unser kultivirtester Fluß. Kurz, tausend Gedanken verband ich damit, die hier zu weitläufig sind. Nun fehlt Marwitz noch; aber ich hoffe. Ich werde noch an mehr Menschen schrei- ben. Und denke dir, Markus! (Hier hat mich Graf Luckner eine starke halbe Stunde gestört, und mir alle Gedanken ge- nommen) Varnhagen schreibt mir -- damals wollt' er erst nach Paris gehen -- er ginge mit seinem General nach Mann- heim; dorthin sollt' ich ihm schreiben. Vielleicht komme ich auch noch in Roberts Nähe; Mannheim ist gar nicht weit von Stuttgart, und warme Bäder, in Baden, nah bei; die Tettenborn gebrauchen will, und muß. Roberts Brief, den ich vorgestern erhielt, hat sehr schöne Stellen. Besonders, daß die Geschichte ein Drama aufführt. Daß ich mich fürchte, daß wir eine Nation werden, habe ich ihm schon lange ge- schrieben; und daß die vollkommenste, von dem größten Ge- setzerfinder gemacht, wozu er Gott selbst gebrauchte, ein be- schränkter Gedanke war, also endlich in der Idee, und ein Unglück wirken mußte: Moses war aber so groß, daß er in der Ausübung wieder unendlich war, und sein Gebäude den andern Nationen unmöglich zu zerstören war; weil er auch noch dabei göttliche, auf die ganze Menschheit sich bezie- hende Eingebungen hatte. Und wer kann sich zu dem Hel- den vergleichen! Von Kraft! tiefen, reichen, umfassenden Ge- danken! und einer Thatkraft! -- die das Ideal von mensch- licher bis jetzt macht; und welche Elemente fand der vor, und welche Alle nach ihm! Man kann dreist sagen, durch ihn. Er mußte auf den beschränkten Einfall kommen, der damals kein beschränkter war. Ich muß doch meinen Geschwistern
II. 14
unſer kultivirteſter Fluß. Kurz, tauſend Gedanken verband ich damit, die hier zu weitläufig ſind. Nun fehlt Marwitz noch; aber ich hoffe. Ich werde noch an mehr Menſchen ſchrei- ben. Und denke dir, Markus! (Hier hat mich Graf Luckner eine ſtarke halbe Stunde geſtört, und mir alle Gedanken ge- nommen) Varnhagen ſchreibt mir — damals wollt’ er erſt nach Paris gehen — er ginge mit ſeinem General nach Mann- heim; dorthin ſollt’ ich ihm ſchreiben. Vielleicht komme ich auch noch in Roberts Nähe; Mannheim iſt gar nicht weit von Stuttgart, und warme Bäder, in Baden, nah bei; die Tettenborn gebrauchen will, und muß. Roberts Brief, den ich vorgeſtern erhielt, hat ſehr ſchöne Stellen. Beſonders, daß die Geſchichte ein Drama aufführt. Daß ich mich fürchte, daß wir eine Nation werden, habe ich ihm ſchon lange ge- ſchrieben; und daß die vollkommenſte, von dem größten Ge- ſetzerfinder gemacht, wozu er Gott ſelbſt gebrauchte, ein be- ſchränkter Gedanke war, alſo endlich in der Idee, und ein Unglück wirken mußte: Moſes war aber ſo groß, daß er in der Ausübung wieder unendlich war, und ſein Gebäude den andern Nationen unmöglich zu zerſtören war; weil er auch noch dabei göttliche, auf die ganze Menſchheit ſich bezie- hende Eingebungen hatte. Und wer kann ſich zu dem Hel- den vergleichen! Von Kraft! tiefen, reichen, umfaſſenden Ge- danken! und einer Thatkraft! — die das Ideal von menſch- licher bis jetzt macht; und welche Elemente fand der vor, und welche Alle nach ihm! Man kann dreiſt ſagen, durch ihn. Er mußte auf den beſchränkten Einfall kommen, der damals kein beſchränkter war. Ich muß doch meinen Geſchwiſtern
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unſer kultivirteſter Fluß. Kurz, tauſend Gedanken verband ich
damit, die hier zu weitläufig ſind. Nun fehlt Marwitz noch;
aber ich hoffe. Ich werde noch an mehr Menſchen ſchrei-
ben. Und denke dir, Markus! (Hier hat mich Graf Luckner
eine ſtarke halbe Stunde geſtört, und mir alle Gedanken ge-
nommen) Varnhagen ſchreibt mir — damals wollt’ er erſt
nach Paris gehen — er ginge mit ſeinem General nach Mann-
heim; dorthin ſollt’ ich ihm ſchreiben. Vielleicht komme ich
auch noch in Roberts Nähe; Mannheim iſt gar nicht weit
von Stuttgart, und warme Bäder, in Baden, nah bei; die
Tettenborn gebrauchen will, und muß. Roberts Brief, den ich
vorgeſtern erhielt, hat ſehr ſchöne Stellen. Beſonders, daß
die Geſchichte ein Drama aufführt. Daß ich mich fürchte,
daß wir eine Nation werden, habe ich ihm ſchon lange ge-
ſchrieben; und daß die vollkommenſte, von dem größten Ge-
ſetzerfinder gemacht, wozu er Gott ſelbſt gebrauchte, ein be-
ſchränkter Gedanke war, alſo endlich in der Idee, und ein
Unglück wirken mußte: Moſes war aber ſo groß, daß er in
der Ausübung wieder unendlich war, und ſein Gebäude den
andern Nationen unmöglich zu zerſtören war; weil er auch
noch dabei göttliche, auf die ganze Menſchheit ſich bezie-
hende Eingebungen hatte. Und wer kann ſich zu dem Hel-
den vergleichen! Von Kraft! tiefen, reichen, umfaſſenden Ge-
danken! und einer Thatkraft! — die das Ideal von menſch-
licher bis jetzt macht; und welche Elemente fand der vor, und
welche Alle nach ihm! Man kann dreiſt ſagen, durch ihn.
Er mußte auf den beſchränkten Einfall kommen, der damals
kein beſchränkter war. Ich muß doch meinen Geſchwiſtern
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/217>, abgerufen am 16.02.2025.
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