im Frühling, in meiner unglaublichen Besserung! Seit Dienstag gehe, und fahre ich täglich aus. Ach und Hans! dich, wollt' ich zum Muth ermahnen, den ich habe. Ich gehe mit zwei Händen am Geländer gehalten wie ein Kind in der Laufbank, doch allein die Treppe hinab. War bei Liebichs auf der Schildwacht, die auf einem Berg liegt; sie gingen durch den Garten herab: ich einen Stufenberg ganz allein ohne Furcht, das zweitemal als ich aus war!! habe Schmer- zen, und Inkommoditäten, Schwächen, Schweiße; Fröste, Un- behaglichkeiten aller Art; und achte sie nicht! Ermunterte, und ergötzte alle Leute; bis gestern. Da erfuhr ich, daß in der Zeitung gestanden habe, Tettenborn und sein Adjutant seien verwundet; der General leicht, jener schwer am Kopf. Ich las in der Halsentzündung zwei Zeitungen nicht; in de- nen stand es: damals wär' ich gestorben; sie lagen neben mir, ich vermochte sie aus Fieber nicht zu lesen! Nun hat die Welt den Frieden; ich nicht. Gott reicht es mir; ich bin still. Aber schreiben kann ich nicht. Seid nicht besorgt! ich erhalte, und tröste mich, da es noch nicht gewiß ist. Seit dem 17. Februar weiß ich nichts von ihm. Adieu. Gott richtet es ein: sonst hätte ich ja jetzt in diesem Falle sterben können. Ich gehe in der Unruhe heute in Fanchon.
Adieu, adieu. Rahel.
Mit Graf Luckner kommen Zeitungen, Bulletins, Komö- dienzettel, Reden, alles!
im Frühling, in meiner unglaublichen Beſſerung! Seit Dienstag gehe, und fahre ich täglich aus. Ach und Hans! dich, wollt’ ich zum Muth ermahnen, den ich habe. Ich gehe mit zwei Händen am Geländer gehalten wie ein Kind in der Laufbank, doch allein die Treppe hinab. War bei Liebichs auf der Schildwacht, die auf einem Berg liegt; ſie gingen durch den Garten herab: ich einen Stufenberg ganz allein ohne Furcht, das zweitemal als ich aus war!! habe Schmer- zen, und Inkommoditäten, Schwächen, Schweiße; Fröſte, Un- behaglichkeiten aller Art; und achte ſie nicht! Ermunterte, und ergötzte alle Leute; bis geſtern. Da erfuhr ich, daß in der Zeitung geſtanden habe, Tettenborn und ſein Adjutant ſeien verwundet; der General leicht, jener ſchwer am Kopf. Ich las in der Halsentzündung zwei Zeitungen nicht; in de- nen ſtand es: damals wär’ ich geſtorben; ſie lagen neben mir, ich vermochte ſie aus Fieber nicht zu leſen! Nun hat die Welt den Frieden; ich nicht. Gott reicht es mir; ich bin ſtill. Aber ſchreiben kann ich nicht. Seid nicht beſorgt! ich erhalte, und tröſte mich, da es noch nicht gewiß iſt. Seit dem 17. Februar weiß ich nichts von ihm. Adieu. Gott richtet es ein: ſonſt hätte ich ja jetzt in dieſem Falle ſterben können. Ich gehe in der Unruhe heute in Fanchon.
Adieu, adieu. Rahel.
Mit Graf Luckner kommen Zeitungen, Bulletins, Komö- dienzettel, Reden, alles!
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im Frühling, in meiner unglaublichen Beſſerung! Seit
Dienstag gehe, und fahre ich täglich aus. Ach und Hans!
dich, wollt’ ich zum Muth ermahnen, den ich habe. Ich gehe
mit zwei Händen am Geländer gehalten wie ein Kind in der
Laufbank, doch allein die Treppe hinab. War bei Liebichs
auf der Schildwacht, die auf einem Berg liegt; ſie gingen
durch den Garten herab: ich einen Stufenberg ganz allein
ohne Furcht, das zweitemal als ich aus war!! habe Schmer-
zen, und Inkommoditäten, Schwächen, Schweiße; Fröſte, Un-
behaglichkeiten aller Art; und achte ſie nicht! Ermunterte,
und ergötzte alle Leute; bis geſtern. Da erfuhr ich, daß in
der Zeitung geſtanden habe, Tettenborn und ſein Adjutant
ſeien verwundet; der General leicht, jener ſchwer am Kopf.
Ich las in der Halsentzündung zwei Zeitungen nicht; in de-
nen ſtand es: damals wär’ ich geſtorben; ſie lagen neben
mir, ich vermochte ſie aus Fieber nicht zu leſen! Nun hat
die Welt den Frieden; ich nicht. Gott reicht es mir; ich bin
ſtill. Aber ſchreiben kann ich nicht. Seid nicht beſorgt! ich
erhalte, und tröſte mich, da es noch nicht gewiß iſt. Seit dem
17. Februar weiß ich nichts von ihm. Adieu. Gott richtet es
ein: ſonſt hätte ich ja jetzt in dieſem Falle ſterben können.
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/209>, abgerufen am 21.11.2024.
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