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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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habe; und weil Sie mir geschrieben haben. Erwarten Sie
sich aber kein gescheidtes Wort, und auch nur wenige. Liebe
Freundin, ich habe Schmerzen, bei denen ich schreien und
weinen muß. Ich kann nicht gut liegen, auch nich sitzen,
das noch am wenigsten, und gehe mit Beschwerden, ein solch
rheumatisches Bein habe ich von der Hüfte an. Ich muß es
mit Seifenspiritus einreiben, und baden, mitten im strengsten
Winter, zwei Treppen hoch, wo ich keinen Kessel habe, in ei-
nem fremden Hause! kurz, Gott will es; so wie ich keine
Schmerzen habe, bin ich vergnügt. Aber meine Nerven leiden
zu sehr davon. Ich sehe und höre natürlich nichts. Und
keinen Menschen. Auguste ist noch sehr schwach, freute sich
wie ich über Ihren Brief, findet ihn deliziös und unterhaltend;
sagt: wenn ich sie nur alle erst einmal gesehen hätte! und
will mit Gewalt morgen Don Juan, den der Kapellmeister
Karl Maria Weber zu seinem Benefiz hat, hören. Mlle.
Brandt spielt Zerline, und Mad. Schröder ihr Mann aus
Hamburg -- von denen beiden ich Mendelss. schrieb -- den
Don Juan. Ich Unsel'ge kann nicht hin. -- Ihr Logis freut
mich ungemein, so möge meiner lieben Ernestine alles gelin-
gen! als ich Ihren Brief sah und las, wußt' ich erst wieder,
wie lieb ich Sie habe. Wahrlich wie eine Schwester, für die
man gewöhnt ist von Kindheit an zu sorgen: und die man
von Natur gut leiden kann. Wie kommen die beiden Mäd-
chen zu S --? das wundert mich mehr, als daß sie sich der
präzipitirten Einladung fügten! Die Erde ist so dunkel, nur
die Hälfte der Zeit erlustigt und beschienen, der Mensch so
vergnügungslustig eingerichtet, daß ich es ihnen nicht verdenke,

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habe; und weil Sie mir geſchrieben haben. Erwarten Sie
ſich aber kein geſcheidtes Wort, und auch nur wenige. Liebe
Freundin, ich habe Schmerzen, bei denen ich ſchreien und
weinen muß. Ich kann nicht gut liegen, auch nich ſitzen,
das noch am wenigſten, und gehe mit Beſchwerden, ein ſolch
rheumatiſches Bein habe ich von der Hüfte an. Ich muß es
mit Seifenſpiritus einreiben, und baden, mitten im ſtrengſten
Winter, zwei Treppen hoch, wo ich keinen Keſſel habe, in ei-
nem fremden Hauſe! kurz, Gott will es; ſo wie ich keine
Schmerzen habe, bin ich vergnügt. Aber meine Nerven leiden
zu ſehr davon. Ich ſehe und höre natürlich nichts. Und
keinen Menſchen. Auguſte iſt noch ſehr ſchwach, freute ſich
wie ich über Ihren Brief, findet ihn deliziös und unterhaltend;
ſagt: wenn ich ſie nur alle erſt einmal geſehen hätte! und
will mit Gewalt morgen Don Juan, den der Kapellmeiſter
Karl Maria Weber zu ſeinem Benefiz hat, hören. Mlle.
Brandt ſpielt Zerline, und Mad. Schröder ihr Mann aus
Hamburg — von denen beiden ich Mendelsſ. ſchrieb — den
Don Juan. Ich Unſel’ge kann nicht hin. — Ihr Logis freut
mich ungemein, ſo möge meiner lieben Erneſtine alles gelin-
gen! als ich Ihren Brief ſah und las, wußt’ ich erſt wieder,
wie lieb ich Sie habe. Wahrlich wie eine Schweſter, für die
man gewöhnt iſt von Kindheit an zu ſorgen: und die man
von Natur gut leiden kann. Wie kommen die beiden Mäd-
chen zu S —? das wundert mich mehr, als daß ſie ſich der
präzipitirten Einladung fügten! Die Erde iſt ſo dunkel, nur
die Hälfte der Zeit erluſtigt und beſchienen, der Menſch ſo
vergnügungsluſtig eingerichtet, daß ich es ihnen nicht verdenke,

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[163/0171] habe; und weil Sie mir geſchrieben haben. Erwarten Sie ſich aber kein geſcheidtes Wort, und auch nur wenige. Liebe Freundin, ich habe Schmerzen, bei denen ich ſchreien und weinen muß. Ich kann nicht gut liegen, auch nich ſitzen, das noch am wenigſten, und gehe mit Beſchwerden, ein ſolch rheumatiſches Bein habe ich von der Hüfte an. Ich muß es mit Seifenſpiritus einreiben, und baden, mitten im ſtrengſten Winter, zwei Treppen hoch, wo ich keinen Keſſel habe, in ei- nem fremden Hauſe! kurz, Gott will es; ſo wie ich keine Schmerzen habe, bin ich vergnügt. Aber meine Nerven leiden zu ſehr davon. Ich ſehe und höre natürlich nichts. Und keinen Menſchen. Auguſte iſt noch ſehr ſchwach, freute ſich wie ich über Ihren Brief, findet ihn deliziös und unterhaltend; ſagt: wenn ich ſie nur alle erſt einmal geſehen hätte! und will mit Gewalt morgen Don Juan, den der Kapellmeiſter Karl Maria Weber zu ſeinem Benefiz hat, hören. Mlle. Brandt ſpielt Zerline, und Mad. Schröder ihr Mann aus Hamburg — von denen beiden ich Mendelsſ. ſchrieb — den Don Juan. Ich Unſel’ge kann nicht hin. — Ihr Logis freut mich ungemein, ſo möge meiner lieben Erneſtine alles gelin- gen! als ich Ihren Brief ſah und las, wußt’ ich erſt wieder, wie lieb ich Sie habe. Wahrlich wie eine Schweſter, für die man gewöhnt iſt von Kindheit an zu ſorgen: und die man von Natur gut leiden kann. Wie kommen die beiden Mäd- chen zu S —? das wundert mich mehr, als daß ſie ſich der präzipitirten Einladung fügten! Die Erde iſt ſo dunkel, nur die Hälfte der Zeit erluſtigt und beſchienen, der Menſch ſo vergnügungsluſtig eingerichtet, daß ich es ihnen nicht verdenke, 11 *

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/171>, abgerufen am 25.11.2024.