Von Prinz Louis habe ich Ihnen noch manchen Nachtrag zu machen: alles nur mündlich; es findet sich, wie oft, wenn ich etwas vortrage, oder mich rechtfertigen will, daß ich das Wesentlichste weglasse. Empfehlen Sie mich auf das allerbeste bei Frau von Fouque! sie hat auch in meinem Herzen eine schöne Wohnung! -- wenn sie mir aber wirklich gut ist, so bitten Sie sie, daß sie sich schon jetzt Stunden für mich aus- denkt, und in Beschlag nimmt für den Berliner Aufenthalt! Mit strenger Überlegung ist das zu machen: man muß nur eine solche Zeit nicht ohne Vorbereitung über sich kommen lassen. Der arme Robert boßt sich hier, nicht wegkommen zu können. -- Da innerlich kein Mensch dem andern helfen kann, so führen sie sich allerlei Scenen auf, wo sie's äußerlich so vortragen, als ob das doch so sein könnte; als hätten sie die Welt gemacht: Natur aber, wendet den großen Blick weg von dem wimmlenden Haufen Elend; und verläßt auch so ihre wenigen Getreuen, die in ihrem Vermissen, in ihrem Seh- nen, die Wahrhaftigkeit, bald, als goldene Zeit, vor-, bald rückwärts suchen!
Mariechen gebe ich einen Kuß über die Augen, wenn sie's erlaubt. Hätte ich doch nimmer gedacht, daß sie sich meiner Halsbänder noch erinnert. Ich will wieder für Unterhaltung sorgen; sagen Sie ihr das!
Warum sollte Louise nicht wiederkommen? Sie nicht hin- reisen? Ich lasse mir das nicht einbilden. Und Sie, müssen es gar so verzagt nicht aufgeben. Einer Muse, seiner Göt- tin, ist man die größten Wallfahrten schuldig: warum woll- ten Sie so schief leben, und das nicht ausführen? Sich mit
Von Prinz Louis habe ich Ihnen noch manchen Nachtrag zu machen: alles nur mündlich; es findet ſich, wie oft, wenn ich etwas vortrage, oder mich rechtfertigen will, daß ich das Weſentlichſte weglaſſe. Empfehlen Sie mich auf das allerbeſte bei Frau von Fouqué! ſie hat auch in meinem Herzen eine ſchöne Wohnung! — wenn ſie mir aber wirklich gut iſt, ſo bitten Sie ſie, daß ſie ſich ſchon jetzt Stunden für mich aus- denkt, und in Beſchlag nimmt für den Berliner Aufenthalt! Mit ſtrenger Überlegung iſt das zu machen: man muß nur eine ſolche Zeit nicht ohne Vorbereitung über ſich kommen laſſen. Der arme Robert boßt ſich hier, nicht wegkommen zu können. — Da innerlich kein Menſch dem andern helfen kann, ſo führen ſie ſich allerlei Scenen auf, wo ſie’s äußerlich ſo vortragen, als ob das doch ſo ſein könnte; als hätten ſie die Welt gemacht: Natur aber, wendet den großen Blick weg von dem wimmlenden Haufen Elend; und verläßt auch ſo ihre wenigen Getreuen, die in ihrem Vermiſſen, in ihrem Seh- nen, die Wahrhaftigkeit, bald, als goldene Zeit, vor-, bald rückwärts ſuchen!
Mariechen gebe ich einen Kuß über die Augen, wenn ſie’s erlaubt. Hätte ich doch nimmer gedacht, daß ſie ſich meiner Halsbänder noch erinnert. Ich will wieder für Unterhaltung ſorgen; ſagen Sie ihr das!
