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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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mißmuthigen Seufzer nicht unterdrücken, daß sie diese Kur,
wenn man ihr deren harten Verlauf vorausgesagt hätte,
schwerlich würde unternommen haben. Ihr Vertrauen zu dem
Arzte und seiner eifrigen Bemühung blieb indeß unerschüttert
dasselbe, und sie betrauerte nur sein damals befürchtetes baldi-
ges Fortreisen.

Die Nächte waren schlimm; sie wurden meist schlaflos
und oft unter großen Beängstigungen und harten Anfällen
hingebracht, und diese Leiden gingen auch schon mehr und
mehr in die Tagesstunden über. Rahel fühlte sich ernstlich
krank und im Innersten gebeugt; sie sagte einmal insgeheim
zu Doro, die ihr vom Sommer sprach: "Ach, wenn du wüß-
test, was ich denke! ... ich denke, ich komme nicht über den
März hinaus." Allein in andern Augenblicken faßte sie doch
wieder Muth, dachte mit Vergnügen an die kommende bessere
Jahreszeit, nahm sich zusammen, war in alter Weise thätig
und theilnehmend, ordnete mit gewohnter Pünktlichkeit und
arbeitsamem Fleiß wirthschaftliche Rechnungen, sorgte mit
Überlegung und Voraussicht für Nothleidende, die sie als ihr
zugewiesene ansehen wollte, und war wie immer liebevoll be-
dacht, mehreren Personen ihres näheren Bereichs Angenehmes
und Gefälliges zu erweisen, ihnen kleine Geschenke zu berei-
ten, freundliche Mittheilungen zu machen, wie es grade der
Sinn oder die Umstände fügten.

Am 1. März hatte sie zum zweitenmal homöopathische
Arznei empfangen, und den Tag sehr unruhig, unter wechseln-
den Leiden hingebracht. In der Nacht zum 2. steigerten

mißmuthigen Seufzer nicht unterdrücken, daß ſie dieſe Kur,
wenn man ihr deren harten Verlauf vorausgeſagt hätte,
ſchwerlich würde unternommen haben. Ihr Vertrauen zu dem
Arzte und ſeiner eifrigen Bemühung blieb indeß unerſchüttert
daſſelbe, und ſie betrauerte nur ſein damals befürchtetes baldi-
ges Fortreiſen.

Die Nächte waren ſchlimm; ſie wurden meiſt ſchlaflos
und oft unter großen Beängſtigungen und harten Anfällen
hingebracht, und dieſe Leiden gingen auch ſchon mehr und
mehr in die Tagesſtunden über. Rahel fühlte ſich ernſtlich
krank und im Innerſten gebeugt; ſie ſagte einmal insgeheim
zu Doro, die ihr vom Sommer ſprach: „Ach, wenn du wüß-
teſt, was ich denke! … ich denke, ich komme nicht über den
März hinaus.“ Allein in andern Augenblicken faßte ſie doch
wieder Muth, dachte mit Vergnügen an die kommende beſſere
Jahreszeit, nahm ſich zuſammen, war in alter Weiſe thätig
und theilnehmend, ordnete mit gewohnter Pünktlichkeit und
arbeitſamem Fleiß wirthſchaftliche Rechnungen, ſorgte mit
Überlegung und Vorausſicht für Nothleidende, die ſie als ihr
zugewieſene anſehen wollte, und war wie immer liebevoll be-
dacht, mehreren Perſonen ihres näheren Bereichs Angenehmes
und Gefälliges zu erweiſen, ihnen kleine Geſchenke zu berei-
ten, freundliche Mittheilungen zu machen, wie es grade der
Sinn oder die Umſtände fügten.

Am 1. März hatte ſie zum zweitenmal homöopathiſche
Arznei empfangen, und den Tag ſehr unruhig, unter wechſeln-
den Leiden hingebracht. In der Nacht zum 2. ſteigerten

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[41/0055] mißmuthigen Seufzer nicht unterdrücken, daß ſie dieſe Kur, wenn man ihr deren harten Verlauf vorausgeſagt hätte, ſchwerlich würde unternommen haben. Ihr Vertrauen zu dem Arzte und ſeiner eifrigen Bemühung blieb indeß unerſchüttert daſſelbe, und ſie betrauerte nur ſein damals befürchtetes baldi- ges Fortreiſen. Die Nächte waren ſchlimm; ſie wurden meiſt ſchlaflos und oft unter großen Beängſtigungen und harten Anfällen hingebracht, und dieſe Leiden gingen auch ſchon mehr und mehr in die Tagesſtunden über. Rahel fühlte ſich ernſtlich krank und im Innerſten gebeugt; ſie ſagte einmal insgeheim zu Doro, die ihr vom Sommer ſprach: „Ach, wenn du wüß- teſt, was ich denke! … ich denke, ich komme nicht über den März hinaus.“ Allein in andern Augenblicken faßte ſie doch wieder Muth, dachte mit Vergnügen an die kommende beſſere Jahreszeit, nahm ſich zuſammen, war in alter Weiſe thätig und theilnehmend, ordnete mit gewohnter Pünktlichkeit und arbeitſamem Fleiß wirthſchaftliche Rechnungen, ſorgte mit Überlegung und Vorausſicht für Nothleidende, die ſie als ihr zugewieſene anſehen wollte, und war wie immer liebevoll be- dacht, mehreren Perſonen ihres näheren Bereichs Angenehmes und Gefälliges zu erweiſen, ihnen kleine Geſchenke zu berei- ten, freundliche Mittheilungen zu machen, wie es grade der Sinn oder die Umſtände fügten. Am 1. März hatte ſie zum zweitenmal homöopathiſche Arznei empfangen, und den Tag ſehr unruhig, unter wechſeln- den Leiden hingebracht. In der Nacht zum 2. ſteigerten

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/55>, abgerufen am 22.12.2024.