wenigsten. -- Bei mir platzt alles heraus! Und laß mich nur so, Lieber! Wir werden wieder zusammen sein, und neues Leben entzündet sich immer wieder: so lange sie steht, die Natur. Ich habe nun schon über dritthalbtausend Gulden für meine Soldaten, und viele Geschäfte. Dies nimmt mir alle Zeit und vielen Sinn. Mendelssohn läßt in's Unendliche hier Jäger durch mich kleiden. --
Den 31. erhielt ich einen Brief von Frau von Humboldt, die mir sehr oft -- auch durch General Bentheim, der vor acht Tagen angekommen ist, und den sie sehr schätzt und liebt (ich habe ihr geantwortet, Gott hat ihn hübsch gemacht und menschlich, für Menschen, die es sehen können) -- schreibt, mit einem Billete von Frau von Wolzogen, die hier ange- kommen war, und mich besuchen wollte: Frau von Humboldt meinte, sie würde länger hier bleiben, und empfahl sie mir mit großer Liebe, für sie und für mich. Ich sah die Frau bei sich, weil sie unpaß wurde. Eine durchlebte, gütige, ge- faßte, erschütterte Frau. Sie reiste gestern im Gefolge der Prinzessin nach Weimar, um der Armee näher zu sein, mit ihrem angstvoll gefaßten Herzen, sie hat einen Sohn bei Blü- cher. Sie hat mich mit einem großen Glücke überrascht. Sie sagte mir mit einemmale: "Ich habe Briefe von Ihnen gele- sen, die sehr schön sind!" Ich dachte, an Frau von Hum- boldt: sie setzte hinzu: "über Goethe; es hat ihn unendlich gefreut; es ist ihm so nöthig, er wird so häufig mißverstan- den, so vielfältig nicht gut berührt," -- so ungefähr sprach sie -- "es hat ihm außerordentlich wohlgethan." -- Ich sagte
wenigſten. — Bei mir platzt alles heraus! Und laß mich nur ſo, Lieber! Wir werden wieder zuſammen ſein, und neues Leben entzündet ſich immer wieder: ſo lange ſie ſteht, die Natur. Ich habe nun ſchon über dritthalbtauſend Gulden für meine Soldaten, und viele Geſchäfte. Dies nimmt mir alle Zeit und vielen Sinn. Mendelsſohn läßt in’s Unendliche hier Jäger durch mich kleiden. —
Den 31. erhielt ich einen Brief von Frau von Humboldt, die mir ſehr oft — auch durch General Bentheim, der vor acht Tagen angekommen iſt, und den ſie ſehr ſchätzt und liebt (ich habe ihr geantwortet, Gott hat ihn hübſch gemacht und menſchlich, für Menſchen, die es ſehen können) — ſchreibt, mit einem Billete von Frau von Wolzogen, die hier ange- kommen war, und mich beſuchen wollte: Frau von Humboldt meinte, ſie würde länger hier bleiben, und empfahl ſie mir mit großer Liebe, für ſie und für mich. Ich ſah die Frau bei ſich, weil ſie unpaß wurde. Eine durchlebte, gütige, ge- faßte, erſchütterte Frau. Sie reiſte geſtern im Gefolge der Prinzeſſin nach Weimar, um der Armee näher zu ſein, mit ihrem angſtvoll gefaßten Herzen, ſie hat einen Sohn bei Blü- cher. Sie hat mich mit einem großen Glücke überraſcht. Sie ſagte mir mit einemmale: „Ich habe Briefe von Ihnen gele- ſen, die ſehr ſchön ſind!“ Ich dachte, an Frau von Hum- boldt: ſie ſetzte hinzu: „über Goethe; es hat ihn unendlich gefreut; es iſt ihm ſo nöthig, er wird ſo häufig mißverſtan- den, ſo vielfältig nicht gut berührt,“ — ſo ungefähr ſprach ſie — „es hat ihm außerordentlich wohlgethan.“ — Ich ſagte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0150"n="142"/>
wenigſten. — Bei mir platzt alles heraus! Und laß mich<lb/>
nur ſo, Lieber! Wir werden wieder zuſammen ſein, und<lb/>