Warum ſollte Louiſe nicht wiederkommen? Sie nicht hin- reiſen? Ich laſſe mir das nicht einbilden. Und Sie, müſſen es gar ſo verzagt nicht aufgeben. Einer Muſe, ſeiner Göt- tin, iſt man die größten Wallfahrten ſchuldig: warum woll- ten Sie ſo ſchief leben, und das nicht ausführen? Sich mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0601"n="587"/><p>Von Prinz Louis habe ich Ihnen noch manchen Nachtrag<lb/>
zu machen: alles nur mündlich; es findet ſich, wie oft, wenn<lb/>
ich etwas vortrage, oder mich rechtfertigen will, daß ich das<lb/>
Weſentlichſte weglaſſe. Empfehlen Sie mich auf das allerbeſte<lb/>
bei Frau von Fouqu<hirendition="#aq">é</hi>! ſie hat auch in <hirendition="#g">meinem</hi> Herzen eine<lb/>ſchöne Wohnung! — wenn ſie mir aber wirklich gut iſt, ſo<lb/>
bitten Sie ſie, daß ſie ſich ſchon jetzt Stunden für mich aus-<lb/>
denkt, und in Beſchlag nimmt für den Berliner Aufenthalt!<lb/>
Mit ſtrenger Überlegung iſt das zu machen: man muß nur<lb/>
eine ſolche Zeit nicht ohne Vorbereitung über ſich kommen<lb/>
laſſen. Der arme Robert boßt ſich hier, nicht wegkommen zu<lb/>
können. — Da innerlich kein Menſch dem andern helfen kann,<lb/>ſo führen ſie ſich allerlei Scenen auf, wo ſie’s äußerlich ſo<lb/>
vortragen, als ob das doch ſo ſein könnte; als hätten ſie die<lb/>
Welt gemacht: Natur aber, wendet den großen Blick weg<lb/>
von dem wimmlenden Haufen Elend; und verläßt auch ſo<lb/>
ihre wenigen Getreuen, die in ihrem Vermiſſen, in ihrem Seh-<lb/>
nen, die Wahrhaftigkeit, bald, als goldene Zeit, vor-, bald<lb/>
rückwärts ſuchen!</p><lb/><p>Mariechen gebe ich einen Kuß über die Augen, wenn ſie’s<lb/>
erlaubt. Hätte ich doch nimmer gedacht, daß ſie ſich meiner<lb/>
Halsbänder noch erinnert. Ich will wieder für Unterhaltung<lb/>ſorgen; ſagen Sie ihr das!</p><lb/><p>Warum ſollte Louiſe nicht wiederkommen? Sie nicht hin-<lb/>
reiſen? Ich laſſe mir das nicht einbilden. Und Sie, müſſen<lb/>
es gar ſo verzagt nicht aufgeben. Einer Muſe, ſeiner Göt-<lb/>
tin, iſt man die größten Wallfahrten ſchuldig: warum woll-<lb/>
ten Sie ſo ſchief leben, und das nicht ausführen? Sich mit<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[587/0601]
Von Prinz Louis habe ich Ihnen noch manchen Nachtrag
zu machen: alles nur mündlich; es findet ſich, wie oft, wenn
ich etwas vortrage, oder mich rechtfertigen will, daß ich das
Weſentlichſte weglaſſe. Empfehlen Sie mich auf das allerbeſte
bei Frau von Fouqué! ſie hat auch in meinem Herzen eine
ſchöne Wohnung! — wenn ſie mir aber wirklich gut iſt, ſo
bitten Sie ſie, daß ſie ſich ſchon jetzt Stunden für mich aus-
denkt, und in Beſchlag nimmt für den Berliner Aufenthalt!
Mit ſtrenger Überlegung iſt das zu machen: man muß nur
eine ſolche Zeit nicht ohne Vorbereitung über ſich kommen
laſſen. Der arme Robert boßt ſich hier, nicht wegkommen zu
können. — Da innerlich kein Menſch dem andern helfen kann,
ſo führen ſie ſich allerlei Scenen auf, wo ſie’s äußerlich ſo
vortragen, als ob das doch ſo ſein könnte; als hätten ſie die
Welt gemacht: Natur aber, wendet den großen Blick weg
von dem wimmlenden Haufen Elend; und verläßt auch ſo
ihre wenigen Getreuen, die in ihrem Vermiſſen, in ihrem Seh-
nen, die Wahrhaftigkeit, bald, als goldene Zeit, vor-, bald
rückwärts ſuchen!
Mariechen gebe ich einen Kuß über die Augen, wenn ſie’s
erlaubt. Hätte ich doch nimmer gedacht, daß ſie ſich meiner
Halsbänder noch erinnert. Ich will wieder für Unterhaltung
ſorgen; ſagen Sie ihr das!
Warum ſollte Louiſe nicht wiederkommen? Sie nicht hin-
reiſen? Ich laſſe mir das nicht einbilden. Und Sie, müſſen
es gar ſo verzagt nicht aufgeben. Einer Muſe, ſeiner Göt-
tin, iſt man die größten Wallfahrten ſchuldig: warum woll-
ten Sie ſo ſchief leben, und das nicht ausführen? Sich mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/601>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.