Kurz, es ist Urquijo. Er ist in des Staatskanzlers Gefolge: hat den Monat 60 Thaler, die er nicht nehmen will, sagt er. Seine Nation will nichts von ihm wissen, sagte mir Bartholdy und Graf Bombelles. Militair will er nicht sein: er soll hier für uns die Verwundeten fortschaffen helfen. Ein schöner Schaffer! Er spricht keine Sprache. Er besucht mich dann und wann. Ich habe ihn erst schlecht behandlen müssen. Weil er mir sagte, er sei drei Tage in Berlin gewesen, und habe mich dort besuchen wollen. "Parceque vous etiez dans le mal- heur", sagte ich ihm sogar. Dann will er mich besuchen. Jetzt laß ich ihn mehr gehen. Gut bin ich ihm auch. Du weißt alles. Das, das, Varnhagen, ist meine Wonne und meine Liebe zu dir. O! bleib mir! bleib leben! --
Eben war wieder ein Jäger bei mir, der wollte einen an- dern Jäger Cantian, Bartholdy's Wirthssohn, suchen; so geht's den ganzen Tag. Wie bei einem Kommissair; auch bin ich mit den preußischen in Verbindung. Ich bin ganz freudig, den Soldaten dienen zu können: Gott muß ich danken; und thue es gewiß: ich schäme mich oft des Glücks; warum kann ich ihnen dienen, und sie nicht mir? wer bin ich? Ich kann sie nicht mehr zählen und erkennen, denen ich schon alles Gutes gethan habe! Also doch Ein mal eine Für- stin! Ach du solltest unsere Preußen sehen! Die Bescheiden- heit! die Wunden! das, denken sie, muß nur so sein! Ein Hemde wollen sie nie nehmen, und wiederkommen zur Wohl- that nie! "Ach wie kann ich so viel annehmen!" sagt der Gemeinste, "wie thun Sie so viel an mir!" Ich bedeute ihnen dann, daß ich nur ein Kommissionair bin, und von
Kurz, es iſt Urquijo. Er iſt in des Staatskanzlers Gefolge: hat den Monat 60 Thaler, die er nicht nehmen will, ſagt er. Seine Nation will nichts von ihm wiſſen, ſagte mir Bartholdy und Graf Bombelles. Militair will er nicht ſein: er ſoll hier für uns die Verwundeten fortſchaffen helfen. Ein ſchöner Schaffer! Er ſpricht keine Sprache. Er beſucht mich dann und wann. Ich habe ihn erſt ſchlecht behandlen müſſen. Weil er mir ſagte, er ſei drei Tage in Berlin geweſen, und habe mich dort beſuchen wollen. „Parceque vous étiez dans le mal- heur“, ſagte ich ihm ſogar. Dann will er mich beſuchen. Jetzt laß ich ihn mehr gehen. Gut bin ich ihm auch. Du weißt alles. Das, das, Varnhagen, iſt meine Wonne und meine Liebe zu dir. O! bleib mir! bleib leben! —
Eben war wieder ein Jäger bei mir, der wollte einen an- dern Jäger Cantian, Bartholdy’s Wirthsſohn, ſuchen; ſo geht’s den ganzen Tag. Wie bei einem Kommiſſair; auch bin ich mit den preußiſchen in Verbindung. Ich bin ganz freudig, den Soldaten dienen zu können: Gott muß ich danken; und thue es gewiß: ich ſchäme mich oft des Glücks; warum kann ich ihnen dienen, und ſie nicht mir? wer bin ich? Ich kann ſie nicht mehr zählen und erkennen, denen ich ſchon alles Gutes gethan habe! Alſo doch Ein mal eine Für- ſtin! Ach du ſollteſt unſere Preußen ſehen! Die Beſcheiden- heit! die Wunden! das, denken ſie, muß nur ſo ſein! Ein Hemde wollen ſie nie nehmen, und wiederkommen zur Wohl- that nie! „Ach wie kann ich ſo viel annehmen!“ ſagt der Gemeinſte, „wie thun Sie ſo viel an mir!“ Ich bedeute ihnen dann, daß ich nur ein Kommiſſionair bin, und von
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Kurz, es iſt Urquijo. Er iſt in des Staatskanzlers Gefolge:
hat den Monat 60 Thaler, die er nicht nehmen will, ſagt er.
Seine Nation will nichts von ihm wiſſen, ſagte mir Bartholdy
und Graf Bombelles. Militair will er nicht ſein: er ſoll hier
für uns die Verwundeten fortſchaffen helfen. Ein ſchöner
Schaffer! Er ſpricht keine Sprache. Er beſucht mich dann
und wann. Ich habe ihn erſt ſchlecht behandlen müſſen. Weil
er mir ſagte, er ſei drei Tage in Berlin geweſen, und habe
mich dort beſuchen wollen. „Parceque vous étiez dans le mal-
heur“, ſagte ich ihm ſogar. Dann will er mich beſuchen.
Jetzt laß ich ihn mehr gehen. Gut bin ich ihm auch. Du
weißt alles. Das, das, Varnhagen, iſt meine Wonne und
meine Liebe zu dir. O! bleib mir! bleib leben! —
Eben war wieder ein Jäger bei mir, der wollte einen an-
dern Jäger Cantian, Bartholdy’s Wirthsſohn, ſuchen; ſo
geht’s den ganzen Tag. Wie bei einem Kommiſſair; auch
bin ich mit den preußiſchen in Verbindung. Ich bin ganz
freudig, den Soldaten dienen zu können: Gott muß ich
danken; und thue es gewiß: ich ſchäme mich oft des Glücks;
warum kann ich ihnen dienen, und ſie nicht mir? wer bin
ich? Ich kann ſie nicht mehr zählen und erkennen, denen ich
ſchon alles Gutes gethan habe! Alſo doch Ein mal eine Für-
ſtin! Ach du ſollteſt unſere Preußen ſehen! Die Beſcheiden-
heit! die Wunden! das, denken ſie, muß nur ſo ſein! Ein
Hemde wollen ſie nie nehmen, und wiederkommen zur Wohl-
that nie! „Ach wie kann ich ſo viel annehmen!“ ſagt der
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/135>, abgerufen am 28.11.2024.
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