vollem leerem Herzen; frustrirt um alles was wünschenswerth ist; getrennt vom Letzten. Kurz, wie vor einem sündenhaften Zaubertempel -- denn die Wirklichkeit entschwand dem den- noch nicht todten Gemüth, -- dessen Wanken ich schon sehe, dessen Einsturz gewiß ist, der mich und Alle treffen muß. Nicht gewiß ob ich wirklich wache, halb träumend ging ich so umher; mir sagend, es ist besser, daß du hier gehst, als einen einsamen abstrakten Spazirgang zu machen mit denen, die nicht die Rechten sind; du willst auch alle Tage so hingehen; was machst du dir draus, sie existiren nicht für dich. Als aber rückzu ganze Damenfamilien mit uns gingen, Legations- frauen, Banquier-Töchter und Weiber, Baroninnen, Staats- rathstöchter, Gesandten-Grafen, und ich wie unter Todten war, in eine verlegne Angst gerieth -- oder Schläfrigkeit, wie mir das jetzt immer geschieht -- nahm ich mir vor, nicht mehr dahin zu gehen. --
-- Jedoch es wird alles anders, als es selbst die Umstände zu beabsichtigen scheinen, und keine Zukunft fürcht' ich mehr den Namen nach, als ihres allgemeinen. Was mich drückt, ist das Sparen: weil ich wahrlich es immer that, und nicht weiß, wo ich die Maschine ansetzen soll. Mit Einem Wort, ich war bereitet und gefaßt nach Schlesien zu gehen, und soll mich hier nun fassen und einrichten: wollte meinem Onkel al- les klagen und Rath von ihm, und muß nun in der prekairen niedrigen Lage bleiben. Thut nichts! ich will sie nicht so an- sehen, und mit Groben nicht sein zu fühlen suchen. Nun werde ich Sie ja diesen Winter dann und wann sehen. Kommen
vollem leerem Herzen; fruſtrirt um alles was wünſchenswerth iſt; getrennt vom Letzten. Kurz, wie vor einem ſündenhaften Zaubertempel — denn die Wirklichkeit entſchwand dem den- noch nicht todten Gemüth, — deſſen Wanken ich ſchon ſehe, deſſen Einſturz gewiß iſt, der mich und Alle treffen muß. Nicht gewiß ob ich wirklich wache, halb träumend ging ich ſo umher; mir ſagend, es iſt beſſer, daß du hier gehſt, als einen einſamen abſtrakten Spazirgang zu machen mit denen, die nicht die Rechten ſind; du willſt auch alle Tage ſo hingehen; was machſt du dir draus, ſie exiſtiren nicht für dich. Als aber rückzu ganze Damenfamilien mit uns gingen, Legations- frauen, Banquier-Töchter und Weiber, Baroninnen, Staats- rathstöchter, Geſandten-Grafen, und ich wie unter Todten war, in eine verlegne Angſt gerieth — oder Schläfrigkeit, wie mir das jetzt immer geſchieht — nahm ich mir vor, nicht mehr dahin zu gehen. —
— Jedoch es wird alles anders, als es ſelbſt die Umſtände zu beabſichtigen ſcheinen, und keine Zukunft fürcht’ ich mehr den Namen nach, als ihres allgemeinen. Was mich drückt, iſt das Sparen: weil ich wahrlich es immer that, und nicht weiß, wo ich die Maſchine anſetzen ſoll. Mit Einem Wort, ich war bereitet und gefaßt nach Schleſien zu gehen, und ſoll mich hier nun faſſen und einrichten: wollte meinem Onkel al- les klagen und Rath von ihm, und muß nun in der prekairen niedrigen Lage bleiben. Thut nichts! ich will ſie nicht ſo an- ſehen, und mit Groben nicht ſein zu fühlen ſuchen. Nun werde ich Sie ja dieſen Winter dann und wann ſehen. Kommen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0549"n="535"/>
vollem leerem Herzen; fruſtrirt um alles was wünſchenswerth<lb/>
iſt; getrennt vom Letzten. Kurz, wie vor einem ſündenhaften<lb/>