neues Leben entzündet ſich immer wieder: ſo lange ſie ſteht,<lb/>
die Natur. Ich habe nun ſchon über dritthalbtauſend Gulden<lb/>
für meine Soldaten, und viele Geſchäfte. Dies nimmt mir alle<lb/>
Zeit und vielen Sinn. Mendelsſohn läßt in’s Unendliche hier<lb/>
Jäger durch mich kleiden. —</p><lb/><p>Den 31. erhielt ich einen Brief von Frau von Humboldt,<lb/>
die mir ſehr oft — auch durch General Bentheim, der vor<lb/>
acht Tagen angekommen iſt, und den ſie ſehr ſchätzt und liebt<lb/>
(ich habe ihr geantwortet, Gott hat ihn hübſch gemacht und<lb/>
menſchlich, für Menſchen, die es ſehen können) —ſchreibt,<lb/>
mit einem Billete von Frau von Wolzogen, die hier ange-<lb/>
kommen war, und mich beſuchen wollte: Frau von Humboldt<lb/>
meinte, ſie würde länger hier bleiben, und empfahl ſie mir<lb/>
mit großer Liebe, für ſie und für mich. Ich ſah die Frau<lb/>
bei ſich, weil ſie unpaß wurde. Eine durchlebte, gütige, ge-<lb/>
faßte, erſchütterte Frau. Sie reiſte geſtern im Gefolge der<lb/>
Prinzeſſin nach Weimar, um der Armee näher zu ſein, mit<lb/>
ihrem angſtvoll gefaßten Herzen, ſie hat einen Sohn bei Blü-<lb/>
cher. Sie hat mich mit einem großen Glücke überraſcht. Sie<lb/>ſagte mir mit einemmale: „Ich habe Briefe von Ihnen gele-<lb/>ſen, die ſehr ſchön ſind!“ Ich dachte, an Frau von Hum-<lb/>
boldt: ſie ſetzte hinzu: „über Goethe; es hat ihn unendlich<lb/>
gefreut; es iſt ihm ſo nöthig, er wird ſo häufig mißverſtan-<lb/>
den, ſo vielfältig nicht gut berührt,“—ſo ungefähr ſprach<lb/>ſie —„es hat ihm außerordentlich wohlgethan.“— Ich ſagte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[142/0150]
wenigſten. — Bei mir platzt alles heraus! Und laß mich
nur ſo, Lieber! Wir werden wieder zuſammen ſein, und
neues Leben entzündet ſich immer wieder: ſo lange ſie ſteht,
die Natur. Ich habe nun ſchon über dritthalbtauſend Gulden
für meine Soldaten, und viele Geſchäfte. Dies nimmt mir alle
Zeit und vielen Sinn. Mendelsſohn läßt in’s Unendliche hier
Jäger durch mich kleiden. —
Den 31. erhielt ich einen Brief von Frau von Humboldt,
die mir ſehr oft — auch durch General Bentheim, der vor
acht Tagen angekommen iſt, und den ſie ſehr ſchätzt und liebt
(ich habe ihr geantwortet, Gott hat ihn hübſch gemacht und
menſchlich, für Menſchen, die es ſehen können) — ſchreibt,
mit einem Billete von Frau von Wolzogen, die hier ange-
kommen war, und mich beſuchen wollte: Frau von Humboldt
meinte, ſie würde länger hier bleiben, und empfahl ſie mir
mit großer Liebe, für ſie und für mich. Ich ſah die Frau
bei ſich, weil ſie unpaß wurde. Eine durchlebte, gütige, ge-
faßte, erſchütterte Frau. Sie reiſte geſtern im Gefolge der
Prinzeſſin nach Weimar, um der Armee näher zu ſein, mit
ihrem angſtvoll gefaßten Herzen, ſie hat einen Sohn bei Blü-
cher. Sie hat mich mit einem großen Glücke überraſcht. Sie
ſagte mir mit einemmale: „Ich habe Briefe von Ihnen gele-
ſen, die ſehr ſchön ſind!“ Ich dachte, an Frau von Hum-
boldt: ſie ſetzte hinzu: „über Goethe; es hat ihn unendlich
gefreut; es iſt ihm ſo nöthig, er wird ſo häufig mißverſtan-
den, ſo vielfältig nicht gut berührt,“ — ſo ungefähr ſprach
ſie — „es hat ihm außerordentlich wohlgethan.“ — Ich ſagte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/150>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.