man gewöhnt sich daran." Dann wollte der außer sich ge- rathen. Die Beiden waren komisch zusammen. --
Prag, den 28. März 1814.
Die Geschichte der Madame de la Pommeraye in Dide- rot's Jaques le Fataliste ist für mich viel tragischer, als die von Romeo und Julia im Shakespeare. In jener ist gar kein zufälliges Unglück, welches sich zu dem der Liebe noch erst gesellen müßte. Die Frau muß ihr größtes Leid erleben, worein sie nicht willigen will; sie schafft sich Rache, die ihr gelingt, sie drückt sie fest auf das schmerzende Herz. Vergeb- lich! dem Feinde ist Glück in der Liebe zugedacht, er findet es in der Schande, die sie ihm bereitete, weil ein Gott ihn segnete, aber von ihr sich wendet, und allein muß sie bleiben, mit dem Schaden für's Leben. Das hat Diderot sehr richtig gefühlt, und auch er allein nur, meines Wissens dargestellt. Das ist nicht tragisch, was andere Moralisten zeigen; wie man sich selbst schadet, was man vermeiden könnte, wie man sich Unglück zuzieht, wie man mit den Göttern wählen sollte und nicht ohne sie, wie innerer Friede schätzenswerther als ander Gewünschtes sei. Tragisch ist das, was wir durchaus nicht verstehen, worein wir uns ergeben müssen; welches keine Klugheit, keine Weisheit zerstören noch vermeiden kann; wohin unsere innerste Natur uns treibt, reißt, lockt, unvermeidlich führt und hält; wenn dies uns zerstört, und wir mit der Frage sitzen bleiben: Warum? warum mir das, warum ich dazu ge- macht? und aller Geist und alle Kraft nur dient, die Zerstö- rung zu fassen, zu fühlen, oder sich über sie zu zerstreuen. --
man gewöhnt ſich daran.“ Dann wollte der außer ſich ge- rathen. Die Beiden waren komiſch zuſammen. —
Prag, den 28. März 1814.
Die Geſchichte der Madame de la Pommeraye in Dide- rot’s Jaques le Fataliste iſt für mich viel tragiſcher, als die von Romeo und Julia im Shakeſpeare. In jener iſt gar kein zufälliges Unglück, welches ſich zu dem der Liebe noch erſt geſellen müßte. Die Frau muß ihr größtes Leid erleben, worein ſie nicht willigen will; ſie ſchafft ſich Rache, die ihr gelingt, ſie drückt ſie feſt auf das ſchmerzende Herz. Vergeb- lich! dem Feinde iſt Glück in der Liebe zugedacht, er findet es in der Schande, die ſie ihm bereitete, weil ein Gott ihn ſegnete, aber von ihr ſich wendet, und allein muß ſie bleiben, mit dem Schaden für’s Leben. Das hat Diderot ſehr richtig gefühlt, und auch er allein nur, meines Wiſſens dargeſtellt. Das iſt nicht tragiſch, was andere Moraliſten zeigen; wie man ſich ſelbſt ſchadet, was man vermeiden könnte, wie man ſich Unglück zuzieht, wie man mit den Göttern wählen ſollte und nicht ohne ſie, wie innerer Friede ſchätzenswerther als ander Gewünſchtes ſei. Tragiſch iſt das, was wir durchaus nicht verſtehen, worein wir uns ergeben müſſen; welches keine Klugheit, keine Weisheit zerſtören noch vermeiden kann; wohin unſere innerſte Natur uns treibt, reißt, lockt, unvermeidlich führt und hält; wenn dies uns zerſtört, und wir mit der Frage ſitzen bleiben: Warum? warum mir das, warum ich dazu ge- macht? und aller Geiſt und alle Kraft nur dient, die Zerſtö- rung zu faſſen, zu fühlen, oder ſich über ſie zu zerſtreuen. —
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man gewöhnt ſich daran.“ Dann wollte der außer ſich ge-
rathen. Die Beiden waren komiſch zuſammen. —
Prag, den 28. März 1814.
Die Geſchichte der Madame de la Pommeraye in Dide-
rot’s Jaques le Fataliste iſt für mich viel tragiſcher, als die
von Romeo und Julia im Shakeſpeare. In jener iſt gar
kein zufälliges Unglück, welches ſich zu dem der Liebe noch
erſt geſellen müßte. Die Frau muß ihr größtes Leid erleben,
worein ſie nicht willigen will; ſie ſchafft ſich Rache, die ihr
gelingt, ſie drückt ſie feſt auf das ſchmerzende Herz. Vergeb-
lich! dem Feinde iſt Glück in der Liebe zugedacht, er findet
es in der Schande, die ſie ihm bereitete, weil ein Gott ihn
ſegnete, aber von ihr ſich wendet, und allein muß ſie bleiben,
mit dem Schaden für’s Leben. Das hat Diderot ſehr richtig
gefühlt, und auch er allein nur, meines Wiſſens dargeſtellt.
Das iſt nicht tragiſch, was andere Moraliſten zeigen; wie
man ſich ſelbſt ſchadet, was man vermeiden könnte, wie man
ſich Unglück zuzieht, wie man mit den Göttern wählen ſollte
und nicht ohne ſie, wie innerer Friede ſchätzenswerther als
ander Gewünſchtes ſei. Tragiſch iſt das, was wir durchaus
nicht verſtehen, worein wir uns ergeben müſſen; welches keine
Klugheit, keine Weisheit zerſtören noch vermeiden kann; wohin
unſere innerſte Natur uns treibt, reißt, lockt, unvermeidlich
führt und hält; wenn dies uns zerſtört, und wir mit der Frage
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/197>, abgerufen am 22.11.2024.
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