Zaubertempel — denn die Wirklichkeit entſchwand dem den-<lb/>
noch nicht todten Gemüth, — deſſen Wanken ich ſchon <hirendition="#g">ſehe</hi>,<lb/>
deſſen Einſturz gewiß iſt, der mich und Alle treffen muß.<lb/>
Nicht gewiß ob ich wirklich wache, halb träumend ging ich ſo<lb/>
umher; mir ſagend, es iſt beſſer, daß du hier gehſt, als einen<lb/>
einſamen abſtrakten Spazirgang zu machen mit denen, die<lb/>
nicht die Rechten ſind; du willſt auch alle Tage ſo hingehen;<lb/>
was machſt du dir draus, ſie exiſtiren nicht für dich. Als<lb/>
aber rückzu ganze Damenfamilien mit uns gingen, Legations-<lb/>
frauen, Banquier-Töchter und Weiber, Baroninnen, Staats-<lb/>
rathstöchter, Geſandten-Grafen, und ich wie unter Todten<lb/>
war, in eine verlegne Angſt gerieth — oder Schläfrigkeit, wie<lb/>
mir das jetzt immer geſchieht — nahm ich mir vor, nicht mehr<lb/>
dahin zu gehen. —</p><lb/><p>— Jedoch es wird alles anders, als es ſelbſt die Umſtände<lb/>
zu beabſichtigen ſcheinen, und keine Zukunft fürcht’ ich mehr<lb/>
den Namen nach, als ihres allgemeinen. Was mich drückt,<lb/>
iſt das Sparen: weil ich wahrlich es immer that, und nicht<lb/>
weiß, wo ich die Maſchine anſetzen ſoll. Mit Einem Wort,<lb/>
ich war bereitet und gefaßt nach Schleſien zu gehen, und ſoll<lb/>
mich hier nun faſſen und einrichten: wollte meinem Onkel al-<lb/>
les klagen und Rath von ihm, und muß nun in der prekairen<lb/>
niedrigen Lage bleiben. Thut nichts! ich will ſie nicht ſo an-<lb/>ſehen, und mit Groben nicht ſein zu fühlen ſuchen. Nun werde<lb/>
ich Sie ja dieſen Winter dann und wann ſehen. Kommen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[535/0549]
vollem leerem Herzen; fruſtrirt um alles was wünſchenswerth
iſt; getrennt vom Letzten. Kurz, wie vor einem ſündenhaften
Zaubertempel — denn die Wirklichkeit entſchwand dem den-
noch nicht todten Gemüth, — deſſen Wanken ich ſchon ſehe,
deſſen Einſturz gewiß iſt, der mich und Alle treffen muß.
Nicht gewiß ob ich wirklich wache, halb träumend ging ich ſo
umher; mir ſagend, es iſt beſſer, daß du hier gehſt, als einen
einſamen abſtrakten Spazirgang zu machen mit denen, die
nicht die Rechten ſind; du willſt auch alle Tage ſo hingehen;
was machſt du dir draus, ſie exiſtiren nicht für dich. Als
aber rückzu ganze Damenfamilien mit uns gingen, Legations-
frauen, Banquier-Töchter und Weiber, Baroninnen, Staats-
rathstöchter, Geſandten-Grafen, und ich wie unter Todten
war, in eine verlegne Angſt gerieth — oder Schläfrigkeit, wie
mir das jetzt immer geſchieht — nahm ich mir vor, nicht mehr
dahin zu gehen. —
— Jedoch es wird alles anders, als es ſelbſt die Umſtände
zu beabſichtigen ſcheinen, und keine Zukunft fürcht’ ich mehr
den Namen nach, als ihres allgemeinen. Was mich drückt,
iſt das Sparen: weil ich wahrlich es immer that, und nicht
weiß, wo ich die Maſchine anſetzen ſoll. Mit Einem Wort,
ich war bereitet und gefaßt nach Schleſien zu gehen, und ſoll
mich hier nun faſſen und einrichten: wollte meinem Onkel al-
les klagen und Rath von ihm, und muß nun in der prekairen
niedrigen Lage bleiben. Thut nichts! ich will ſie nicht ſo an-
ſehen, und mit Groben nicht ſein zu fühlen ſuchen. Nun werde
ich Sie ja dieſen Winter dann und wann ſehen. Kommen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/549>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.