Lebt wohl. Mein Kopf erträgt in der unbequemen Lage das Schreiben nicht: ich kann mich nicht rühren. Frau von Sp. werde ich antworten, wenn ich wieder gesund bin. Ich habe nichts aus ihrem ersten Brief schief genommen: sie irrt sich. Meine Antwort war auch sanft, sie soll sie nur so le- sen. Warum antwortet mir Ernestine nicht, der ich noch nach Urquijo geschrieben habe, oder mit ihm, eins von beiden? -- Adieu! Mein Arzt!
R. R.
Eben hat mir mein Arzt eine neue Einreibung angekün- digt, nach der ein Ausschlag kommen wird. Noch besser! Ängstigt euch nur nicht, das Härteste hab' ich wohl ausgehal- ten. Ich bin schon wieder gefaßter. Habe aber Mörderzeiten.
Adieu. --
Prag, den 14. Februar 1814.
Obgleich tausend Dinge mich umgeben, die alle mit Un- geduld mich abrufen vom Schreiben, obgleich tausend andere sich vordrängen, und gleich zuerst geschrieben sein wollen, ob- gleich ich seit Freitag von unserer gewonnenen Schlacht in Frankreich weiß, so daß ich ganz mich und alles Leid ver- gaß: so laß uns doch zuerst von unserm verehrten Lehrer und Freund sprechen, dem ich Ehre und Leben in die Hand gege- ben haben würde, ohne noch hinzusehen; dem ich das tausend- mal in die Augen hineindachte, und nie sagte, welches ich jetzt grimmig bereue, weil einem Menschen von andern edeln, den- kenden, nichts Höheres werden kann, und wozu ich Elende nie den Muth hatte! Laß uns von Fichte sprechen! -- Deutschland hat sein eines Auge zugethan; wie ein Einäugi-
Lebt wohl. Mein Kopf erträgt in der unbequemen Lage das Schreiben nicht: ich kann mich nicht rühren. Frau von Sp. werde ich antworten, wenn ich wieder geſund bin. Ich habe nichts aus ihrem erſten Brief ſchief genommen: ſie irrt ſich. Meine Antwort war auch ſanft, ſie ſoll ſie nur ſo le- ſen. Warum antwortet mir Erneſtine nicht, der ich noch nach Urquijo geſchrieben habe, oder mit ihm, eins von beiden? — Adieu! Mein Arzt!
R. R.
Eben hat mir mein Arzt eine neue Einreibung angekün- digt, nach der ein Ausſchlag kommen wird. Noch beſſer! Ängſtigt euch nur nicht, das Härteſte hab’ ich wohl ausgehal- ten. Ich bin ſchon wieder gefaßter. Habe aber Mörderzeiten.
Adieu. —
Prag, den 14. Februar 1814.
Obgleich tauſend Dinge mich umgeben, die alle mit Un- geduld mich abrufen vom Schreiben, obgleich tauſend andere ſich vordrängen, und gleich zuerſt geſchrieben ſein wollen, ob- gleich ich ſeit Freitag von unſerer gewonnenen Schlacht in Frankreich weiß, ſo daß ich ganz mich und alles Leid ver- gaß: ſo laß uns doch zuerſt von unſerm verehrten Lehrer und Freund ſprechen, dem ich Ehre und Leben in die Hand gege- ben haben würde, ohne noch hinzuſehen; dem ich das tauſend- mal in die Augen hineindachte, und nie ſagte, welches ich jetzt grimmig bereue, weil einem Menſchen von andern edeln, den- kenden, nichts Höheres werden kann, und wozu ich Elende nie den Muth hatte! Laß uns von Fichte ſprechen! — Deutſchland hat ſein eines Auge zugethan; wie ein Einäugi-
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Lebt wohl. Mein Kopf erträgt in der unbequemen Lage
das Schreiben nicht: ich kann mich nicht rühren. Frau von
Sp. werde ich antworten, wenn ich wieder geſund bin. Ich
habe nichts aus ihrem erſten Brief ſchief genommen: ſie irrt
ſich. Meine Antwort war auch ſanft, ſie ſoll ſie nur ſo le-
ſen. Warum antwortet mir Erneſtine nicht, der ich noch nach
Urquijo geſchrieben habe, oder mit ihm, eins von beiden? —
Adieu! Mein Arzt!
R. R.
Eben hat mir mein Arzt eine neue Einreibung angekün-
digt, nach der ein Ausſchlag kommen wird. Noch beſſer!
Ängſtigt euch nur nicht, das Härteſte hab’ ich wohl ausgehal-
ten. Ich bin ſchon wieder gefaßter. Habe aber Mörderzeiten.
Adieu. —
Prag, den 14. Februar 1814.
Obgleich tauſend Dinge mich umgeben, die alle mit Un-
geduld mich abrufen vom Schreiben, obgleich tauſend andere
ſich vordrängen, und gleich zuerſt geſchrieben ſein wollen, ob-
gleich ich ſeit Freitag von unſerer gewonnenen Schlacht in
Frankreich weiß, ſo daß ich ganz mich und alles Leid ver-
gaß: ſo laß uns doch zuerſt von unſerm verehrten Lehrer und
Freund ſprechen, dem ich Ehre und Leben in die Hand gege-
ben haben würde, ohne noch hinzuſehen; dem ich das tauſend-
mal in die Augen hineindachte, und nie ſagte, welches ich jetzt
grimmig bereue, weil einem Menſchen von andern edeln, den-
kenden, nichts Höheres werden kann, und wozu ich Elende
nie den Muth hatte! Laß uns von Fichte ſprechen! —
Deutſchland hat ſein eines Auge zugethan; wie ein Einäugi-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/179>, abgerufen am 24.11.2024.
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