u. dgl. war. Ohne zu wiſſen, daß ſie es wiſſen. Und nun
ſchloß ich nur, es ſei ein Preuße; und erkannte den Grad
nicht mehr! Nun aber kein Wort mehr! und ich beſchwöre
dich auch, mir nichts über Politik zu antworten. — Mein
Kopf iſt ganz angegriffen, ſo beſchäftigt mich der Welt Lauf.
Borniren thut mich mein Land doch nicht; was Närriſches
drin vorgeht, ärgert und frappirt mich genug, und die große
Weltbewegung und die Kadavergeſtalten, die ſie verdrängen
muß, ergötzt mich doch! Gott wie himmliſch ſchön ſieht in
dieſem Augenblick meine lange breite Straße aus, dicker
Schnee, heller Sonnenſchein, und Ein dicker Strom Men-
ſchen ſtrömt durch, ſo weit man ſehen kann, du weißt wie
weit, von den Soldaten zurückkommend! Und denke dir meine
abgelegene Gegend, eine Meile. Vom Bernauer Thor kom-
men ſie. O! Könnteſt du die mahleriſch ſchöne Straße ſehen.
Die ſchöne, wirklich ſchöne Stadt. Alle Franzofen ſagten
es auch. Ich hatte nicht geglaubt, daß noch ſo viel Kutſchen
in der Stadt wären. Der Lärm! O! wärſt du hier! Ich
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/392>, abgerufen am 23.12.2024.
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