thue nichts, als vom Fenster nach meinem Brief laufen; und weinen. Von weitem nach der Mohrenstraße marschiren jetzt welche. So viel Pelze und Damen glaub' ich sind in der Welt nicht. -- Nun habe ich welche gesehn, ein Trupp ging hier vorbei; sie sahen gut aus. Wie Franzosen; sehr gut: und wie aus dem Krieg; und doch wohlbehalten. -- -- Ich komme von Mama! Ich habe mich geirrt, Freikomödie ist nicht; aber die Ränge sind in Beschlag genommen. Lies doch die Zeitungen, da steht alles drin. Adieu! -- --
Die Stelle aus Heinse von dem Schweizertanz in Unter- walden: der ihn zwei Stunden inniglich ergötzt hat: "Ihr Tanz ist das ernsthafteste, feierlichste Zittern der Lust in allen Wesen, das bis zur Angst geht, besonders bei den Manns- leuten. Alle ihre Bewegungen und Tritte und Schwenkun- gen sind sehr freiwillig, und hangen viel von jedem ab. Das Jauchzen dazwischen, das einem wiehernden Gegirre gleicht, macht es vollkommen zu einem erlaubten öffentlichen Vorspiel von Hochzeit." -- "Wiehernden Gegirre", ist das nicht wie in einem Portrait? Untersteht sich ein Mahler, fällt es ihm ein, in einem ersonnenen Gesichte solche Disparate anzubrin- gen, wie sie in der Natur wohl da sind, für die, welche sie sehen? So schön mahlt er auch Lavater: ich habe nie eine Zeile von ihm gelesen, und bin überzeugt von der Ähnlichkeit.
An Varnhagen, in Tübingen.
Berlin, Mittwoch den 13. December 1808. Vormittag.
-- -- Siehst du, daß du ein andres Leben haben mußt, und nicht in öder, gesellschaftloser Stadt ein Bücherleben süh-
thue nichts, als vom Fenſter nach meinem Brief laufen; und weinen. Von weitem nach der Mohrenſtraße marſchiren jetzt welche. So viel Pelze und Damen glaub’ ich ſind in der Welt nicht. — Nun habe ich welche geſehn, ein Trupp ging hier vorbei; ſie ſahen gut aus. Wie Franzoſen; ſehr gut: und wie aus dem Krieg; und doch wohlbehalten. — — Ich komme von Mama! Ich habe mich geirrt, Freikomödie iſt nicht; aber die Ränge ſind in Beſchlag genommen. Lies doch die Zeitungen, da ſteht alles drin. Adieu! — —
Die Stelle aus Heinſe von dem Schweizertanz in Unter- walden: der ihn zwei Stunden inniglich ergötzt hat: „Ihr Tanz iſt das ernſthafteſte, feierlichſte Zittern der Luſt in allen Weſen, das bis zur Angſt geht, beſonders bei den Manns- leuten. Alle ihre Bewegungen und Tritte und Schwenkun- gen ſind ſehr freiwillig, und hangen viel von jedem ab. Das Jauchzen dazwiſchen, das einem wiehernden Gegirre gleicht, macht es vollkommen zu einem erlaubten öffentlichen Vorſpiel von Hochzeit.“ — „Wiehernden Gegirre“, iſt das nicht wie in einem Portrait? Unterſteht ſich ein Mahler, fällt es ihm ein, in einem erſonnenen Geſichte ſolche Disparate anzubrin- gen, wie ſie in der Natur wohl da ſind, für die, welche ſie ſehen? So ſchön mahlt er auch Lavater: ich habe nie eine Zeile von ihm geleſen, und bin überzeugt von der Ähnlichkeit.
An Varnhagen, in Tübingen.
Berlin, Mittwoch den 13. December 1808. Vormittag.
— — Siehſt du, daß du ein andres Leben haben mußt, und nicht in öder, geſellſchaftloſer Stadt ein Bücherleben ſüh-
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thue nichts, als vom Fenſter nach meinem Brief laufen; und
weinen. Von weitem nach der Mohrenſtraße marſchiren jetzt
welche. So viel Pelze und Damen glaub’ ich ſind in der
Welt nicht. — Nun habe ich welche geſehn, ein Trupp ging
hier vorbei; ſie ſahen gut aus. Wie Franzoſen; ſehr gut:
und wie aus dem Krieg; und doch wohlbehalten. — — Ich
komme von Mama! Ich habe mich geirrt, Freikomödie iſt
nicht; aber die Ränge ſind in Beſchlag genommen. Lies doch
die Zeitungen, da ſteht alles drin. Adieu! — —
Die Stelle aus Heinſe von dem Schweizertanz in Unter-
walden: der ihn zwei Stunden inniglich ergötzt hat: „Ihr
Tanz iſt das ernſthafteſte, feierlichſte Zittern der Luſt in allen
Weſen, das bis zur Angſt geht, beſonders bei den Manns-
leuten. Alle ihre Bewegungen und Tritte und Schwenkun-
gen ſind ſehr freiwillig, und hangen viel von jedem ab. Das
Jauchzen dazwiſchen, das einem wiehernden Gegirre gleicht,
macht es vollkommen zu einem erlaubten öffentlichen Vorſpiel
von Hochzeit.“ — „Wiehernden Gegirre“, iſt das nicht wie
in einem Portrait? Unterſteht ſich ein Mahler, fällt es ihm
ein, in einem erſonnenen Geſichte ſolche Disparate anzubrin-
gen, wie ſie in der Natur wohl da ſind, für die, welche ſie
ſehen? So ſchön mahlt er auch Lavater: ich habe nie eine Zeile
von ihm geleſen, und bin überzeugt von der Ähnlichkeit.
An Varnhagen, in Tübingen.
Berlin, Mittwoch den 13. December 1808. Vormittag.
— — Siehſt du, daß du ein andres Leben haben mußt,
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/393>, abgerufen am 23.12.2024.
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